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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Menschheit hinunter und sagte zu, mit dem geheimen Vorbehalt, mich um den nach Aufnahmen jagenden Genossen möglichst wenig zu kümmern und lediglich meinem eigenen Vergnügen an dem militärischen Schauspiel zu leben


Batterie im Feuer.


Damit hatte ich nun freilich wieder die Rechnung ohne den Wirth oder vielmehr ohne den Photographen gemacht. Als ich am andern Morgen in dämmernder Frühe aus dem Winkel von Gelaß hervorkroch; in welchem ich bei der Ueberfüllung der - Ortschaft noch Unterkunft gefunden hatte, da hielt vor der Thür des Wirthshauses ein leichtes Federwägelchen, und mein Widerpart von gestern abend lud mich mit der ritterlichsten Höflichkeit ein, darauf Platz zu nehmen. Das ging denn auch für meine Person ganz gut, denn neben dem Kutscher war noch ein Sitz frei. Der Wagenkasten hingegen war vollständig. ausgeräumt und wies auch nicht die geringste Spur einer Sitzgelegenheit auf


Vormarsch in Kompagniekolonnen.


„Aber wo sitzen denn Sie?“ konnte ich nicht unterlassen, rücksichtsvoll zu fragen.

„Hier!“ lautete frischweg die Antwort. Damit schwang er mit geübter Hand seinen ansehnlichen Apparat hinten in den Wagenkasten, das Stativ nach, und mit einem eleganten Ruck war er selbst oben und machte es sich auf dem Boden des Wägelchens bequem, alsbald damit beschäftigt, das Stativ aus seiner Wachstuchumhüllung zu befreien. und zum Aufstellen fertig zu machen.

Unser Kutscher, ein Reservist der Kavallerie, wußte natürlich, dank seiner kaum abgeschlossenen militärischen Vergangenheit, genau Bescheid. Bald hatte er uns denn auch eine sanfte Anhöhe hinaufbugsiert, auf der eben eine Batterie auffuhr, um mit einigen

wohlgezielten Manöverkartuschen dem bösen „Feind“ den ersten Morgengruß zu senden; Auch mein Lichtbildner hinten machte alles „klar zum Gefecht“. Ich muß gestehen, daß ich in Erwartung des ersten Schusses einige Sorge um die Seelenruhe unseres noch ganz kräftig ausschauenden Braunen vor dem Wagen empfand; und treu dem christlichen Gebot der Feindesliebe stieg ich rasch hinten in den Kasten, um im Nothfall von den photographischen Kostbarkeiten retten zu helfen, was zu retten war. Mein Freund - ich will ihn Thomas nennen - schien dies kaum zu bemerken. Er lächelte nur geheimnisvoll, das Auge starr auf die auffahrende Batterie gerichtet und - in den Donner des ersten Schusses machte sich nahe an meinem Ohre ein kurzes Klappen. Der Braune stand wie eine Mauer, Thomas aber zog gelassen die Kassette mit der benutzten Platte aus dem Apparat, drehte sie herum, schob sie wieder hinein und notierte mit ruhiger Hand in sein Taschenbuch : „Kassette 1;, 1. Batterie im Feuer.“ Die nachfolgenden Schüsse betrachtete er sich lediglich als gemüthlicher Zuschauer - er war augenscheinlich seiner Sache sicher.

Ich muß sagen, diese Feldherrnruhe imponierte mir nicht wenig, und in die Abneigung gegen die Hantierung an sich machte sich doch eine gewisse Hochachtung vor der Persönlichkeit, welche dieselbe mit solcher Virtuosität ausübte. Diese letztere Empfindung mag es denn auch bewirkt haben, daß ich, als wir den vorrückenden Truppen nach langsam weiter fuhren, nicht auf den Kutscherbock sondern mit Thomas und seinem Stativ den Raum im Wagenkasten theilte; so gut es eben ging. Als wir einen Augenblick

hielten, um ein paar Kompagniekolonnen von hinten aufzunehmen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 636. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_636.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2017)