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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Verunreinigungen zu schützen, die unterhalb Hamburgs mit den städtischen Abwässern der Elbe zugeführt werden.

Im Schöpfkanal, der 2,40 Meter Durchmesser hat, hält eine siebartige Vorrichtung etwaige gröbere Verunreinigungen des übrigens an dieser Stelle sehr klaren und frischen Stromwassers zurück. Das Schöpfwerk am Ende des Schöpfkanals füllt mit seinen von Dampfkraft getriebenen 5 Pumpen das Wasser in vier große Ablagerungsbecken. Jede Pumpe bewältigt bei normaler Tourenzahl (45 in der Minute) 1900 Kubikmeter in der Stunde, so daß 4 Maschinen bereits den auf 180.000 Kubikmeter festgesetzten höchsten Tagesverbrauch in 23 Stunden decken können. Es ist somit nicht nur an jedem Tage Gelegenheit, alle Maschinen in Ruhe nachzusehen, sondern auch immer eine Maschine im Rückhalt.

Jedes der vier mit festen Boden- und Böschungsflächen versehenen Ablagerungsbecken von rund 40.000 Quadratmetern Fläche und 3 Metern Tiefe faßt 120.000 Kubikmeter Wasser. Da indessen das Becken nur bis auf 1 Meter über der Sohle ablaufen kann, so gelangen nur 80.000 Kubikmeter seines Inhalts zur nutzbaren Verwendung. Die verbleibenden 40.000 Kubikmeter, in denen sich die im Rohwasser enthaltenen Senkstoffe ablagern, werden nicht auf die Filter geleitet, sondern von Zeit zu Zeit wieder abgelassen, gleichzeitig wird das leergelaufene Becken gereinigt.

Das abgeklärte Wasser wird von den Ablagerungsbecken durch einen unterirdischen kreisrunden Kanal von 2,60 Meter Durchmesser auf die Filter geleitet, deren jetzt bereits 18 mit je 7650 Quadratmetern Fläche fertiggestellt sind. Ein solches Filterbecken während des Baues wird durch die untere Abbildung S. 865 veranschaulicht. In die Bodenflächen und in die geböschten Seitenflächen ist zunächst Marschkleie und darüber eine Schicht plastischen Thones gestampft; auf dieser Unterlage ruht ein Cementmauerwerk aus harten Ziegeln. In die so befestigten, gegen Eindringen des Grund- und Drängwassers völlig sichergestellten Bassins wird das Filtermaterial eingebracht. Dies besteht zu unterst aus einer Lage von Feldsteinen und Kies von im ganzen 60 Centimetern Höhe. Auf dem Kies, dessen Korngröße in drei Abstufungen nach oben abnimmt, lagert der Filtersand in einer Höhe von einem Meter.

Sämtliches Material wird vor Einbringung in die Filterbecken aufs sorgfältigste mit filtriertem Wasser völlig rein gewaschen, und zwar in der mechanischen Sand- und Kieswäscherei, welche die obere Abbildung S. 865 darstellt. Der vorher gesiebte Sand wird in mächtigen sich drehenden Trommeln bewegt und während der Umdrehung durch feine Wasserstrahlen so lange gewaschen, bis alle Unreinigkeiten und alle zu feinen Theile entfernt sind. Der Kies und die Feldsteine werden ebenso behandelt; diese verursachen natürlich hierbei in den Eisentrommeln ein ohrenzerreißendes Getöse.

Von den 18 Filtern sind stets mehrere außer Betrieb, um einer Reinigung unterzogen zu werden. Hat die auf der Sandoberfläche sich bildende Schlammschicht eine solche Dichtigkeit erlangt, daß der Filter nicht mehr genügend Wasser liefert, so wird dieser Schlamm durch Abschaufeln entfernt und der ihm beigemengte Sand durch Waschen zu erneutem Gebrauche tauglich gemacht. Die Betriebsperioden der Filter sind bisher sehr verschieden gewesen; die kürzeste betrug 4, die längste 30 Tage. – Das Wasser wird regelmäßig bakteriologisch untersucht.

Jeder Filter liefert bei einer Filtriergeschwindigkeit von 62,5 Millimetern in der Stunde (1,5 Kubikmeter Wasser auf den Quadratmeter Filterfläche in 24 Stunden) täglich rund 11.500 Kubikmeter reines Wasser. Die Filtriergeschwindigkeit läßt sich nach Bedarf verändern. – Daß der Frost für den Betrieb offener Filter in diesen von den weichen Seewinden oft wieder erwärmten Landstrichen keine Störung bringt, zeigt das 34 Jahre alte Filterwerk der Stadt Altona. Auf den Hamburger Filterbecken befindet sich stets eine gleichmäßige Wassermenge von 1,1 Meter Höhe, und das Eis wird selbst in den strengsten Wintern nur 30–35 Centimeter dick. Zur Eiszeit ist das Stromwasser reiner als in den wärmeren Monaten.

Nach der Filtration läuft das nunmehr krystallklare Wasser aus den Filtern in unterirdischen Kanälen nach den Pumpwerken auf Rothenburgsort. Ein Theil des Wassers wird daselbst in einem überwölbten Reinwasserbecken aufgespeichert. Die Einrichtung dieses Beckens ist aus unserer Abbildung S. 864 (nach einer während des Baues aufgenommenen Photographie) ersichtlich. Dies gewölbte Sammelbecken dient übrigens nur dem Ausgleich, denn die Filter arbeiten zwar ununterbrochen Tag und Nacht gleichmäßig fort, aber der Verbrauch ist selbstverständlich zu den verschiedenen Tageszeiten verschieden, in der Nacht nur gering, und daher bietet jener Vorrath eine Gewähr für gleichmäßige Versorgung. Große Pumpwerke in Rothenburgsort drücken das Wasser endlich in die nach der Stadt führenden eisernen Rohre.

Unsere Hauptabbildung S. 857 gewährt eine von der Plattform des 73 Meter hohen Rothenburgsorter „Wasserthurms“ aufgenommene Uebersicht der gesamten Anlage. Man erkennt daraus, daß jedes Filterbecken zwei zierliche Brunnenhäuschen besitzt, etwa 8 Meter hoch, in denen durch Ventile und Schieber Zufluß und Abfluß des Wassers geregelt wird. In ziemlich weiter Ferne, welche die Ablagerungsbecken trotz ihrer Größe verschwimmen läßt, ist das Maschinenhaus an der Schöpfstelle eben noch erkennbar.

Die Reinigung des Röhrennetzes von Thierchen und Pflänzchen hat sich, wie man auf Grund der in anderen Städten gemachten Erfahrungen vorhersehen konnte, in der Hauptsache durch das filtrierte Wasser selbst in verhältnißmäßig kurzer Zeit vollzogen; sie ist durch kräftige Spülungen und Auskratzen der Rohre unterstützt worden. Ob der letzte Aal den letzten Krebs gefressen oder umgekehrt, blieb dunkel, doch das war Sache dieser Herrschaften, die sie unter sich ausmachen mußten.

Alles in allem: Hamburg, das an der Aufrichtung zuverlässiger Schutzwehren gegen eine Wiederkehr der schrecklichen Seuche mit Eifer und unter Aufbietung schwerer Kosten arbeitet, besitzt nunmehr in seiner Centralfiltration ein Werk, das allen nur irgendwie zu stellenden Anforderungen entspricht und das von den berufensten Richtern als mustergültig bezeichnet wird. Dem obersten technischen Leiter des Hamburgischen Staatsbauwesens, Oberingenieur Franz Andreas Meyer, der die Anlage geplant, gefördert und schließlich durch rastlose aufopfernde Thätigkeit der eigenen Person wie seiner Untergebenen in fast unglaublich kurzer Zeit vollendet hat, gebührt der wärmste Dank seiner Mitbürger.



Etwas von der Mode.

Glaube nicht, liebe Leserin, daß die „Gartenlaube“ jetzt auch ihre Spezialkorrespondentin nach Paris entsendet habe, um nach gewissenhaftem Studium der dortigen „Ateliers“ dem staunenden deutschen Gemüth zu verkünden, welche „Schöpfungen“ von „omdrierten“ Seidenstoffen mit dreifacher „changeant“-Wirkung, goldgestickten Tuchkleidern, edelsteinbesäten Ballroben, nie dagewesenen Hutformen und kostbarsten Pelzbesätzen in dieser Saison für unerläßlich gelten – lauter Dinge, die für eine deutsche Frau mit 300 Mark jährlichem Toilettengeld ebenso belehrend als nützlich zu lesen sind; wobei natürlich die Sage von der bereits unter dem Namen des Glockenrocks am hellen Tag wandelnden Krinoline nicht vergessen wird, so wenig wie die tröstliche Kunde, daß die Aermel diesen Herbst wieder um zwei Meter in der Weite zugenommen haben, so daß sie jetzt einer stattlichen Landsknechtspluderhose wirklich immer ähnlicher werden.

Nichts von alledem! Die Veranlassung zu diesen Zeilen ist der Brief einer Leserin, welche aus sorgenvollem Hausfrauenherzen sich darüber beklagt, daß durch den unerhörtesten Modewechsel die Kleider und Mäntel des vorigen Jahres nicht mehr zu tragen seien. Wenn man den betreffenden Stoff zufällig noch auftreibe, könnten die Stücke allenfalls durch kostspielige Aenderung noch gerettet werden, sonst seien sie werthlos, wenn man nicht den Muth habe – und die wenigstens hätten ihn – durch veraltete Toilette aufzufallen. Hier drohe geradezu eine wirthschaftliche Kalamität für Familien mit kleinem Einkommen, die unter dem Zwang der Mode zu unverhältnißmäßigen Ausgaben genöthigt würden. Wie also hier abhelfen? Das sei die große Frage.

Ein gutes englisches Sprichwort sagt: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.“ Fassen wir also den ersteren und schauen wir uns nach dem letzteren um!

Der „launischen Göttin Mode“ selbst Vernunft predigen zu wollen, wird niemand im Ernst einfallen, sie ist, wie der Schnupfen, unheilbar, aber vorübergehend. Diesen „Vorübergang“ zu beschleunigen, ist schon eher möglich. Wenn eine große Anzahl von Frauen die ärgsten Ausgeburten der Schneiderphantasien einfach ablehnt, wie es im vorigen Jahr den versuchsweise eingeführten Empirekostümen mit kurzer Taille und engem Röckchen erging, so verschwinden sie bald wieder von der Bildfläche. Und wo steht denn geschrieben, daß wir die abscheulichen, ungraziösen, unpraktischen Ballonärmel in ganzer Größe wider unsern besseren Geschmack tragen müssen? Die einfache Weisung an die Schneiderin: „Machen Sie mir keine solchen Ungethüme, ich trage sie nicht!“ würde doch genügen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 866. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_866.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2021)