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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


da nicht selten von geborenen Franzosen ausgeübt; die weiteren Kreise des Volkes kannten es wenig und nannten die Leute, die es betrieben, „französische Handschuhmacher“.

Das war das Gewerbe, dem sich Christian Behrens in einem Alter von vierundzwanzig Jahren zuwandte. Eine nicht zu unterschätzende Grundlage besaß er in seinem erlernten Handwerk, und er bewahrte diesem auch noch so viel Anhänglichkeit, daß er durch ein Meisterstück das Meisterrecht in demselben erwarb.

Die Färberei.

Von jener Zeit an habe ich dem Manne nahe gestanden und jede Stufe seiner Entwicklung beobachten können und mit erlebt. Es war ein kühner Schritt, als Behrens es unternahm, in dem kleinen weltentlegenen und von keiner Eisenbahn berührten Osterwieck, allein mit dem kleinen Kapital, das bis dahin auf dem Grafenschlosse in Wernigerode gelegen hatte, die Fabrikation von Glacéhandschuhen in Angriff zu nehmen. Die ehrsamen Spießbürger schüttelten bedenklich die Köpfe, Glacéhandschuhe waren ihnen bis dahin ganz unbekannt, und wie diese gerade in ihrem Orte zu einem Erwerbszweig werden könnten, das war ihnen ganz unbegreiflich. Aber dennoch wurde das Werk muthig begonnen, so schwierig es auch war, die ersten Hilfskräfte in Gestalt von Nähterinnen zu gewinnen.

Mit unermüdlichem Eifer stand unser Freund in der ersten Zeit allein am Arbeitstisch, und zwar vom frühen Morgen bis zum späten Abend; doch bald fand sich ein Lehrling ein, und ein aus einer Strafanstalt entlassenes Mädchen wurde als Nähterin gewonnen. In wenigen Wochen konnte ein bescheidenes Kistchen mit fertiger Ware in Berlin abgesetzt werden, das denn auch weitere Aufträge zur Folge hatte. Der Anfang war gemacht und rastlos wurde weiter gearbeitet, dem ersten Lehrlinge folgte bald ein zweiter, erst einer, dann zwei, drei Gehilfen kamen dazu, und in gleichem Schritte entwickelte sich die Handschuhnäherei. Das verachtete Mädchen aus der Strafanstalt wurde die Lehrerin anderer Mädchen aus der ärmeren Bevölkerung und der regelmäßige sichere Verdienst zog immer weitere Kreise an sich, so daß nach wenigen Jahren zahlreiche Töchter aus dem Bürgerstand freudig die Gelegenheit ergriffen, sich durch Handschuhnähen einen nicht unbedeutenden Erwerb zu verschaffen.

Es würde zu weit führen und zu viel Raum erfordern, wollten wir hier Schritt für Schritt die Entwicklung des Geschäftes verfolgen. Es genügt, anzuführen, daß es unter der rastlosen und umsichtigen Leitung seines Gründers zu einer der bedeutendsten Handschuhfabriken Deutschlands heranwuchs, deren geschäftlicher Verkehr sich weit über die Grenzen unseres Vaterlandes erstreckt, daß in ihren Rahmen eine mit Dampfkraft arbeitende bedeutende Gerberei und Lederfärberei eingefügt ist, deren hohe Schornsteine weit die Dächer der alten Stadt überragen, und daß zahlreiche Familien ihr den Lebensunterhalt verdanken.

Das Zuschneiden des Leders.

Der Glacéhandschuh hat sich längst einen breiten Boden auch bei uns erobert. In Bezug auf Farbe, Verzierung und, so weit es sich um Damenhandschuhe handelt, in Bezug auf die Länge des oberen Theiles ist er der Mode unterworfen. Selten wird aber der Stutzer auf der Promenade oder die geschmückte Dame des Ballsaales und der Salons an den weiten Weg denken, dessen es bedarf, um aus dem Felle eines Zickleins oder Schafes einen Handschuh zu machen, an die zahlreichen fleißigen Hände, die dazu in Bewegung gesetzt werden müssen, und noch weniger daran, daß der elegante Handschnh einst das Fell eines Thieres bildete, das auf den Gebirgen Südamerikas, auf der Sierra Nevada in Spanien, auf den Felsen Italiens und Siciliens oder auch auf dem klassischen Boden Griechenlands umhersprang. Es wird schwer zu bestimmen sein, welche Zahlen dabei eine Rolle spielen, aber man wird sich annähernd einen Begriff von ihrer Höhe machen können, wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Durchschnitt das Fell eines Thieres für ein Paar Handschuhe ausreicht, und daß eine Fabrik wie die in Rede stehende, die, wenn sie auch zu den bedeutenderen gehört, doch eine Anzahl ebenbürtiger Betriebe in Deutschland neben sich hat, in runder Summe wöchentlich tausend Dutzend Handschuhe fertigt.

Das Abschleifen oder Dollieren.

Es wird deshalb dem Leser nicht unwillkommen sein, eine kurze Wanderung durch die Werkstätten zu thun, in denen die Handschuhe gefertigt werden. Das erste, was mit den rohen Fellen vorgenommen wird, ist das Einlegen in die sogenannten Aescher, grubenartige Behälter, in welchen die Felle, dicht aufeinander gepackt und dicht bestrichen mit einer zersetzenden Masse, so weit gelockert und erweicht werden, daß sich die Wolle bezw. die Haare mit einem Schabemesser leicht entfernen lassen. Das so gereinigte Fell wird dann nach einer gründlichen Wäsche nochmals einem länger dauernden Erweichungsprozesse unterworfen, bei welchem erhebliche Massen von Eiweiß dazu dienen, die Dehnbarkeit und Geschmeidigkeit des Leders zu erhöhen. Eine nochmalige gründliche Behandlung mit dem Schabemesser schließt sich daran, wobei zugleich alle übermässigen und unbrauchbaren Theile des Felles entfernt werden. Darauf folgt das Trocknen; die Felle werden im Sommer in luftigen und im Winter in stark geheizten Räumen aufgehängt, in welchen durch eine Windmaschine, einen sogenannten Exhaustor, stets eine starke Luftbewegung unterhalten wird. Je schneller ein Fell trocknet, je weniger ist es von Zersetzung bedroht. Ist es brettartig trocken, so wird es durch Maschinen unter Zusatz von Kleie weich gerieben und dann einer gewaltigen Streckung durch die Hand auf dem Stollpfahl unterzogen. Aus der rauhen Haut ist nun ein weiches, weißes und leicht dehnbares Leder geworden, das aus der Gerberei in die Färberei wandern kann, vorausgesetzt, daß es nicht ganz flecken- und tadellos ist. Denn solche Felle werden zu weißen Handschuhen verarbeitet.

Hat schon bei dem Gerben der Felle die Chemie eine wichtige Rolle gespielt, so ist das noch in weit höherem Maße bei der Färberei der Fall. Die Herstellung der Farben, ihre Zusammensetzung, die Frage, ob für die verschiedenen Töne kräftigere oder leichtere, ob natürliche Saftfarben oder chemisch bereitete zu verwenden sind, das alles erfordert gründliche Kenntnisse, und der Leiter der Färberei gehört zu den wichtigsten Personen bei der Handschuhfabrikation.

Das eigentliche Färben geschieht theilweise an Tischen mit der Hand unter Zuhilfenahme von Bürsten, oder aber auf kreisenden Platten, auf welchen die durch die Maschine selbst zugeleitete Farbe durch die schnelle

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_436.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2021)