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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

und den Uebermuth des Kasperl mit athemloser Spannung und jubelt und lacht und klatscht in die Hände, wenn diesem ein toller Streich gelungen ist.

Aber auch die großen Kinder finden hier Befriedigung ihrer Schau- und Lachlust. Dort oben auf der „Bawlatschen“ (Podium) steht ein buntbemalter Hanswurst und ein breitmauliger Pierrot, welche allerlei Schabernack treiben; der Haupteffekt ist eine Prügelei, die niemals ihre Wirkung auf die anspruchslosen Zuschauer verfehlt. Auf dem Tanzboden nebenan stehen sie dicht gedrängt, daß keine Stecknadel zur Erde fallen könnte, und dennoch tanzen sie, die Marianka und der István, die Resi und der Ferdl, mit wunderbarer Ausdauer, obwohl sie nicht vom Platze rücken und der Schweiß in Strömen über ihr Antlitz rieselt.

Wenn die Vergnügungen des Wurstelpraters durchgekostet sind, dann mahnt das Familienhaupt an die leiblichen Bedürfnisse. Ein jeder sucht nun mit den Seinen das Lokal auf, wo es ihm am behaglichsten dünkt. Unter den schattigen Kastanien und Linden des Schweizerhauses, des Hirschen, bei Kaubek oder Hauswirth, beim Eisvogel oder beim Prochaska mit seiner Damenkapelle wird dem Gambrinus fleißig zugesprochen; der frugale Imbiß, bestehend aus Wurst, schwarzem Rettich oder kaltem Aufschnitt, wird ungeniert aus den Taschen geholt oder von dem „Salamucci“ (italienischen Käsehändler) gekauft, der geschäftig zwischen den Tischen herumläuft und seine Ware mit lauter Stimme: „Duri, duri, Salamucci Käso!“ ausruft.

Der frische Trunk, die kühle Abendluft, die heiteren Gespräche verbreiten die behaglichste Stimmung.

„Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“

Beim Kaiserfest am 18. August und bei anderen außergewöhnlichen Anlässen gestaltet sich der Rückzug in die Stadt besonders großartig. In den Alleen und zwischen den Baumgruppen zucken farbige Lichter auf, die wie die Irrwische im Märchen kommen und verschwinden. Sie stammen von Tausenden von Lampions, die den nach Hause ziehenden Gruppen als Leuchte dienen. Bis in die späte Nacht sieht man die gaukelnden Lichtfunken durch die Gebüsche schimmern. Unter Gesang und frohen Scherzen ziehen die angeheiterten Scharen ab, und fast nie vernimmt man einen störenden Mißton.

Um das Praterbild erschöpfend abzuschildern, bedürfte es noch mancher ergänzender Züge. Der großartige Naturpark mit seinen weitläufigen Auen, saftigen Wiesengründen und uralten Baumgruppen, die den Landschaftern unerschöpfliches Material für ihre Studien liefern, war ehedem von Hirschen und Rehen bevölkert, die sich so sehr an die Menschen gewöhnt hatten, daß sie den Wagen in der Hauptallee nachliefen und aus der Hand der Insassen Brot nahmen.

Auch an Vormittagen hat der Prater sein treues Stammpublicum. Genesende und Bewegungsbedürftige machen in den schöngepflegten Alleen ihren Morgenspaziergang, Marienbader Kandidaten ihren Dauerlauf.

Für die liebe, schulfreie Jugend aber ist der Prater in den Vormittagsstunden Prairie und Urwald. Hier können die Jungen den Eingebungen ihrer kindlichen Phantasie folgen und in ungebundener, von keinem Gartenwächter und keiner Warnungstafel eingeschränkter Freiheit die romantischen Träume von Lederstrumpf und Indianerkämpfen auf ihre Art verwirklichen. Und so bildet der Prater den einzigen Ersatz für die Prairiegründe, welche unseren jugendlichen Naturmenschen durch die fortschreitende Stadterweiterung entrissen worden sind.




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Rosenduft.

Wie der Berliner seinen Thiergarten, so lobt der Leipziger sein Rosenthal, das schon in alten Beschreibungen der Lindenstadt als ein „angenehmer Ort zwischen den Flüssen Pleiße und Elster“ erwähnt wird. Nur sind gerade die Rosen in diesen Wald- und Parkanlagen äußerst selten, herrliche Eichen und Buchen bilden des Spaziergängers Freude. Aber man hört und liest jetzt öfters von Leipziger Rosenfeldern, und es verlautet sogar, daß die altberühmte Metropole des deutschen Buchhandels und vielbesuchte Meßstadt sich anschicke, dem oft besungenen Schiras, das sich der schönsten Frauen und der herrlichsten Rosen Persiens rühmt, den Jahrhunderte alten Ruf streitig zu machen. Das ist nicht unwahr, denn schon seit lange besteht in Leipzig ein Haus, das mit den „Wohlgerüchen Arabiens“ nicht nur Handel treibt, sonbern sie auch zu veredeln oder gar durch feinere Düfte zu ersetzen sucht; seine erfinderischen Chemiker haben nun seit zehn Jahren auch die Herstellung eines der kostbarsten Riechstoffe, des Rosenöls, in die Hand genommen und zu diesem Zwecke die Rosenfelder Leipzigs geschaffen.

Zur Zeit der Rosenblüthe sind die mehrere hundert Morgen umfassenden Anlagen eine wirkliche Sehenswürdigkeit, die man am allerwenigsten in der ziemlich eintönigen Ebene des Schlachtfeldes vom 18. Oktober 1813 erwartet; denn die Rosenfelder liegen etwas weit, etwa acht Kilometer von der Stadt ab, in der Nähe der Dörfer Groß- und Klein-Miltitz an der thüringischen Eisenbahn. Wenn ich jetzt auf den Flügeln des Dampfes über diese geschichtlich berühmte Ebene dahinbrause, wo einst des Korsen Uebermuth gebrochen wurde, wo weiter westwärts bei Lützen Gustav Adolf den Heldentod starb, dann kommt mir der Gedanke in den Sinn, daß die Felder um Miltitz auch eine Wahlstatt bilden, auf welcher der deutsche Geist einen Sieg über Perser, Türken und Franzosen davongetragen hat, mit dem Unterschied, daß hier nur mit friedlichen Waffen gekämpft wurde und nur deutsche Rosen auf der Wahlstatt ihren herrlichen Duft aushauchen mußten.

Aus den Sagen aller Kulturvölker leuchtet uns als Lieblingsblume der Götter und der Menschen die Rose entgegen. Kein Wunder, daß man frühzeitig versuchte, den Duft, welcher der Blume entströmte, zu fangen, ihn für Zeiten aufzubewahren, da es keine Rosenpracht in Haag und Garten gab! Das älteste und einfachste Mittel bestand wohl darin , daß man die Blüthen trocknete oder die frisch zerquetschten zu Rosenperlen formte und diese zu Rosenkränzen aufschnürte, wie sie noch heute hier und dort als wohlriechender Schmuck von deutschen Mädchen und Frauen getragen werden. Freilich bieten diese getrockneten Rosen nur eine schwache Erinnerung an den frischen vollen Duft des Sommers.

Bald aber lernte man, den flüchtigen Duft wirklich zu fangen, ihn in Wasser oder in Fetten und Oelen aufzuspeichern. Die Kosmetik stand im kaiserlichen Rom in hoher Blüthe, die Römer waren bereits Meister in Bereitung wohlriechender Salben und Oele, und diese ihre Künste gingen auch auf die Völker des Mittelalters über, ja, noch in unseren Tagen arbeiten die Parfümeure vielfach nach römischen Grundsätzen; denn Fette und Oele sind ausgezeichnete Duftfänger, und es giebt sogar Blumen, wie die Maiblumen, Jasminblüthen und Tuberosen, die ihren Duft nur Fetten und Oelen anvertrauen.

In früheren Jahrhunderten wurde Rosenöl in großen Mengen dargestellt und das „Oleum rosatum“ durfte in keiner Apotheke fehlen. Es galt aber bei den Völkern des Nordens weniger als Pomade oder Haaröl, denn vielmehr als Heilmittel. Man bereitete zahlreiche „Rosenspezialitäten“, wie Rosenbalsam, Zuckerrosat, heilkräftige Rosenwässer u. dgl., unterschied in der Wirkung die „leibfarbene“ Centifolie von der weißen Rose, legte der Moschusrose andere Eigenschaften bei; kein Wnnber, daß in einem Arzneibuche aus dem Anfang des siebzehnten Jahrhunderts dem Apotheker noch 39 Rosenspezialitäten zur Anfertigung empfohlen werden! Die Rose sollte gar vieles, ja beinahe alles heilen, und die aus ihr bereiteten Medikamente wurden ausdrücklich als „Herzstärkung“ gerühmt; der „gemeine Mann“ jener Zeit pflegte während der Rosenblüthe eine Handvoll Blüthenblätter in einem Topf voll Wasser abzukochen und die Brühe zur Herzstärkung und Blutreinigung zu trinken.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_458.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2022)