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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

eine gewisse Anzahl von Kilo als Freigepäck zugesteht. Es wäre sehr zu wünschen, daß diese schon mehrfach aufgeworfene Frage doch endlich von seiten der Bahnverwaltungen eine günstige Beantwortung fände!

Der Wildschütz. (Zu dem Bilde S. 653.) Wer Julius Wolffs „Wilden Jäger“ gelesen hat, der kennt die hier wiedergegebene grause Scene. Der Köhler Volrat hat im Gebiet des wilden, gottlosen Grafen Hakelberend heimlich den Hirsch erlegt, nach dem jener schon wiederholt gejagt hat, und wird dabei vom Grafen betroffen. Sinnlos vor Wuth gebietet Hakelberend nun, den Wildschützen auf den Rücken eines anderen, im Schloßgraben gehegten Hirsches zu binden und diesen davon zu hetzen. Es geschieht nach seinem Befehl, aber ein Freund des zum gräßlichen Tode Verdammten, der Jäger Ludolf versteckt sich an einer Stelle, wo der Hirsch vorüber muß:

„ . . . Da kommt’s gebraust,
Der Jäger fühlt’s vorüber stürmen
Mehr, als er’s sieht, er schießt – da saust
Vorbei der Hirsch und ach! verloren

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Ist der nun, den er retten will,

Fern tönt das Rauschen ihm zu Ohren.
Da horch! – auf einmal alles still.
‚Getroffen!‘ jubelt er, ‚gerettet!‘
Und springt hinan und fliegt und schwebt,

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Da liegen Hirsch und Mann gebettet

Im grünen Gras, und Volrat lebt!“ –

... Aber er erhebt sich nur zum furchtbaren Racheschwur gegen den Grafen, der nach Zerstörung seiner Burg und nach einem ruchlos unseligen Ende dann als „Wilder Jäger“ in alle Ewigkeit durch die Lüfte fahren muß. Bn.     

Ein Lehrer der arabischen Sprache. Heinrich Brugsch, „Brugsch-Pascha“, erzählt in den Mittheilungen aus seinem „Leben und Wandern“ von einem sehr merkwürdigen Mann, der ihm in Kairo die Anfangsgründe des Arabischen beibrachte. Ein hochstehender Eingeborener, ein sogenannter Schach, war ihm empfohlen worden. Der Mann hatte sich große Verdienste von mancherlei Art erworben, die aber mit seiner Lehrtätigkeit nicht im Zusammenhang standen. So hatte er 16 Glaslampen aufgefressen, ohne an seinem Leibe Schaden zu nehmen, und im Laufe der Zeit siebzig Frauen geheirathet, ohne irgend welche Nachkommenschaft zu besitzen. Als er sein Lehramt bei Heinrich Brugsch antrat, war er eben im Begriff, eine achtzehnjährige Jungfrau zu heirathen; es war dies seine 71. Ehe. Schach Achmed war ein Sechziger, auf dem einen Auge blind, auf dem andern nur halbsehend, geschwätzig wie eine Drossel, lächerlich in seiner Erscheinung, in seinem ganzen Gebahren. Wenn er erschien, blieb er zuerst an der geöffneten Thür stehen; aufgefordert, näher zu treten, schleuderte er die gelben Pantoffeln von sich, setzte sich auf den Diwan mit untergeschlagenen Beinen nieder und begann, nachdem man ihm Kaffee und die Pfeife gereicht, eine arabische Unterhaltung, die er meistens so zu leiten wußte, daß einige Piaster aus der Hand von Brugsch in die seine wanderten, aus der sie indes nicht wieder zurückkehrten; denn die das Gespräch begleitende Pantomimik fand damit ihren Abschluß. Eines Tags diktierte er seinem Schüler einen arabischen Brief in die Feder, führte sodann das beschriebene Blatt dicht vor sein halbsehendes Auge und fand keinen einzigen Fehler in der Niederschrift. Brugsch war sich indes bewußt, einige Wörter nur nach dem Gehör und irrthümlich niedergeschrieben zu haben. Er wollte Achmeds Aufmerksamkeit auf dieselben lenken, entdeckte aber zu seinem Erstaunen, daß der Lehrer das Blatt verkehrt ans Auge hielt.

„Ich glaube, o Schach,“ rief er da aus, „Du kannst nicht einmal lesen!“

„Du bist im Recht, o mein Sohn,“ antwortete dieser, „ich kann weder schreiben noch lesen; doch Gott der Allerbarmer wird mir weiter helfen.“

Natürlich wurde dem gelehrten Mann seine Lehrerstellung gekündigt. †      

Der Dom von Ratzeburg vor und nach dem Brande vom 19. August
Nach Photographien von Ed. Laßen in Ratzeburg

Der Dom von Ratzeburg. (Mit Abbildung.) Eines der schönsten Denkmale der spätromanischen Architektur in Deutschland ist am 19. August d. J. theilweise ein Raub der Flammen geworden. Es ist der ehrwürdige Dom in dem alten Bischofssitze Ratzeburg, auf großherzoglich mecklenburg-strelitz’schem Grund und Boden gelegen, während das Städtchen Ratzeburg zum Herzogthum Lauenburg gehört. Die stattliche dreischiffige Pfeilerbasilika wurde im zwölften Jahrhundert, angeblich von Heinrich dem Löwen, gegründet und war erst vor wenigen Jahren theilweise einer Erneuerung unterzogen worden. Am Nachmittag des genannten Tages schlug der Blitz in den kleinen Thurm, und gleich darauf stand das Dach der Kirche und der große Thurm in Flammen; die mit aller Kraft angestellten Löschversuche hatten nur wenig Erfolg, der ganze Dachstuhl wurde vernichtet und der große Thurm brannte bis auf das Mauerwerk aus. Zum Glück war das Gewölbe der Kirche stark genug, um den niederstürzenden Gluthmassen zu widerstehen, so daß das Innere mit seinen reichen Kunst- und Alterthumsschätzen sowie die Orgel nur wenig gelitten haben. Die kleineren Glocken sind geschmolzen, die große, etwa 4100 Kilogramm schwere Glocke zerbarst, stürzte herunter und durchschlug das Gewölbe über der Orgel, ohne jedoch weiteren Schaden anzurichten. Unsere Illustration veranschaulicht das Bild, welches das ehrwürdige Bauwerk vor und nach dem Brande darbot; hoffen wir, daß es gelinge, die zerstörten Theile rasch wieder aufzubauen, damit dem schönen Denkmal der Kunst unserer Ahnen kein weiterer Nachtheil erwachse!

Der Gartenlaube-Kalender für das Jahr 1894. Er ist erschienen, der vielerfahrene und unterhaltsame Geselle, der uns den Weg durch das kommende Jahr zeigen, seine Räthsel uns deuten und seine Stunden uns kürzen will. Zwar hat er äußerlich ein etwas anderes Röcklein angezogen, aber wer ihn aufschlägt, der findet daß er im wesentlichen die alten erprobten Bahnen wandelt. Der Leser findet sein Kalendariun und seine Bauernregeln, seine Fürstengenealogien, Post- und Telegraphentarife, seine Witze und Schwänke in Wort und Bild, seine Chronik der Ereignisse aus dem Kreise des vergangenen und des laufenden Jahres, seine lustigen und ernsthaften Bilder, wie er es seit dem Bestehen des Gartenlaube-Kalenders so angenehm gewohnt ist. Er findet insbesondere die ihm von der „Gartenlaube“ selbst her wohl vertrauten Erzählernamen, so auch diesmal wieder W. Heimburg, die eine Fortsetzung ihres reizenden Geschichtencyklus „Aus meinen vier Pfählen“ beigesteuert hat unter dem Titel „Das Raupenhäuschen“, und den unverwüstlichen Humoristen „Hans Arnold“, der diesmal das dankbare Feld des „Waschtags“ sich zum Tummelplatz seiner köstlichen Laune erkoren hat. Auch ein neues Talent führt sich ein, Hermann Weger, mit einer hübschen Geschichte, die den Titel „Sternschnuppenzauber“ trägt. Kurz, der Gartenlaube-Kalender für das Jahr 1894 kann sich überall mit Ehren sehen lassen und wird, wo er hinkommt, sich Freunde erwerben. Möge das Jahr, unter dessen Zahl er dahinsegelt, ein gesegnetes sein für ihn und – für uns alle!.


Kleiner Briefkasten.

J. B. K. in Tapiau. Ueber ein Vierteltausend Bände umfaßt zur Zeit Engelhorns allgemeine Romanbibliothek: sie berücksichtigt auch die fremden Litteraturen in guten Uebersetzungen und dürfte daher dem, was Sie wünschen, entsprechen.

O. M. in Fr. Ob es wohl rathsam und aussichtsvoll ist, ein Heirathsgesuch in die Zeitung zu setzen? Das ist eine schwierige Frage, zu deren Beantwortung uns die persönliche Erfahrung fehlt. Wenn es unbedingt sein muß – wir glauben nicht an diese Nothwendigkeit – dann mag es wenigstens in eigenartiger Fassung geschehen. Wir legen Ihnen hier aus dem in Osaka erscheinenden Blatt „Mainichi Shimbnu“ ein japanisches Muster vor, welches uns neulich zu Gesicht kam und an Bestimmtheit und Originalität nichts zu wünschen übrig läßt. „Gesucht eine Frau! Wenn sie hübsch ist, braucht sie nicht klug zu sein. Wenn sie reich ist, braucht sie nicht hübsch zu sein. Wenn sie klug ist, braucht sie nicht vollendeter Gestalt zu sein, in jedem Fall aber darf sie nicht eingenommen von sich selbst sein. Sie muß ungefähr 20 Jahre alt sein, etwas darüber oder darunter. Der Antragsteller ist ein Künstler in Osaka, welcher den mittleren Ständen angehört. Näheres theilt der ‚Mainichi Shimbnu‘ auf persönliche Anfrage mit.“ Meinen Sie nicht, daß dieses Gesuch mit geringen Aenderungen auch für Sie brauchbar wäre? Besonders die zwei ersten Sätze zeigen doch eine merkwürdige Uebereinstimmung zwischen japanischer und europäischer Anschauung!


Inhalt: [ Verzeichnis der Beiträge in Heft 39/1893. ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_668.jpg&oldid=- (Version vom 17.3.2023)