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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Das Schleifen und Polieren
der Granaten.

10000 Menschen bei der böhmischen Granatindustrie ihr Brot verdienen. Die Hauptfundstätten für Granaten liegen in den paradiesischen Gründen des böhmischen Mittelgebirges verstreut. Die bekanntesten Fundorte sind Lobositz, Trebanitz, Triblitz, Laskowitz, Podseditz, Chrastow und Nelluk. Die Schleiferei der Steine wird, in Prag, in Revensko, in Semil, Sobotka und Lomnitz betrieben, Hauptort aber ist Turnau in der Nähe von Reichenberg. Hier hat auch der Staat eine Fachschule für Edelsteinbearbeitung und Gold- und Silberschmiedekunst errichtet. Ein Besuch dieser Fachschule ist im hohen Grade lohnend, noch mehr aber ist es der Besuch eines Großhauses in Edelsteinen, wie etwa das von Franz Schlechta. Hier sieht man geschliffene und ungeschliffene Edelsteine in Fässern, Kisten, Säcken, Schränken, etwa wie bei einem Kaufmann die Erbsen, Linsen und Bohnen. Zur Linken steht vielleicht ein Faß, dessen Inhalt man für kleine Knörpelkohlen halten könnte, zur Rechten steht ein anderes Faß mit Steinen derselben Art, aber die glühen und funkeln, veredelt durch den Schliff, wie die Leuchtkäfer des Südens. Eine seltsame, eine beschauliche Ware, die uns mit geheimnißvollen Reizen anmuthet.

Der Karfunkelstein oder der Granat, wie er jetzt ausschließlich genannt wird, ist der harte Ueberrest eines weicheren verwitterten Urgesteins. Im Sande von Flüssen und Bächen, im Schwemm- und Schuttland finden sich die schönsten Exemplare. Auch in der Ackererde wird er häufig gefunden, namentlich nach starken Regengüssen, die ihn von seiner unedlen Umgebung freiwaschen und für den Sucher bloßlegen. In festem Gestein findet er sich seltener und dann meist in kleinen unbrauchbaren Exemplaren. Bei Pötschu, in der Nähe von Karlsbad, liegt so ein nichtsnutziger Granatberg, der wohl Granaten in großen Mengen, aber dabei gar nichts Verwendbares enthält. Der Mensch ist beim Granatsuchen auf die vieltausendjährige Hilfsarbeit der Naturkräfte angewiesen, die das Muttergestein zersetzten und die Steine in gewisse Schwemmschichten einbetteten, wo sie leicht gewonnen werden können.

Auch in diesen Schichten sind die kleinen Steine noch in ungeheurer Ueberzahl, solche von Reiskorngröße sind schon gern gesehene Funde und erbsengroße kommen nicht alle Tage zum Vorschein. Die Granaten sind überhaupt, was die Größe anlangt, keine bevorzugten Edelsteine. Der größte bekannte böhmische Granat ist viel kleiner als die größten Diamanten, er wiegt 96 Gramm, ist 35 Millimeter lang, 27 hoch und 18 breit; er schmückt einen Orden des Goldenen Vließes im Grünen Gewölbe zu Dresden.

Die Granatschleiferei unterscheidet sich in keiner Weise von aller anderen Edelsteinschleiferei; sie wird nach Urväter Weise auf sich drehenden Bleischeiben geübt, und es ist auch nicht einzusehen, wie der einfache und höchst praktische Schleifmechanismus jemals noch eine weitere Vervollkommnung erfahren könnte. Man beginnt mit dem Abschliff der oberen Fläche. Mit einem Kitte aus Brauerpech, Schellack und Ziegelmehl befestigt man den Stein an einen Kittstock zur besseren Handhabung. Zuerst wird er auf einer Bleischeibe mit Schmirgel und Wasser „rundiert“, d. h., man giebt ihm die oberflächlichen Umrisse, um damit die Flächen für den eigentlichen Schliff vorzubereiten. Damit die Facettierung des Steines eine ganz gleichmäßige werde, benutzt der Schleifer ein Instrument, einen sogenannten Quadranten; mit Hilfe dieses mathematischen Werkzeuges wird der Kittstock mit dem Steine in ganz bestimmte Lagen zu der Schleifscheibe gebracht, und ist er gut eingestellt, dann können ungleiche Leuchtflächen, wie man die Facetten auf Deutsch recht wohl nennen könnte, nicht entstehen. Hat der Stein seine endgültige Form erhalten, so beginnt das Polieren, genau eine Arbeit wie das Schleifen selbst, nur daß die Bleischeiben durch solche aus Zinn, Kupfer oder Bronze ersetzt werden, und daß statt des Schmirgels Trippel zur Verwendung kommt. Die bekannten kugel-, halbkugel- oder linsenförmigen Steine, welche meist die Mittelstücke in den größeren Schmucksachen darstellen, werden von besonders geschickten Händen geschliffen und dann auf gewöhnlichen Holzscheiben poliert.

Der Schleifer, sofern er nicht in der, Fabrik, sondern als Hausindustrieller thätig ist, bringt nun die nach der Größe sortierten Steine nach dem Großhandlungshaus oder auch unmittelbar auf den Granatmarkt.

In Turnau und Prag giebt es Gasthäuser, die man Granatbörsen nennt und wo die Worte „Sechzehner“, „Zweiunddreißiger“, „Achtziger“, „Hunderter“ ebenso eindringlich an das Ohr der Fremden schlagen wie etwa an der Wiener Börse der Name eines bekannten Spekulationspapiers. Mit diesen Worten bezeichnet man nämlich die Größe der Steine und meint damit, daß 16, 32, 80 oder 100 auf ein Loth (16 2/3g) gehen. Der höchste Preis, der für einen Stein je erzielt worden ist, war 500 Gulden, doch das ist schon eine lange Reihe von Jahren her, ein solcher Fund ist in letzter Zeit nicht mehr gemacht worden. Die großen Steine, die neuerdings immer mehr beliebt werden, sind meist aus anderen Ländern, besonders aus Tirol, bezogen, sie sind jedoch unedler als die böhmischen, ihre Leuchtkraft ist geringer, auch erreicht ihre Härte nicht diejenige der böhmischen Granaten. Im Feuer werden sie schwarz und gewinnen auch nach dem Erkalten ihr Roth nicht wieder zurück, während die böhmischen Granaten im Feuer roth bleiben oder doch, wenn sie schwarz werden, ihre Leuchtkraft und ihr Roth nach dem Erkalten aufs neue entfalten,

Das Ausstanzen der Fassungsbleche.

Außer Tirol liefern noch Ostindien, Ceylon, Grönland, Kleinasien, Arizona und Australien Granaten nach Böhmen, über sie alle übertreffen nur in der Größe die Erzeugnisse der böhmischen Erde. Interessant sind einige Spielarten; man kennt violette, gelbliche, bläuliche, auch grüne und selbst schwarze Granaten. Die letzteren, Melanite genannt, werden zu Trauerschmuck verarbeitet. Die grünen, die Stachelbeersteine, sind mehr ihrer Seltenheit als ihres Aussehens wegen geschätzt. Der schönste Granat bleibt der tiefroth aufblitzende böhmische mit seinem echten unvergänglichen Feuer.

Der bergmännische Grubenbetrieb auf unsere Steine ist ein sehr einfacher. Man räumt beim Einschlag einer Grube die Ackererde und den Schotter beiseite, bis die angeschwemmte granathaltige Schicht ein Stück freiliegt. Hier gewinnt man die granathaltige Masse mit der Spitzhaue und begnügt sich mit dem Tagebau, das heißt, man schürft von oben nieder, bis die Grube versagt oder unbequem im Abbau wird. Nur wenn die Schicht besonders reich ist, geht man in die Tiefe, legt ein Leiterwerk an, setzt einen Rollbaum in Betrieb und schlägt wohl gar Schächte und Stollen ein. In den meisten Fällen aber

verläßt man die Grube, „muthet“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_108.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2020)