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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

besitzt der „Wakuf“ seine Gründe und im Bazarviertel wie im Besistan – der uralten Verkaufshalle – duldet der mohammedanische Kirchenfonds nicht, daß sich Fremde festsetzen. Da muß jeder Mieter einheimisch sein, die Religion bleibt Nebensache. Der Wakufverwaltung kann dies nicht verdacht werden, denn mindestens in den gedeckten Gassen des bombenfesten Besistan, welcher den Brand der Stadt unter Prinz Eugen und die furchtbare Feuersbrunst 1879 glücklich überdauert hat, muß das heimische Gewerbe, die heimische Industrie, welche auch von der Landesregierung begünstigt wird, einen Schutz finden. Hier muß der Mohammedaner so weit sicher sein, daß er nicht neben sich einen europäischen Nebenbuhler findet, der ihm die Kunden vermöge seiner größeren Beweglichkeit vor der Nase wegschnappt. Für die Europäer ist die Franz Josefstraße, die Kaiser- und Theresien-, zum Teil auch die Tschemaluschastraße da. Dort grenzt Laden an Laden, und die eingewanderten Geschäftsleute haben alle Gelegenheit, ihre Leistungsfähigkeit in vollem Lichte erstrahlen zu lassen.

Der Marktplatz von Serajewo.

Zum Bazarviertel gehören auch jene zahlreichen Gäßchen, in denen je bestimmte Handwerke getrieben und die Erzeugnisse von der Werkstatt weg verkauft werden. Da giebt es, wie in vielen deutschen Städten des Mittelalters, eine Schmiede-, Schuhmacher-, Lederer-, Schneidergasse etc. Hierher muß man seine Schritte lenken, wenn man nationale Arbeit sehen, wenn man gute Einkäufe machen will. Da sieht man die prächtigen verzinnten Kupfergeschirre mit wundervollen Verzierungen, hier werden die schönen Filigranarbeiten, die Cigarrenspitzen, Broschen, Ohrringe und Haarnadeln hergestellt, die auch in unseren Ländern schon teilweise einen Markt gefunden haben, da werden die türkischen Schuhe (Paputschen), die weichen gelben Stiefel für die Frauen gefertigt, die weiten Hosen und die mit Stickerei verzierten Jacken genäht, welche einen Hauptbestandteil der Volkstracht bilden. Ein reges Leben, ein Gewühl von Menschen und Tieren herrscht in diesen Gassen. Neben den einheimischen Käufern sieht man solche aus den verschiedensten Teilen des Landes, aus dem Paschalik Novibazar und aus Albanien. Neben der schon halb französisch gekleideten Serbin besorgt die Türkin in langem dunklen Mantel, das Gesicht dicht verschleiert, so daß nur die Augen sichtbar werden, ihre Einkäufe. Frauen von Beamten und Offizieren suchen von den Preisen etwas abzuhandeln; ihre Aufmerksamkeit richtet sich meist auf die berühmte durchsichtige, oft mit Silberfäden durchwobene bosnische Leinwand, welche in den Harems angefertigt wird und die sich so gut zu duftigen Sommerkleidern eignet. Die Spaniolin ist auch heutzutage noch ganz orientalisch gekleidet; das Gesicht wird wohl nicht mehr verschleiert, doch trägt sie noch immer den grell geblümten Shawl in Form einer Binde um den Kopf, der außerdem mit Reihen von Goldmünzen geschmückt wird. Bosnische Bäuerinnen in weißen, farbig gestickten Leinenanzügen, stets Silberschmuck um den Hals und im Haare tragend, bieten Geflügel oder andere Erzeugnisse ihrer Wirtschaft aus, türkische Mädchen im rot-weiß oder grün-weiß gestreiften kattunenen Umhängetuch drängen sich durch die Menge; ihre frischen meist hübschen Gesichter, die bis zum Eintritt des heiratsfähigen Alters unverschleiert bleiben, bilden eine angenehme Abwechslung. „Kafedschijas“, welche den schwarzen Mokkatrank in kleinen Schalen ihren Kunden in die „Dutschans“ (Läden) bringen, eilen hin und her; Brotverkäufer, das flache Gebäck auf großen Brettern tragend,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_141.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)