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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Rheinmündungen, fischen die Holländer sie weg. Je mehr Junge der Oberrhein und Mittelrhein erzeugen, desto ergiebiger wird der Fang der Holländer, denen man doch schließlich nicht verbieten kann, in ihren Gewässern so viel Fische zu fangen, als ihnen beliebt. Man hat schon viel verhandelt über diesen Gegenstand, hat auch insofern einige Erfolge gehabt, als der Gebrauch gewisser Netze, welche den Fluß gänzlich absperrten, so daß kein Fisch herabsteigen konnte, in Holland verboten wurde, aber damit ist dem Uebelstande noch nicht abgeholfen. Für die übrigen deutschen Flüsse, in welche Lachse aufsteigen, trifft dieser Uebelstand nicht zu – aber der Lachs aus der Weser oder der Elbe ist auch weit weniger geschätzt als der Rheinlachs, der stets höher im Preise steht.

Mehr Schwierigkeiten verursachten die ebenfalls zu der Familie der Salmoniden gehörenden Coregonen, die Maränen, Renken, Felchen oder Gangfische, welche sowohl im Norden, als in den Gebirgen die verschiedenen Seen bevölkern und eine außerordentliche Menge von einzelnen Arten und Spielarten zeigen. Die Eier sind sehr klein, und da das Laichgeschäft meist in kurzer Zeit während des Winters in Gesellschaft geschieht, so bieten sich kaum zu bewältigende Massen von Eiern, die sehr leicht der Pilzkrankheit verfallen und schwer auszulesen sind. Als wesentlichen Fortschritt kann man hier die Erfindung eines Selbstauslesers bezeichnen, der anfangs aus Amerika in sehr komplizierter Form herüberkam, dann aber von einem „einfachen Manne“, wie ihn Direktor Haack nennt, Weiß in Zug, handlich vereinfacht wurde. Er beruht auf der Erfahrung, daß die mit Saprolegnia behafteten Eier durch die Schimmelfäden, welche eine dichte Krone darum bilden, leichter werden als die gesunden Eier und von diesen durch einen Wasserstrom weggeführt werden können, der von unten her die Eimassen durchsetzt und die verdorbenen Eier fortspült, Durch diesen einfachen Apparat wurde viel Handarbeit erspart.

Man hatte also junge Fischbrut in Menge und, wie bemerkt, wurden sowohl befruchtete Eier als Junge in Mengen ausgesetzt. Ob der Zweck, die Gewässer zu bevölkern, wirklich in ausgedehntem Maße erreicht wurde, ließ sich nur schwer entscheiden, da die Abschätzung des Fischreichthums eines Gewässers nur sehr schwer sich erreichen läßt. Namentlich durch das Auftauchen von neu eingeführten Sorten, wovon noch die Rede sein soll, konnte man den Beweis liefern, daß Setzlinge sich zu marktfähigen Fischen entwickeln; aber man war nicht im Reinen darüber, ob dies auch massenhaft geschieht. Und jetzt scheint die Ansicht vorzuwalten, daß die Zahl der marktfähig werdenden Fische in keinem Verhältniß zu den riesigen Mengen, Millionen und Millionen von Eiern und Brut steht, welche man in die Gewässer aussetzt. Die feindlichen Einflüsse, welche die Entwicklung des größten Theiles der von den Fischen frei abgesetzten Eier hindern, scheinen in noch erhöhtem Maße auf die Setzlinge einzuwirken.

Von Anfang an war man zu dem Entschlusse gekommen, Setzlinge bis zu dem Zeitpunkte zu züchten, wo sie marktfähig wurden und also dem Unternehmer ein Entgelt für seine Mühe, einen Gewinst liefern konnten. Um aber diese Züchtung vornehmen zu können, bedurfte es eingefriedigter Strecken von Gewässern, welche den Lebensbedingungen der einzelnen Arten entsprachen, klare laufende Gewässer für die Salmonen, Teiche und Tümpel für andere Fische, wie Karpfen und Schleien. Diese verschiedenen Bedingungen, auf welche wir hier nicht näher eingehen können, wurden sorgfältig studiert und erprobt, und stets wurde man wieder auf den Grundsatz jeder Züchtung zurückgeführt, daß man um so vortheilhaftere Erfolge verzeichnen konnte, je enger man sich an die von der Natur selbst vorgesteckten Verhältnisse anschmiegen konnte.

Es war aber selbstverständlich, daß man aus einem gegebenen Gewässer durch geschlossene Züchtung mehr Fischfleisch zu erhalten wünschte, als dasselbe im unbewirthschafteten Zustande liefern konnte. Der Jäger und Nomade braucht zur Fristung seines Lebens einen weit größeren Flächenraum als der Ackerbauer, und je nachdrücklicher dieser seine Bewirthschaftung gestaltet, desto mehr kann er den ihm nöthigen Flächenraum seiner Aecker beschränken. Ganz so bei der Fischzucht; die im Freien lebende und jagende Forelle bedarf immerhin mehr Wasserraum, als man dem zu industriellen Zwecken gezüchteten Fische geben kann.

So entstand denn die tief einschneidende Frage, wie man die Ueberzahl der Fische ernähren könne, wie es thunlich sei, ihnen die in verschiedenen Lebensaltern verschiedene Nahrung zu verschaffen, ohne durch diese Beschaffung den Produktionspreis des Fischfleisches wesentlich zu erhöhen. Davon in einem zweiten Artikel.


Ein Lieutenant a. D.

Roman von Arthur Zapp.

 (8. Fortsetzung.)

11.

Dem ersten Besuch Erwins im Hause von Miß Sumner folgte bald ein zweiter und dritter, bei denen ebensowenig sonst jemand zugegen war, wie beim ersten. Erwin fing an, die amerikanische Sitte, die den jungen Damen erlaubte, Herren ihrer Bekanntschaft allein zu empfangen, gar nicht so übel zu finden. Sicher hätte er sich mit Miß Carry nicht halb so gut unterhalten, wenn die Anwesenheit ihrer Eltern seiner Bewunderung, die sich in immer glühenderen Blicken und immer feurigeren Worten äußerte, Zügel angelegt hätte.

Es waren köstliche Stunden, die er in Miß Carrys Empfangszimmer verlebte. Hatten sie sich satt geplaudert, so setzte sich Carry ans Klavier, spielte und sang, und er stand hinter ihr, um die Notenblätter umzuwenden, und wenn er sich vorbeugte, streiften ihre Locken seine Stirn. Dann mußte er sich Gewalt anthun, um diese entzückende Gestalt nicht in seine Arme zu schließen und in leidenschaftlichen Worten seine Liebe zu gestehen.

Aber eine gewisse Unsicherheit, ein leiser Zweifel, den er immer noch nicht ganz überwinden konnte, hielten ihn ab, schon jetzt die Entscheidung herbeizurufen. Besser abwarten und langsam vorgehen, als leichtsinnig und zu früh alles auf eine Karte setzen! Und so fuhr er fort, sich mit allem Eifer um Miß Carry zu bemühen, ohne doch das letzte Wort zu sprechen.

Das Verhältniß, das sich zwischen den beiden bildete, war nicht viel anders als das auf dem Schiffe. Miß Carry gewöhnte sich wieder daran, Erwin als ihren „dienenden Ritter“ zu betrachten, dessen Pflicht es war, immerdar ihres Winkes gewärtig zu sein. Sie verfügte über seine freie Zeit, wie wenn es für den jungen Deutschen nichts Köstlicheres geben könnte, als alle ihre Launen blindlings zu erfüllen. Erwin aber ergab sich mit der glücklichsten Miene in sein Schicksal.

Es kam ziemlich häufig vor, das Carry nach Beendigung einer Lehrstunde an Erwin herantrat. „Mister Hagen, ich hätte Lust, heute nachmittag einen Gang nach dem Centralpark zu machen. Nicht wahr, Sie begleiten mich? Um drei Uhr!“ Und er stellte sich, wenn es seine Zeit irgend erlaubte, folgsam zu der angegebenen Stunde in der Lexington Avenue ein, um seine schöne Gebieterin abzuholen. Oder Carry bemerkte in ihrer entschiedenen Weise, die keinen Widerspruch zuließ: „Mister Hagen, ich habe Karten fürs Theater. Seien Sie pünktlich!“ Und Erwin war pünktlich und fand sich des Abends rechtzeitig ein, um mit ins Schauspielhaus zu gehen.

Eigenthümlich war die Veränderung, die inzwischen in Klaras Verhalten gegen Erwin vor sich gegangen war. Während sie früher ängstlich jede Begegnung vermieden hatte, konnte es jetzt manchmal vorkommen, daß sie plötzlich auf dem Flur erschien, wenn Erwin plaudernd mit der Amerikanerin an ihrer Zimmerthür vorüberschritt. Bei dem Anblick der beiden fuhr sie dann wie überrascht zurück, jedoch nicht, ohne vorher ihren Blick für eine Sekunde mit einem deutlichen Ausdruck schmerzlichen Befremdens auf Erwin gerichtet zu haben. So oft dieser mit ihr im Bureau zusammentraf, kam eine sichtliche Unruhe, eine nervöse Erregtheit über sie, an Stelle der eisigen Kälte, mit der sie sich früher ihm gegenüber gewappnet hatte. Mehr als einmal schien es Erwin bei solchen Gelegenheiten, als ringe sie nach Worten, als habe sie irgend eine Mittheilung auf dem Herzen, für die sie nicht den rechten Ausdruck zu finden vermöge. Aber er war zu sehr in die Netze der Amerikanerin verstrickt, als daß solche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_812.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2023)