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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

oder noch zu vermutenden Goldschätze der Erde dem wachsenden Bedarf noch länger genügen werden, wenn bei der fortschreitenden Einstellung der Silberprägung der Goldverbrauch der Erde noch weiter wächst.

Wo das Gold zum Gegenstand wirklichen, in die Tiefen der Erde eindringenden Bergbaues gemacht wird, findet es sich meist, mit Silber, auch wohl mit Platin, Kupfer, Eisen oder anderen Metallen vereinigt, in den jüngeren vulkanischen Gesteinen oder in den Quarzgängen einiger Schiefergebirge. In seinen Schuppen oder Blättchen haftet es am Gestein oder ist auch in Gestalt kleiner Körnchen, selten in größeren Stückchen darin eingesprengt. Obwohl wir nun in diesem Vorkommen die eigentliche und ursprüngliche Stätte des Goldes annehmen müssen, so hat man doch kaum den achten Teil des bisher gewonnenen Metalles auf bergmännischem Wege gefunden. Das Wasser, das überall ans der Erdrinde seine Spuren fast umfangreicher und tiefer eingegraben hat als die feurigen Elemente, hat auch hier bereits in den Urzeiten mächtig vorgearbeitet. Regen und Frost haben das Urgestein gesprengt und zersetzt; Eisgeschiebe oder Wasserströmungen führten die Trümmer ins Thal, wo sich neue, sogenannte Alluvialschichten daraus aufbauten, und in ihnen fand der schwere Goldsand von neuem und vielleicht wiederum für Hunderttausende von Jahren eine Stätte. Diese Alluvialschichten liefern seit Jahrhunderten den größten Ertrag an Gold, und selbst jetzt, wo zufällige Entdeckungen in den Weststaaten Nordamerikas einige fast unerschöpflich scheinende Gold-Silberminen in vulkanischen Gesteinen erschlossen haben, denen man jährlich viele Millionen abgewinnt, selbst jetzt ergiebt noch das Schwemmland, dem das meiste Gold von Kalifornien, Australien, Rußland und Afrika entstammt, zwei Dritteile der ganzen Produktion.

Bemerkenswert ist dabei, wie das Verfahren zur Gewinnung bei den großen Betrieben der Neuzeit genau den umgekehrten Weg einschlägt von dem, aus welchem jene Alluvialschichten und ihr Goldgehalt entstanden sind.

Ursprünglich waren allerdings die Werkzeuge des Goldwäschers – und in vielen Teilen der Erde ist man von der ursprünglichen Uebung auch heute noch nicht weit abgewichen – die allereinfachsten von der Welt. Eine Schüssel von Holz oder Blech, je nachdem auch wohl bloß eine Kürbisschale, wurde mit dem mechanisch zerkleinerten Schutt der goldführenden Schichten gefüllt und unter Wasser solange hin und hergeschüttelt und gerüttelt, bis die sandigen Bestandteile sich aufgelöst, Sand, Kies und Lehm sich allmählich über den Rand des Gefäßes in den Waschbach gespült und die Goldblättchen, beinahe zehnmal schwerer als ihre unedle Bereitschaft, sich im Gefäß zu Boden gesetzt hatten. Daß bei dieser Art des Goldwaschens oft bis zu 50 Prozent des ganzen Gehaltes verloren ging, wird man gern glauben, und sicher ist es schon eine ganz hübsche Leistung, wenn ein Mann mit solchen Werkzeugen täglich bis zu acht Centnern goldhaltigen Rohstoff verarbeitete. Doch mit der Zeit stellten sich auch die Verbesserungen ganz von selbst ein. Aus der Schüssel wurde ein Trog, der auf Rollen hin und hergeschaukelt wurde, während der Sand schaufelweise hineingeworfen und ein Wasserstrom darüber hingeleitet ward. Aus dem Trog wurden lange Rinnen, sogenannte „Schleusen“, die sich gar nicht mehr bewegten, sondern, mit Sand gefüllt, nur noch vom Wasser durchströmt wurden und ebenfalls den schweren Goldsand am Boden sich ablagern ließen, wo er durch eingeschüttetes Quecksilber aufgelöst ward. Jetzt konnte man die Arbeitsleistung eines Mannes bereits fünfundvierzigmal höher steigern als bei der Verwendung der einfachen Goldschüssel, aber dem Massenbedarf der letzten Jahrzehnte genügte auch das nicht mehr, und so bildete sich in Kalifornien der hydraulische Abbau aus, mittels dessen heute ein Mann in einem Tage mehr Goldsand auswaschen kann als früher in zwölf Jahren; allerdings gebraucht er dabei täglich eine größere Menge auf 4 bis 5 Atmosphären gepreßten Wassers, als eine Stadt von 30 000 Einwohnern in derselben Zeit ans ihrer Leitung entnimmt. Schon diese Ziffern sprechen für die Großartigkeit, mit welcher der hydraulische Abbau der Goldschichten heutzutage betrieben wird. Um das dazu nötige Druckwasser herbeizuschaffen, sind in den Gebirgen hochgelegene, mächtige Stau-Becken gemauert worden, gewaltige Leitungen führen ans ihnen die Gewässer au den Ort des Verbrauchs, und dort prasseln aus geeignet aufgestellten Rohren die Wasserstrahlen mit derartiger Wucht gegen die geneigte Wand der goldführenden Bergschichten, daß ein jeder Strahl täglich gegen 1000 Kubikmeter oder 30- bis 40 000 Centner Gestein und Lehm zertrümmert und fortspült. Durch tiefe Gräben wird der losgerissene Gesteinsschlamm von den gewaltigen Wassermassen zu großen Schleusen weggeführt, wo, wie früher geschildert, die Lehm- und Gesteinsmassen fortgewaschen werden, während sich das Gold zu Boden senkt. Ein tiefes Thal nimmt endlich die sich bald zu Hügeln und Bergen türmenden Schwemmmassen auf, welche sich nun, ihres Goldes ledig, zu neuen Alluvialschichten aufhäufen, über deren Bedeutung vielleicht wieder spätere Zeiten grübeln.

Die weitere Behandlung des mit seinen Nebenmetallen nunmehr aus dem Gestein losgelösten Goldes müssen wir hier übergehen: nur soviel sei davon erwähnt, daß die Ausscheidung des reinen Goldes zunächst durch kochende Schwefelsäure und dann durch verschiedene andere Prozesse geschieht und seit einigen Jahrzehnten so vervollkommnet ist, daß man jetzt mit Vorteil aus alten, unabsichtlich mit Gold versetzten Silbermünzen das edlere Metall herausziehen kann. So ließ die deutsche Reichsregierung in den Jahren 1873 bis 1879 durch die Roeßlersche Gold- und Silberscheideanstalt zu Frankfurt a. M. nahezu 35 000 Centner silberne Landesmünzen, worunter über 400 Millionen vor 1856 geprägter Thaler, scheiden und gewann daraus etwa 769 Kilogramm oder reichlich 2 Millionen Mark an purem Golde.

Was das Vorkommen des Goldes betrifft, so sind alle fünf Erdteile, wenngleich in sehr verschiedenem Maße, damit gesegnet, Europa allerdings, das Gebiet des größten Goldverbrauchs, das noch heute über zwei Drittel alles gemünzten Goldes der Erde besitzt, weitaus am wenigsten. Oder in Zahlen: von allem bis jetzt auf der Erde gewonnenen Golde – das mögen etwa 12 bis 13 Millionen Kilogramm oder 1000 Eisenbahnwagen voll oder ein Block von 8 1/2 Meter Höhe, Breite und Dicke sein – hat Europa höchstens den fünfundzwanzigsten Teil geliefert, aber mindestens zwei Drittel sich angeeignet und in Gebrauch genommen. Von den übrigen Erdteilen scheint einer so ergiebig wie der andere, wenn auch die jährlichen Ausbeuteziffern oft beträchtlich auf und nieder schwanken. In Asien besitzt Rußland so ergiebige Goldlager, daß im Jahr 1892 der Ertrag der sibirischen Bergwerke mit 100 Millionen Mark beinahe ein Fünftel der Gesamtgewinnung der Erde ausmachte. Allerdings hat Rußland schon weit ertragreichere Jahre gesehen, doch hängt hier das Sinken und Steigen mehr von dem Umfang der fiskalischen Betriebe ab als von dem Reichtum der Goldfelder, die vom Uralgebirge bis zum Großen Ocean reichen und noch ganz unermeßliche Schätze des gelben Metalles bergen. Außer Sibirien kommt in Asien nur noch China als Goldquelle in Betracht, doch sind über den Umfang seiner Gewinnung genauere Zahlen noch nicht bekannt geworden. Afrika besitzt Gold an verschiedenen Stellen seiner Küste und seines Inneren und nur die langdauernde Unbekanntschaft der Kulturstaaten mit diesem Erdteil war schuld daran, daß bis in die achtziger Jahre hinein Afrika nur mit wenigen Prozenten an der Goldausbeute der Erde beteiligt war. Seitdem hat sich indessen, besonders in Natal und Transvaal, die Förderung so schnell gesteigert, daß heute in Afrika fast ebensoviel Gold gewonnen wird wie in Asien. Von dem ganzen bisher der Erde entnommenen Goldvorrat verdanken wir Afrika etwa den zehnten Teil. Was endlich Amerika und Australien betrifft, so brauchen wir nur die Namen Kalifornien und Neu-Süd-Wales oder Viktorialand zu nennen, um die Erinnerung an die märchenhaften Goldströme der fünfziger und sechziger Jahre zu wecken. Allerdings ist der Ertrag beider Goldgebiete seitdem zurückgegangen, doch nicht in dem Maße, wie es zeitweise den Anschein hatte. Wenn in Kalifornien einzelne Minen verarmten, so erschlossen sich dafür beständig andere in den übrigen Staaten des westlichen Nordamerika; Nevada, Colorado, Montana, Neu-Mexiko und vor allem Alaska wachsen mehr und mehr zu gewaltigen Goldlieferern heran und werden das in dieser Beziehung allmählich verarmende Kalifornien, das allerdings vorläufig noch immer den zehnten Teil der ganzen irdischen Goldgewinnung ergiebt, in Zukunft ersetzen. Aehnlich liegen die Verhältnisse in Australien, das zur Zeit des großen Goldfiebers Jahreserträge bis zu 146 Millionen Mark erreichte, dann in den achtziger Jahren bis auf 110 Millionen fiel und heute bereits wieder 143 Millionen erreicht hat, 1892 sogar an die Spitze aller goldspendenden Länder getreten ist.

Wo bleibt nun diese gewaltige, seit mehr als vier Jahrzehnten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_178.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2017)