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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

des Gouvernementalen; sie sind der Wohnsitz der Staatsgewalt, denn hier finden wir außer der Residenz in unmittelbarster Nähe die Ministerien des Inneren und des Kultus und, wenn wir die Ludwigstraße weiter hinabwandern, noch eine Reihe von Prachtbauten, in welchen hohe Behörden untergebracht sind.

Universität.

Da steht zur Rechten das Finanzministerium, in welchem der Herr Finanzminister mit Recht stolz sein kann auf die Blüthe und Ordnung des bayerischen Staatshaushaltes; in seiner Nachbarschaft ragen die großen Geldpaläste der Reichsbank, der Notenbank und der Bodenkreditbank; weiter abwärts folgt das Kriegsministerium, welches in der Nähe jener Geldpaläste ganz passend erscheint, theils als Schutzanstalt, theils als Mittel, um das etwa überflüssige Geld doch anbringen zu können. An das Kriegsministerinm stößt wieder der großartige Bau der bayerischen Staatsbibliothek, ihm gegenüber liegt ein umfangreiches Gymnasialgebäude. Und so setzen sich die öffentlichen Bauten fort bis zu dem Platze, wo vor dem schönen Universitätspalaste zwischen Blumenbeeten die Springbrunnen rauschen. Die Straße findet ihren Abschluß in dem Siegesthore, einem Triumphbogen im römischen Stil, auf dessen Höhe eine eherne Viktoria ein Löwen-Viergespann lenkt. Hinter dem Siegesthore ist die Straße zwar nicht zu Ende, aber sie gewinnt einen anderen Gesichtszug; sie wird eine Villenstraße, in welcher das Grüne vorherrscht. Ein großer Prachtbau aber zeigt sich noch unweit des Siegesthors: die mächtige Front der neuen Kunstakademie, in welcher so viele junge Leute das Malen lernen, daß binnen kurzer Zeit die ganze Welt mit Bildern versorgt werden könnte.

Wenn wir uns durch die Ludwigstraße wieder zurückverfügen nach dem Odeonsplatze, muß uns unmittelbar vor der Feldherrnhalle eine Mauer mit einem mäßig großen Thorbogen auffallen. Hinter jener Mauer sieht man grüne Baumwipfel nicken: die Linden und Kastanien des Hofgartens, in deren Schatten während der schöneren Jahreszeit Kaffeehäuser und Konditoreien ihre Labung spenden. An den Tischen dieser Erquickungsanstalten kann man an schönen Sommertagen Münchener Berühmtheiten und Unberühmtheiten, elegante Damen und schlanke Lieutenants sitzen sehen; auch die Fremden mit ihren Reisehandbüchern finden sich gerne ein, um vom ermüdenden Anstaunen der Münchener Kunstschätze auszuruhen. Bier darf in diesen Gartencafés nicht verabreicht werden. Das ist eine vortreffliche Einrichtung, weil sie jedermann den Beweis liefert, daß der Münchener auch ohne Biergenuß irgendwo sitzen bleiben kann. Unter den Bäumen spielen Kinder und rauschen Springbrunnen; die Kinder werden mit der Zeit größer und stärker, aber die Brunnen leider nicht – die bleiben ewig gleich dünn.

Die Kunstakademie.

Der Hofgarten mit seinen zahmen Baumreihen bildet nur eine Einleitung zu dem ungleich schöneren „Englischen Garten“, welcher sich daran schließt. Dieser Englische Garten ist wie ein Keil, den die Natur fast bis in das Herz der Stadt hereinschieben durfte. Stundenlang zieht er sich in nordöstlicher Richtung durch die Isarniederung, von Armen des Flusses durchströmt, mit weiten Wiesenflächen und prächtigen Baumgruppen. Hier kann man bald an einem Wasserfalle sitzen, der über Felsen herabrauscht, oder einen Hügel ersteigen, auf welchem ein griechischer Säulentempel sich sonnt; weiter abwärts mag man auch auf einem kleinen See unter Baumwipfeln hinrudern; oder man mag noch weiter hineinwandern in die grüne Tiefe, wo die Wege immer einsamer werden. Der Park wird immer mehr zum Walde; Rudel von Rehen zeigen sich scheu in der Ferne, und endlich verliert sich das Walten aller Kultur in schweigender Einsamkeit. Man hört nichts mehr als den Ruf der Waldvögel und das Rauschen des hinter den Bäumen thalwärts eilenden Stroms.

Kehren wir zurück zur Stadt! Wo wir den Englischen Garten verlassen, schweift unser Blick durch die neu angelegte, ihre Häuser noch erwartende Prinzregentenstraße bis zur Anhöhe jenseit der Isar, wo ein ferner Springbrunnen im Sonnenlichte glitzert. Wenn wir den Hofgarten wieder erreichen, können wir durch die Bogengänge hinaufgehen, die ihn an zwei Seiten begrenzen und theils mit geschichtlichen Freskobildern, theils mit den unvergleichlich schönen italienischen Landschaften Rottmanns geschmückt sind. An der Südseite des Hofgartens zeigt uns das Residenzschloß der bayerischen Könige seine machtvolle Stirnseite. Wir können die stillen, sonnigen Schloßhöfe durchwandern und finden in einem derselben einen größeren Brunnen mit barocken Ungeheuern, in einem kleineren Hof einen ganz melancholischen stillen Miniaturgarten, gleichfalls mit einem Brunnen, auf welchem Perseus erscheint, wie er eben die arme Medusa geköpft hat.

Aus dem Schlosse gelangen wir auf den Residenzplatz hinaus. Drei vornehme Bauwerke nehmen drei seiner Seiten ein: die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 679. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_679.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2023)