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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Der Segelschlittschuh-Sport. Das Schlittschuhsegeln, welches sich bei uns einzubürgern beginnt, ist offenbar ein Kind des Eissegelns. Die Leser, welche Gelegenheit hatten, sich eine Eisjacht in der Natur oder im Bilde – vergleiche „Gartenlaube“ 1887, Seite 29 – anzusehen oder gar eine allerdings etwas frostige Fahrt auf einem derartigen Fahrzeuge mitzumachen, wissen, daß dieses aus einem Balkendreiecke besteht, welches auf drei Kufen ruht und einen Mast mit einem oder zwei Segeln trägt. Die Mannschaft sitzt in dem Raume zwischen den Schenkeln des Dreiecks, und die hintere, drehbare Kufe dient als Steuerruder.

Der Schlittschuhsegler ist nun eigentlich nichts als eine Miniatureisjacht. Der Körper des Läufers ersetzt den Mast, und seine beiden stahlbewaffneten Füße vertreten die vorderen Kufen. Es fehlt allerdings die Steuerkufe. Diese ersetzt der Läufer durch die Bewegung seiner Füße. Auch vermag das menschliche Fahrzeug keine Passagiere mitzunehmen, und es ist für das Manöverieren einzig und allein auf seine Geschicklichkeit angewiesen.

Das älteste Schlittschuhsegel stellt Nr. 3 unserer Abbildung vor. Es besteht aus zwei kreuzweise angeordneten und an der Kreuzungstelle verbundenen Bambusstangen und aus zwei Raaen, zwischen welche ein Stück Leinwand gespannt ist. Darüber erhebt sich ein Beisegel, welches man den Topsegeln der Segeljachten abgeguckt hat. Es dient bei schwachem Winde zur Vergrößerung der Segelfläche. Weht es stärker, so wird es heruntergeklappt. Riemen zum Anschnallen des Segels an den Leib des Läufers vervollständigen die Ausrüstung.

Der Segelschlittschuh-Sport.
Zeichnung von R. Starcke.

Weniger gebräuchlich ist die in Nr. 2 veranschaulichte Segelausrüstung. Sie besteht aus zwei durch eine Bambusstange verbundenen leichten Rahmenwerken, über welche ein leichter Stoff gespannt ist. Eine größere Geschwindigkeit läßt sich damit kaum erzielen, weil die Segelfläche zu klein ist. Weit besser ist offenbar das Segel in der oberen Abbildung (1), welches überhaupt neuerdings entschieden bevorzugt wird. Es ist leichter herzustellen, weil dazu nur zwei an der Kreuzungsstelle verbundene Stangen gehören, über welche man ein Segel spannt. Der Läufer steht, wie ersichtlich, zwischen den Stangen und dem Segel und hält eine Stange mit den Händen fest.

Die drei Stellungen der Segel sind annähernd die gleichen wie beim Segeln auf dem Wasser. Bald läuft der Segler vor Wind, indem er sein Segel nach hinten dreht; bald mit halbem Winde, wenn die Brise von der Seite kommt; bald endlich hart am Winde, wenn es gilt, der Windrichtung in Zickzacklinien entgegenzufahren. Das letztere nennt man Aufkreuzen. Bedingung für den Erfolg dieses Aufkreuzens ist, daß der Träger des Segels nicht „abtreibt“, also nicht vom Wind seitwärts gedrängt wird, sonst nähert er sich dem Ziele nicht oder entfernt sich gar von demselben. Dazu ist es aber erforderlich, daß der Träger des Segels an einem Körper – beim gewöhnlichen Bootsegeln an dem Wasser – einen Halt findet. Damit ist ausgesprochen, daß der Schlittschuhsegler nicht so leicht aufkreuzt wie ein Segelboot, weil er mit seinen Stahlschuhen in das Eis nicht tief genug eingreift. Er treibt deshalb leichter ab. Dieses Abtreiben möglichst zu verringern, benutzt man daher bei diesem Sport sehr lange, 7 bis 8 Centimeter über den Fuß hinaus reichende Schlittschuhe, die den Halt erhöhen. Gewöhnliche Schlittschuhe mit Halifaxkurve eignen sich deshalb nicht. Räthlich ist es, man sucht irgend einen Punkt durch Aufkreuzen zu erreichen und 1äßt sich dann vom Winde mit dem Segel auf dem Rücken nach dem Abgangspunkt zurücktreiben. So lernt man das Handhaben des Segels am bestem Auch ist es gut, bei leichtem Winde anzufangen und sich erst dann bei frischer Brise aufs Eis zu wagen, wenn man eine gewisse Fertigkeit erlangt hat. Weht es hart, so gehört eine Geschwindigkeit von 20 bis 30 Kilometern in der Stunde nicht zu den Unmöglichkeiten. G. van Muyden.     


Vor dem Kommando „Friß!“ (Zu dem Bilde S. 101.) Der Elefant ist ein kluges Thier und in unseren zoologischen Gärten sammelt er stets ein großes Publikum um sich, welches unermüdlich dem Kunststück zusieht, wie geschickt ein solcher Koloß ein 5- oder ein silbernes 20-Pfennigstück aufheben und seinem Wärter reichen kann. Die Elefanten, welche auf unserer Abbildung in Reih und Glied treu nach dem Leben erscheinen, sind nicht zu solchen müßigen Kunststücken verdammt; sie sind Mitglieder einer Elefantenbatterie, wie sie die englische Armee in Ostindien besitzt, und somit höchst nützliche Thiere, welche wohl einexercirt auf jedes Kommando hören und über steile Gebirgspässe und anderes schwieriges Gelände Geschütze kleineren Kalibers auf ihrem Rücken tragen.

Unser Zeichner führt sie uns aber in einer friedlichen Thätigkeit vor, denn sie treten gerade zum Frühstück an. Die übliche Ration besteht aus fünf Päckchen zu je 2 Pfund rohen Reises für jeden Elefanten. Die Batteriethiere stürzen sich nicht auf das Futter, sondern bleiben hübsch in Reih und Glied stehen, bis das Kommando „Friß!“ ertönt; aber selbst dann greifen sie nicht mit dem Rüssel nach dem Reis, sondern sperren nur die Mäuler auf, damit ihnen der Reis hineingeworfen werde, und zwar in einzelnen Zweipfundbissen. Sie werden so gefüttert, damit sie den Reis nicht unnöthigerweise zerstreuen.

Schon seit alten Zeiten wurden die Elefanten zu kriegerischen Zwecken verwendet: sie kämpften bereits gegen die griechischen Phalangen und gegen die römischen Legionen. Heutzutage wird nur der indische Elefant gezähmt; die Karthager aber führten auch afrikanische Elefanten gegen die Römer ins Feld. Die Kunst, sie zu zähmen, ist inzwischen in Afrika vernachlässigt und völlig vergessen worden. In neuester Zeit, als man an die Erschließung des Dunklen Welttheils ging, führte man in Ostafrika und am Nil indische Elefanten ein, um mit deren Hilfe die afrikanischen zu zähmen. Aber die Versuche verliefen im Sande, und wir werden schwerlich jemals wieder in Afrika gezähmte Elefanten sehen oder über deutsch-ostafrikanische Elefantenbatterien verfügen. Der afrikanische Elefant ist der Ausrottung preisgegeben, und man braucht ihn auch nicht mehr als Lastthier, denn das Dampfroß schickt sich an, den Dunklen Welttheil zu erobern.*     



Inhalt: Freie Bahn! Roman von E. Werner (6. Fortsetzung). S. 101. – Vor dem Kommando „Friß!“ Bild. S. 101. – Eine muthige Frau. Von Minna Cauer. S. 104. Mit Bildniß S. 106. – Genesung. Bild. S. 105. – Böhmische Granaten. Von Th. Gampe. S. 107. Mit Abbildungen S. 107., 108, 109 und 110. – Auf Geben und Nehmen. Novelle von Johannes Wilda (6. Fortsetzung). S. 110. – Mentone. Bild. S. 113. – Frühlingsaussichten. Von C. Falkenhorst. S. 114. – Blätter und Blüthen: Mentone. S. 115. (Zu dem Bilde S. 113.) – Ein pietätvoller Sohn. S. 115. – Der Segelschlittschuh-Sport. Mit Abbildung. S. 116. – Vor dem Kommando „Friß!“ S. 116. (Zu dem Bilde S. 101.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Veröag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_116.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)