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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Nr. 47.   1893.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Sabinens Freier.

Von W. Heimburg.

Diese Sabine ist mein Pathenkind.

Eigentlich hatte ich im Sinn, die Ehre dieser Gevatterschaft abzulehnen; ja, ich war so wüthend über das elegante Papierkärtchen, welches den Lieutenant Viktor von Brenken dazu einlud, daß ich es auf den Tisch warf und sporenklirrend im Zimmer auf und ab schritt, überlegend, ob ich nicht die Czapka aufstülpen und mir einige Tage Urlaub von meinem Kommandeur holen solle, um eine dringende Reise als Grund meiner Ablehnung angeben zu können. Eine solche Zumuthung kann auch nur von einer Frau gestellt werden, die – na – die gar nicht weiß, wie weh sie einem gethan hat! Wahrhaftig, da hatte sie noch etwas an den Rand hingekritzelt, da stand – ich habe das alte Ding mit dem Goldrand noch – da stand:

„Mein lieber Viktor! Es bittet Dich in alter Freundschaft, bei meiner Kleinen Pathe zu sein, Deine Leni.“     

Na, dann los! Aber, weiß Gott, ich hätte lieber Holz gehackt, als das alles mit angesehen. Erstlich das Gesicht des Taufvaters! Ich bin nicht unparteiisch, und wollte ich hier sein Bildniß malen, so könnte es am Ende doch zu unvortheilhaft ausfallen – aber das ist und bleibt wahr und das kann jetzt noch jeder sehen, der sein Oelbild betrachtet, daß er, der Herr Justizrath Bayer, kein Adonis war, im Gegentheil eine entfernte Aehnlichkeit mit einer Bulldogge hatte. An diesem Tage nun verzog er zwar das verdrießliche breite Gesicht zu einem verbindlichen Lächeln, aber dieses Lächeln machte keinen ganz ungezwungenen Eindruck, denn er hatte eigentlich etwas von einem kräftigen Buben in die Zeitung setzen lassen wollen, und nun war da ein Fräulein, ein so kleines zartes Geschöpfchen, daß die Großmama, bei der ich mich nach dem Ergehen ihrer Tochter und dem ihrer Enkelin pflichtschuldigst erkundigte, mir sagte: „Ach Viktor, das Kind ziehen wir nicht groß! Paß auf, es erlebt die Taufe gar nicht!“

Nun war aber doch diese Taufe da.

Der Pomp, der entfaltet wurde, hatte beinahe etwas Brutales; ich begriff Tante Klara und Cousine Leni nicht, daß sie bei ihrem

Das spanische Presidio Melilla an der Nordküste von Marokko.
Nach einer Photographie gezeichnet von H. Nisle.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 789. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_789.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2023)