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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


BLÄTTER UND BLÜTHEN.


Der Blumenmarkt am Dönhoffsplatz in Berlin. (Zu dem Bilde S. 265.) Es ist eine Erinnerung an den seit Eröffnung der Markthallen eingegangenen Blumenmarkt auf dem Dönhoffsplatz in Berlin, was unser Bild von Hans Herrmann bietet. Die ganze Nordseite des großen Platzes längs der belebten Leipziger Straße war früher den Gärtnern und Blumenhändlern eingeräumt, die hier ihre anmuthig gruppierte Ware feilboten. Zu den Füßen der Statue des Ministers Freiherrn von Stein saßen die Verkäufer und Verkäuferinnen, und zur Rosenzeit erfüllte oft ein wundervoller Duft diesen Theil des Marktes. Von den großen Palmgewächsen und Blattpflanzen aller Art bis herab zu dem bescheidenen Stiefmütterchen konnte man hier seine Wahl treffen, und Blumenmädchen mit Körben am Arme boten dem Vorübergehenden ihre zierlichen Maiglöckchen-, ihre sanftduftenden Veilchen- oder Rosensträußchen zum Kaufe dar.

Ein überaus buntes Durcheinander herrschte dann in dieser ohnehin so sehr belebten Gegend. Namentlich im Frühling, an schönen sonnigen Tagen, wenn der erste Blumenflor auf den Markt gebracht wurde, ging es ungemein geschäftig zu. Aber auch im Winter war der Blumenmarkt am Dönhoffsplatz stark besucht und der Handel, namentlich in Kamelien für die Balltoiletten der Damen, ein ergiebiger.

Jetzt bergen die Markthallen, was früher das Auge am Dönhoffsplatz erfreute. Auch hier duften Hyacinthen und Rosen und prangen in ihrer Farbenpracht. Aber des Himmels Sonne, die alles in weit schönerem Lichte erscheinen läßt, sie schaut nicht mehr herab auf Knospen und Blüthen!

Civilisation.
Nach der Natur aufgenommen von Carl Wolff.

Civilisation. (Mit Abbildung.) Ja, „die Kultur, die alle Welt beleckt, hat auf den Teufel sich erstreckt“ möchte man mit Mephisto sagen beim Anblick der vier Samoanischen Schönen, die im lauschigen Bambusgebüsch der behaglichen Unterhaltung des Kartenspiels – und zwar mit den uns Europäern wohlbekannten sogenannten „französischen“ Karten – sich hingeben. Ein Freund unseres Blattes hat die vier übrigens gar nicht unhübschen Damen bei ihrem höchst civilisierten Zeitvertreib belauscht und sie für die „Gartenlaube“ photographisch aufgenommen. Leider hat er die Gelegenheit versäumt, sie zu fragen, was sie spielen, ob „Whist“ oder „L’hombre“ oder „Skat“ oder „Schafkopf“; aus dem Inhalt ihrer Karten dies nachträglich zu kombinieren, dürfte schwer halten. Jedenfalls legt die dem Beschauer gegenübersitzende Dame ihr Spiel eben mit äußerst zuversichtlicher Miene auf den „Tisch“, so als ob sie, ins Samoanische übersetzt, eben die kühlen Worte gesprochen hätte: „Alles hoch – gebt Euch keine Mühe!“

Ein wanderndes Haus. (Zu dem Bilde S. 269.) Bei unsern amerikanischen Vettern hat das Haus den Charakter der Unveränderlichkeit längst abgestreift. Selbst ganze Backsteinhäuser entgehen dort dem Schicksal nicht, auf die Wanderschaft geschickt zu werden, wenn sie an ihrem alten Standorte dem wachsenden Verkehr hinderlich sind. Eine solche Wanderschaft hat vor einiger Zeit in New-York ein Backsteinhaus antreten müssen, das von einer Pferdebahngesellschaft zur Erweiterung des Bahnbetriebes erworben und auf den Abbruch verkauft war. Der Käufer, der das Haus bis dahin als Miether bewohnt hatte, faßte den Entschluß, dasselbe ganz so, wie es stand, zu verschieben, und er hat diesen Plan auch glücklich durchgeführt. Bezeichnend für die amerikanischen Verhältnisse ist es, daß der neue Platz, auf dem das Haus jetzt stehst auch nur gepachtet ist.

Um die Beförderung des Hauses zu bewerkstelligen, mußte dasselbe zunächst durch eine Anzahl schwerer Balken unterfangen werden. Diese wurden durch eine mehrfache Kreuzlage kräftiger Balken verbunden, so daß eine Art Schlitten entstand, der von 30 Hebewinden hoch gehoben und dann auf Balken, die als Gleitschienen dienten, niedergelassen wurde. Die Gleitschienen waren mehrfach vorhanden, so daß sie nach Zurücklegung eines Stück Weges hinten weggenommen und vorn wieder angeschoben werden konnten. Um die Reibung zu verringern, wurden die Gleitschienen gut eingefettet, und dann ging’s auf die Wanderschaft: zunächst etliche 90 Meter bis zum nächsten Kreuzungspunkt der Straßen, dann um die Ecke noch weitere 180 Meter.

Das Gewicht des ganzen Hauses schätzte man auf 4000 Centner. Die Verschiebung wurde durch zwei Pferde bewirkt, welche mit Hilfe einiger Erdwinden und vier dreifacher Flaschenzüge das Gebäude in 31 Tagen bis zum neuen Aufstellungsort brachten. Hierzu mag noch bemerkt werden, daß die Arbeit sowohl durch ungünstige Witterung als auch durch polizeiliche Anordnungen vielfach unterbrochen wurde.

Die Kosten der Ueberführung sollen insgesamt 2000 Mark betragen haben. Beschäftigt waren bei der Arbeit fünf Personen von denen eine die Leitung hatte.

Das Allerschönste aber ist: während der ganzen Dauer der Verschiebung diente das Haus mehreren Familien unausgesetzt als Wohnstätte.

Des Wikings Bestattung. (Zu dem Bilde S. 273) Baldur, der weiße Lichtgott, ward getötet von Hödur, dem blinden Asen, den Loki aufgereizt. Und als die Götter sich erholt von ihrem jähen Schrecken, da nahmen sie Baldurs Leiche und brachten sie zur See.

In dem Mythus von der Leichenfeier Baldurs, den uns die „Jüngere Edda“ aufbewahrt hat, spiegelt sich die uralte nordische Sitte, die großen Helden da zu begraben, wo ihrer Thaten Schauplatz war – draußen auf der wogenden See, die sie so oft durchschnitten hatten auf verwegenem Raubzug. Und so sehen wir auch auf unserem Bilde den toten Wiking aufgebahrt auf seinem treuen Schiffe, umgeben von den Waffen, mit denen er seine Siege erfochten. Aufgezogen ist das drachengeschmückte Segel, gebläht vom Nachtwind, der des Holzstoßes Gluthen hell entfacht, und kraftvolle Arme schieben den Kiel hinaus ins Meer – zu seiner letzten Fahrt. Am Strande aber, da stehen die Skalden und singen des Toten Ruhm – und die Mannen lauschen und starren hinaus auf das schaurig schöne Schauspiel, bis der mächtige lodernde Rumpf versinkt im Meere und der letzte Funke verglommen ist.

Das Gehör. (Zu unserer Kunstbeilage.) Wir geben heute eine Fortsetzung der Rößlerschen Allegorien auf die fünf Sinne, und zwar diesmal „Das Gehör“. Die schöne Frauengestalt, welche den Mittelgrund des Bildes einnimmt, lauscht verzückt auf die Töne welche das zarte geflügelte Wesen über ihrem Haupte seiner Mandoline entlockt und auch der andere Amor zu Füßen der Frau legt sein Händchen ans Ohr und horcht begierig auf die süßen Klänge.


manicula 0Hierzu Kunstbeilage V:0 Das Gehör.0 Von R. Rößler.

Inhalt: Schwertlilie. Roman von Sophie Junghans (2. Fortsetzung). S. 261. – Vorbereitung zur Vorstellung. Bild. S. 261. – Aus dem alten Berlin: Der Blumenmarkt auf dem Dönhoffsplatz. Bild. S. 265. – Früehlings-Sunneschei. Gedicht von F. Bochazer. Mit Bild. S. 268. – Wie ich zu dem Helden von „Sturmfluth“ kam. Von Friedrich Spielhagen. S. 268. – Freie Bahn! Roman von E. Werner (15. Fortsetzung). S. 272. – Des Wikings Bestattung. Bild. S. 273. – Blätter und Blüthen: Der Blumenmarkt am Dönhoffsplatz in Berlin. S. 276. (Zu dem Bilde S. 265.) – Civilisation. Mit Abbildung. S. 276. – Ein wanderndes Haus. S. 276. (Zu dem Bilde S. 269.) – Des Wikings Bestattung. S. 276. (Zu dem Bilde S. 273.) – Das Gehör. S. 276. (Zu unserer Kunstbeilage.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_276.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2022)