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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


BLÄTTER UND BLÜTHEN.


Deutschlands Vertretung bei der internationalen Flottenschau im Hafen von New-York. (Zu dem Bilde S. 229.) In der Reihe der Festlichkeiten, welche die Eröffnung der Kolumbischen Weltausstellung zu Chicago umrahmen sollen, wird die für Ende April geplante Flottenschau einen hervorragenden Platz einnehmen. Alle Seestaaten beider Hemisphären sind hierzu eingeladen, und das beste Kriegsschiffmaterial der Welt wird sich verewigen zu einem Schauspiel, das ebenso großartig in seinem äußeren Verlauf wie lehrreich für den Sachverständigen zu werden verspricht. Die Versammlung der Schiffe findet bei Hampton an der Einfahrt in die Chesapeake-Bai, die Revue selbst im Hafen von New-York statt. Das Deutsche Reich wird bei dieser Flottenschau durch die Kreuzerkorvette „Kaiserin Augusta“ und durch den Kreuzer „Seeadler“ vertreten sein.

Mit der Kreuzerkorvette „Kaiserin Augusta“ entsendet Deutschland sein schnellstes und leistungsfähigstes Kriegsschiff über den Ocean. Wohl haben Nordamerika, Frankreich, Italien dem Typus der gepanzerten Schnellkreuzer in den letzten Jahren besondere Sorgfalt zugewandt, indessen besitzen sie doch kein Kriegsschiff, das alle wesentlichen Vorzüge in so vollkommenem Maße in sich vereinigt, wie dies bei der „Kaiserin Augusta“ der Fall ist. Auf der Germania-Werft zu Kiel gebaut, wurde sie am 15. Januar 1892 vom Prinzen Heinrich von Preußen auf den Namen „Kaiserin Augusta“ getauft zum Andenken an die verewigte Gemahlin Kaiser Wilhelms I. Ihre Bauart ist die eines geschützten Kreuzers mit durchgehendem Panzer unter der Wasserlinie. Als erster Dreischraubendampfer der deutschen Marine stellt sie einen ganz neuen Typus dar, der sich durch seine ungeheure Maschinenstärke vor allen früheren auszeichnet; verfügt doch die Korvette über die Wucht von 12000 Pferdekräften und ist imstande, bei gleichzeitiger Anwendung aller ihrer drei Schrauben die außerordentliche Höchstgeschwindigkeit von 21 Seemeilen in der Stunde zu erreichen!

Die drei Schrauben werden von drei neuen Expansionsmaschinen getrieben, die wasserdicht und voneinander getrennt in den Schiffskörper eingebaut sind. Jede einzelne hat ihren eigenen Schornstein. Die Formen des gewaltigen Schiffsleibes sind nicht ungefällig und werden durch den weißen Anstrich noch vortheilhaft gehoben. Zwanzig Geschütze, darunter acht Schnellladekanonen von 8,8 cm Kaliber, bilden die artilleristische Ausrüstung des Schiffes, die durch fünf Torpedorohre vervollständigt wird. Die Besatzung beläuft sich auf 427 Mann.

Der Kreuzer „Seeadler“ wurde in Danzig als Ersatz für den bei Apia gestrandeten „Adler“ gebaut und vor etwa Jahresfrist vom Stapel gelassen. Flotte zierliche Formen zeichnen ihn aus, auch er prangt in schimmerndem weißen Gewand, und seine Geschwindigkeit läßt sich bei einer Maschinenstärke von 2800 Pferdekräften auf 16 Seemeilen in der Stunde bringen. Wie alle für den auswärtigen Dienst bestimmten Fahrzeuge hat er noch die den großen Schlachtschiffen fehlende Segeleinrichtung. Acht leichtere Geschütze, von denen sechs in seitlichen Aufbauten stehen, bilden seine Bewaffnung, die Besatzung zählt 159 Köpfe. Trotz seiner verhältnißmäßig geringen Größe hat er doch zwei Millionen Mark gekostet.

Ist somit die deutsche Seemacht auf der Reede von Hampton und New-York der Zahl der Schiffe nach auch etwas bescheiden vertreten, so dürfen wir uns doch der Zuversicht hingeben, daß die hervorragenden Eigenschaften dieser Sendboten ersetzen werden, was etwa ihre Zahl vermissen läßt.

Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.
In Erwartung.
Nach einem Gemälde von B. Vautier.

Eduard VI. von England vor der Unterzeichnung des ersten Todesurtheils. (Zu dem Bilde S. 225.) Als König Heinrich VIII. von England im Jahre 1547 gestorben war, folgte ihm auf dem Throne sein einziger männlicher Nachkomme, Eduard VI., ein zehnjähriger Knabe, der Sohn jener Johanna Seymour, welche Heinrich nach dem gewaltsamen Ende der schönen Anna Boleyn geheirathet hatte. Wir sehen auf unserem Bilde den jugendlichen Herrscher im Staatsrathe, wie ihm eben das erste Todesurtheil zur Unterschrift vorgelegt wird. Der königliche Knabe faltet betend die Hände, um die Zaghaftigkeit seines Herzens zu überwinden; denn er fürchtet, ein Unrecht zu thun und eine Art von Mord auf seine Seele zu laden. Düster blicken die Männer des Staatsraths, vor allem der Kanzler, des Königs Onkel, Eduard Seymour, Herzog von Somerset. Denn blutig war die Zeit des Königs Heinrich und bald sollte die nicht minder blutige der Königin Maria folgen. Und dieser Herzog von Somerset selbst sollte ja nach kurzer Zeit sein Haupt aufs Blutgerüst legen. Der junge König, der, noch nicht sechzehnjährig, 1553 an der Schwindsucht starb, war frommen Sinnes, aufrichtig bestrebt, in den religiösen Wirren der Zeit das Rechte zu finden – und so erscheint dieser sanfte Knabe als eine Art von Lichtgestalt in einer dunkeln Zeit. Man sieht es ihm an, er würde gern die Taube des Friedens dahinschweben lassen über das durch wilde Glaubenskämpfe zerrüttete Land und gern dem Verurtheilten gegenüber das Wort der Gnade sprechen. Doch gnadenlos blickt sein finsterer Mentor, gnadenlos die Räthe der Krone – und wenn seine gefalteten Hände sich lösen, dann wird er zur Feder greifen müssen, um widerwillig dem Todesurtheil die entscheidenden Schriftzüge hinzuzufügen.

Ungleiche Hausgenossen. (Zu unserer Kunstbeilage.) Etwa tausend Bilder, und zwar der Hauptsache nach Thierbilder, sind aus dem Atelier Sir Edwin Henry Landseers hervorgegangen, der von 1802 bis 1873 zu London lebte und zu seiner Zeit wohl der volksthümlichste Maler Englands war. Seine Fruchtbarkeit war fast unerschöpflich, ebenso groß aber seine Vielseitigkeit und die Feinheit seiner Beobachtung; alle Höhen und Tiefen des Thierlebens hat er dargestellt, ganz besonders aber haben die Hunde den Vorzug genossen, von ihm gemalt – nein, porträtiert zu werden. So gehört denn auch das Bild, welches unsere heutige Kunstbeilage wiedergiebt, zu den hervorragendsten Schöpfungen Landseers. In selbstbewußter Ruhe blickt die schwere Bracke aus klugen Augen in die Welt, während der nervöse Kopf des kleinen Pinschers im nächsten Augenblick einen kläffenden Angriff gewärtigen läßt.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Ph. Cr. in Springfield, Ill. Das ist ganz richtig, daß sich in den deutschen Schriftwerken aller Art Ausdrücke mehr familiärer Natur finden, die Sie in einem Wörterbuch vergeblich suchen. Kommt es ja doch vor, daß in dieser Beziehung ein Deutscher oft den andern nicht gleich versteht. Einigen Aufschluß finden Sie in der Sammlung von Arnold Genthe, welche dieser unter dem Titel „Deutsches Slang“ zusammengestellt hat (Straßburg, Karl J. Trübner). Mit dem englischen Worte „Slang“ bezeichnet er, in Ermanglung eines damit sich deckenden deutschen Ausdrucks, eben jene nicht schriftgemäßen, aber in der zwanglosen Unterhaltung allgemein oder wenigstens viel gebrauchten deutschen Worte und Redensarten, die Ihnen bei Ihren deutschen Studien Schwierigkeiten bereiten.

Abonnent in St. Petersburg. Besten Dank für die freundliche Einsendung, die aber leider nicht gut in den Rahmen der „Gartenlaube“ paßt.


manicula 0 Hierzu Kunstbeilage IV: Ungleiche Hausgenossen. Von Edwin Landseer.

Inhalt: Schwertlilie. Roman von Sophie Junghans. S. 221. – Vogelkantate. Bild. S. 221. – Eduard VI. von England vor der Unterzeichnung des ersten Todesurtheils. Bild. S. 225. – „Kaiserin Augusta“ und „Seeadler“. Bild. S. 229. – Die Volkshaushaltungsschule in Leipzig. Von Frau Lotte Windscheid. S. 230. – Freie Bahn! Roman von E. Werner (13. Fortsetzung). S. 230. – Lenzblüthen. Bild. S. 233. – Erfinder-Lose. Philipp Reis und das Telephon. Von Dr. Adolf Poppe. S. 235. Mit Abbildungen S. 237 und 239. – Blätter und Blüthen: Deutschlands Vertretung bei der internationalen Flottenschau im Hafen von New-York, S. 240. (Zu dem Bilde S. 229.) – Edward VI. von England vor der Unterzeichnung des ersten Todesurtheils. S. 240. (Zu dem Bilde S. 225.) – Ungleiche Hausgenossen. S. 240. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Kleiner Briefkasten. S. 240.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_240.jpg&oldid=- (Version vom 16.3.2023)