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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Fragt man angesichts der Thatsache, daß den Fahrgästen der den Grasoceau kreuzenden Bahnen schon seit Jahren keine Exemplare des Büffels mehr zu Gesichte kommen, was denn aus diesen ungeheuren Herden geworden sei, so erhält man die lakonische Antwort: „Ausgerottet!“

Ja, ausgerottet sind die Bisonherden, verschwunden mit dem rothen Mann, der ja auch keine Heimstätte finden sollte auf dem ihm gehörigen Boden. Wie das Bleichgesicht die Rothhaut weiter und immer weiter zurückgedrängt hat, so vollbrachte es auch die Ausrottung des Büffels.

Kaum waren durch die Eisenbahnen die Weidegründe desselben näher gerückt worden, als auch ganze Ströme von Jägern zu Fuß, zu Roß und Wagen sich über die Prairien ergossen und jene schändlichen Schlächtereien begannen, welche in kurzer Zeit den fast völligen Untergang einer ganzen Thiergattung zur Folge hatten.

Namentlich gegen das Jahr 1873 wurden ganze Expeditionen ausgerüstet, die vollständig zur Massenabschlachtung der riesigen Höckerträger eingerichtet und mit Wagen, Zelten, Waffen und Schießbedarf vollauf versehen waren. Zu Hunderttausenden wurden nunmehr die Büffel niedergeschossen, und das nicht etwa des Fleisches, sondern der armseligen Felle wegen, die man gleich an Ort und Stelle abstreifte, während man die Kadaver unbenutzt liegen und verfaulen ließ und höchstens die Zungen des Mitnehmens werth erachtete.

Immer widerlichere Ausdehnung nahm das Gemetzel an. Die Jäger stellten sich in fortlaufender Kette an den Flüssen und Wasserbecken aus, an welche die Thiere kommen mußten, um ihren Durst zu löschen. Jede Annäherung kostete einer Anzahl von Büffeln das Leben; die anderen hingegen wurden, um ihre Rückkehr zu sichern, durch Steinwürfe und Feuerbrände vertrieben, ohne daß sie zur Löschung ihres Durstes gekommen waren. Auf diese Weise soll man mit bestem Erfolge ganze Herden vier und fünf Tage lang vom Wasser fern gehalten haben.

Gefoltert von dem Verlangen nach Wasser, nahten sich die armen Schlachtopfer wieder und wieder – aber nur, um aufs neue von den Kugeln der Jäger begrüßt zu werden.

Eine Jagdgesellschaft von 16 Personen tötete während des Sommers 1874 2800 Büffel, ja ein junger Mann rühmte sich sogar, während einer Kampagne über 3000 Stück, in einer Woche allein 85, geschossen zu haben. Der amerikanische Oberst Dodge, welcher die Jagdgründe im Herbste 1873 besuchte, schreibt: „Ich ritt über das nämliche Gelände, das ich ein Jahr vorher mit einigen Herren besucht hatte. Wo damals Tausende von Büffeln weideten, lagen jetzt Tausende von Thierleichen. Die Luft war durchdrungen von krankmachendem Gestank; die unabsehbare Ebene, welche ein kurzes Jahr vorher von thierischem Leben wimmelte, war heute eine tote, einsame, verpestete Wüste.“0 „Um einen Begriff von der Zahl der verwesenden Kadaver zu geben,“ so bemerkt der Reisende Blackmore, „mag allein die Mittheilung genügen, daß ich 87 dieser Aase auf einem kaum vier Acre (rund 160 Ar) großen Stücke Landes zählte.“

An der Sübgabel des Republikanflusses wurden im Jahre 1874 auf einem Haufen 6500 Kadaver gezählt.

Wie der Raubbetrieb gehandhabt wurde, das beleuchtet am besten wohl die Art, in welcher man die Abhäutung der Büffel besorgte. Das gewöhnliche Verfahren wurde zu langwierig befunden, und so vereinfachte man es, indem man bei einem getöteten Büffel Einschnitte über die Ohren rings um den Hals machte, die dicke Haut sechs bis acht Zoll abhäutete, von hier aus fernere Einschnitte über den Bauch nnb entlang der Beine machte und dann einen drei Fuß langen eisernen Nagel durch den Schädel des Büffels in die Erde trieb und so den Kadaver befestigte.

Nachdem dies geschehen, ward ein starkes Seil in der dicken Kopfhaut befestigt, das andere Ende desselben an die Hinterachse eines Wagens gebunden und nun die Pferde vor demselben angetrieben, so daß die ganze Haut mit einem Zuge von dem Kadaver gelöst wurde. Während dieses Gewaltaktes zerriß zwar gar manche Haut, doch „time is money!“ Der Markt war schließlich so überschwemmt mit Büffelhäuten, daß das Fell eines Bullen, welches früher mit 3 Dollar bezahlt worden war, nur noch einen einzigen brachte, während die Felle von Kühen und Kälbern bloß noch 80 und 40 Cent galten.

Die Folgen derartiger Raubwirthschaft zeigten sich gar bald. Im Herbste 1874 waren schon fast mehr Jäger als Büffel auf den Prairien zu finden, und die kleineren Herden hatten sich soweit verzogen, daß ihre Jagd der Transportschwierigkeiten halber nicht mehr verlohnte. Es sind hinterher Berechnungen gemacht worden, wie hoch wohl die Zahl der in den Jahren 1872, 1873 und 1874 getöteten Büffel gewesen sein möge. Oberst Dodge kommt zu dem Schlusse, daß die Zahl von 4 bis 51/2 Millionen nicht zu hoch gegriffen sei, ein Bericht der amerikanischen Regierung (9. Annual Report of the Dep. of Interior) will sogar wissen, daß die Zahl der von 1870 bis 1875 jährlich getöteten Büffel auf nicht weniger als 21/2 Millionen zu schätzen sei, was eine Gesammtsumme ergiebt, die zu begreifen wir dem Leser überlassen müssen.

Die Büffel sind verschwunden, auf ihren alten Weidegründen grasen jetzt Hunderttausende von Stieren, Rindern und Schafen, welche von einzelnen Viehzüchtern oder von spekulativen Gesellschaften hier gehalten werden. Die Prairien von Kansas und Colorado, die Tafelländer von Neu-Mexiko und Texas sind voll von gewaltigen Herden; der Werth der allein in den organisierten Theilen von Kansas umherziehenden Herden wurde im Jahre 1882 auf 45 Millionen Dollars geschätzt. Man bezifferte die Zahl der Rinder und Schafe auf je 2 Millionen Stück. Die Rindviehzucht wird in verschiedener Weise betrieben. Die eine Art, „loose herding“ genannt, besteht darin, daß man die Viehherden frei, ohne Einfriedigung grasen läßt. Den ganzen Sommer und Winter bleiben die Thiere draußen, ohne alles Obdach und ohne jede Aufsicht.

Ein entstehendes Prairiestädtchen in Kansas.
Originalzeichnung von Rudolf Cronau.

Daß unter derartigen sich selbst überlassenen Herden ein großer Abgang durch wilde Thiere, Viehdiebe und Indianer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_154.jpg&oldid=- (Version vom 2.8.2020)