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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

„Das vordere Handpferd hat den Spat; das zur Linken verliert den Schweif und ist ein elender Klepper, wird wohl auch immer ein solcher gewesen sein, nur daß ich das damals noch nicht verstand; und steif im Kreuze wegen ihres hohen Alters sind sie jetzt alle.“

„Ihr seid ein scharfer Kenner, junger Herr,“ lächelte Herr von Nievern wohlgefällig. „Für den Dienst, den die Pferde zu verrichten haben, sind sie übrigens noch tauglich genug. Aber nun gestattet, daß ich den Tulpenflor hier bewundere. Ah, das ist ja prächtig!“

Sie gingen nun alle eine Weile zwischen den steifen buntprangenden Blumenreihen hin, wobei Herr von Gouda das Lob, welches seine Tulpen erhielten, nicht ohne Wohlgefallen zwar, aber mit stets unvermindertem Ernst entgegennahm. Wäre sein Gesicht eine Fastnachtslarve von der feierlichen Sorte gewesen, es hätte nicht unbewegter bleiben können.

Herr von Nievern, der ein offenes Auge für die äußere Welt hatte und von seinen Reisen her gewohnt war, sich aufmerksam umzusehen, betrachtete Blumen und Sträucher genau und mit verständigem Blick. Er fragte nach diesem und jenem und trat dann neben Polyxene, wie um eine stolze Blüthe besser zu betrachten, die aus einer grünen Scheide spitzer Schilfblätter an schlankem Speerschaft emporgeschossen war. „Welch schöne Blume!“ sagte er. „Mich dünkt, ich habe sie noch nie gesehen.“

„Auch ein Pflegling des Oheims,“ entgegnete Fräulein von Leyen, und Herr von Nievern meinte: „So treibt Ihr neben den Fortifikationswissenschaften, welchen Ihr, wie man weiß, privatim obliegt, auch diese ganz friedliche Kunst der Gärtnerei, Herr Oberst, und zwar mit Meisterschaft?“

„Ich versuche allerlei, und diese Varietät der Iris war mir von Kennern in Holland, zu denen ich in Beziehung stehe, empfohlen worden,“ sagte Herr von Gouda trocken. „Es ist übrigens keine große Kunst dabei, Gewächse aus Zwiebeln zu ziehen.“

Indessen hatte sich Polyxene zur Seite gebückt und mit einem Messerchen, welches sie bei sich trug, gefällig eine der Blüthen abgeschnittn. Sie reichte dem Kavalier den schlanken Stengel mit seiner Wehr scharfer Blätter, die ihn am unteren Ende noch fest umschränkten und knapp durchgelassen hatten, und mit der bläulichen halb erschlossenen Blüthe und sagte dabei freundlich: „Die neue Blume theilt etwas mit den Erinnerungen aus des Oheims Soldatenzeit, durch ihren Namen. Man heißt sie Schwertlilie.“

„Schwertlilie,“ wiederholte er langsam, nahm den schlanken wehrhaften Schaft mit der zarten Blüthe aus der Hand, die ihn bot, und umfaßte dabei Mädchen und Blume mit einem eigenthümlichen Blicke, dem jetzt die Worte folgten, rasch und nur so laut gesprochen, daß sie allein sie verstehen konnte: „Das ist ein vortreffliches Symbol für Euch, Fräulein.“

Polyxene, wider ihre Art, verwirrte sich ein wenig bei dieser Sprache der Galanterie, die sie hier nicht erwartet hatte. Aber war es denn eine Schmeichelei gewesen, die da eben an ihr Ohr gedrungen war? Oder nicht vielmehr eine spöttische Herausforderung? Und war er es gewesen, von dem sie gekommen war? Von dem Mann, der jetzt, als wisse er gar nichts mehr davon, so ruhig neben dem Obersten von Gouda herschritt und ihm zuhörte und das Fräulein in diesem Augenblick gar nicht zu beachten schien? Polyxene wunderte sich über eine solche Fertigkeit in kleinen Verstellungen, und ihre Wangen blieben, solange der Landforstmeister noch im Garten verweilte, unwillig geröthet.

Er seinerseits schien nicht zu merken, daß er das Fräulein wieder erzürnt hatte. Die Blume behielt er in der Hand, und als er wenige Minuten später sein am Gartenstaket vorgeführtes Pferd bestieg – einen schlanken kräftigen Braunen englischer Zucht, dem Junker Lutz viel Aufmerksamkeit schenkte – da schob er die Blüthe mit einer gewissen Sorgfalt vorn durch das Bandelier seines Degens und blitzte gleich darauf das Fräulein, indem er vor allen Dreien ritterlich den Federhut schwenkte, mit einem Blicke des Verständnisses an ... ob sie auch sehe, wo er die symbolische Blume geborgen habe! Der Lilienstengel reckte sich da steif und wenig anschmiegsam hervor. Und Fräulein Polyxene war überzeugt, daß der lustige Kavalier und Günstling der Pfalzgräfin sie damit zum besten habe.

Sie trug das mit Würde. An den Herrn von Nievern dachte sie von da ab etwa wie an einen Feind; doch hinderte sie ihr Stolz daran, sich allzu sehr durch ihn verletzt zu fühlen, oder wenigstens, es sich einzugestehen.

(Fortsetzung folgt.)




Das Krankenhaus.

Von Dr. Fr. Dornblüth.


Die Sorge für die allgemeine Gesundheit verlangt, daß auch der Kranken gedacht werde. Ist es ja doch für das Gemeinwohl von größter Wichtigkeit, daß sie selbst möglichst schnell wieder zu voller Arbeitskraft und Erwerbsfähigkeit gelangen, daß sie andere möglichst wenig darin stören, und daß endlich ansteckende und übertragbare Krankheiten eingeschränkt und an der Weiterverbreitung nach Möglichkeit gehindert werden! Für einen großen Theil der Bevölkerung sind diese Zwecke nur durch Krankenhäuser erreichbar.

Für alle Kranke, welchem Stande und welcher Vermögenslage sie auch angehören mögen, sind die Hauptbedingungen des Genesens – neben ihrer eigenen Widerstandskraft – die gleichen. Wenn auch manche leichte Gesundheitsstörung fast unbeachtet vorübergeht, ohne daß der Betroffene sich besonderer Schonung und Pflege unterwirft, so ist es doch keine Frage, daß oftmals früher oder später schwere Leiden daraus hervorgehen, die durch ein rechtzeitiges Einschreiten zu lindern, abzukürzen oder zu verhindern gewesen wären. Unzähligemal hat sich aus einem einfachen Brustkatarrh die Schwindsucht, aus einer Erkältung eine schwere Lähmung, aus einer Verletzung ein dauernder Schaden entwickelt!

Jene Bedingungen der Genesung nun, die wenigstens bei jeder die Arbeitsfähigkeit störenden Erkrankung beansprucht werden müssen, sind zunächst Ruhe des Körpers und des Geistes, damit weder innere noch äußere Einflüsse die Natur hindern, ihre ganze Kraft zur Ueberwindung der Krankheit einzusetzen. Dann gehört dazu gesunde Luft; den Kranken, die nicht hinausgehen können, um sie aufzusuchen, die an Zimmer und Bett gefesselt sind, ist sie noch nothwendiger als den Gesunden, die sich doch nur vorübergehend in ihren Wohn- und Schlafräumen aufzuhalten pflegen und die jedenfalls dem schädlichen Einfluß schlechter Luft besser widerstehen können. Für Typhuskranke, für Schwerverwundete und solche, die große Operationen überstanden haben, ist reine Luft geradezu eine Lebensbedingung. Die durch die Krankheit geschwächten Kräfte können ferner nur durch genau passende Ernährung gehoben werden, und wie die Wohnung, so ist das Bett für alle Schwerkranken und Langeliegenden noch viel wichtiger als für Gesunde. Daß endlich richtige Pflege und ärztliche Behandlung einerseits die Genesung befördern, andererseits aber auch die Leiden mindern können, bedarf wohl keines Beweises. Nicht wenige Kranke werden zwar auch unter sehr schlimmen Verhältnissen, trotz fehlender Ruhe, trotz schlechter Luft und mangelhafter oder gar falscher Ernährung, trotz ungesunder Wohnung und Lagerung, trotz ungenügender Pflege und Behandlung wieder gesund, aber mit wie viel mehr Leiden und Sorgen, wie oft langsamer und unvollkommener, als wenn sie das gleiche Leiden unter günstigeren Verhältnissen durchzumachen gehabt hätten! Wenn es sich auch nicht zahlenmäßig feststellen läßt, so weiß doch jeder Arzt, daß Feuchtigkeit und Mangel an Luft und Licht in den Wohnungen Unbemittelter, daß fehlerhafte Ernährung, mangelnde Pflege, Sorgen und Kummer ob der hereinbrechenden Noth alle seine Anstrengungen, sein Wissen und sein Können nur zu oft vergeblich machen!

Die Chirurgie hat durch viele Tausende von Erfahrungen als unerschütterlichen Grundsatz festgestellt, daß bei der Behandlung von Wunden strengste Reinlichkeit – in kunstgemäßer Ausführung Asepsis (Fäulnißlosigkeit) genannt – unumgängliche Bedingung für den günstigen Ausgang ist, und daß unter der Herrschaft der Asepsis Operationen, an welche vor wenig Jahrzehnten der kühnste und geschickteste Arzt kaum zu denken wagte, mit beinahe sicherem Erfolge gemacht werden. Aber auch die innere Medizin, bei der freilich die Erfolge weniger augenscheinlich und sozusagen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_250.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2021)