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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

der Freiheit des wissenschaftlichen Studiums für künftige Frauenärztinnen und Lehrerinnen erwächst mit Notwendigkeit aus den Anforderungen des sozialen Lebens. Zum größten Teil aber entstammt die Bewegung dem gestiegenen sittlichen und geistigen Wert weiter Frauenkreise, die ihren Anteil an der Kulturarbeit der Zeit verlangen, zum Wohl der Gesamtheit und zur Erlösung für die Einzelnen aus der Kleinheit des Genußlebens, das so arm ist an edlen Genüssen und so reich an Enttäuschung und Langerweile!

Die Führerinnen der Frauenbewegung in Deutschland.

Luise Otto-Peters. Mathilde Weber. Henriette Goldschmidt. Lina Morgenstern.
     Marie Loeper-Housselle. Auguste Schmidt. Helene Lange.
Luise Büchner. Bertha von Marenholtz-Bülow. Marie Calm.

Wenn also auch Zeitbedürfnisse aller Art fördernd auf die Frauenfrage einwirkten, so würde sie, bei der lange währenden Mißachtung durch Staats- und Gemeindelenker, noch an ihren ersten Anfängen stehen, hätten die begeisterten Frauen, welche dereinst den Mut hatten, sie aufzuwerfen, nicht auch die Thatkraft besessen, gleich mit der Lösung Ernst zu machen. In aufopfernder, unermüdlicher Arbeit, im Kampfe mit männlichem Vorurteil und weiblicher Gleichgültigkeit haben erst einzelne durch Rede und Schrift gewirkt, Frauenvereine und Kindergärten gegründet, bis im Jahre 1865 der von Luise Otto-Peters und Auguste Schmidt in Leipzig begründete Frauenbildungsverein sich zum „Allgemeinen deutschen Frauenverein“ umwandelte. Von dort an hatten die Einzelbestrebungen Fühlung untereinander und eine bestimmte Richtung gewonnen, welcher der Verein in den Jahren seines Bestehens unentwegt treu geblieben ist. Der leitende Grundgedanke, dem weiblichen Geschlechte zu helfen durch eigene weibliche Kraft, ist überall erkennbar in den Zwecken: Hebung des Interesses für geistige Bildung, Eröffnung von Anstalten aller Art zu Erziehung und Unterricht, Frauenerwerb, Schutz und Hilfe für Dienstboten und Arbeiterinnen. Ein eigenes Vereinsorgan, die „Neuen Bahnen“, von L. Otto-Peters und A. Schmidt vortrefflich geleitet, vertritt seit 1865 rastlos die Fraunensache und hat ihr zahlreiche Anhänger geworben. Die Hauptwirkung aber übten von jeher und üben noch die alle zwei Jahre wiederkehrenden Wanderversammlungen, welchen mehr als einmal der Erfolg beschieden war, eine bisher ganz teilnahmlose Stadt sozusagen im Sturm zu nehmen und eine bedeutende Wandlung in den Anschauungen der pflichtgemäß, aber nicht gerade freudig erschienenen Bürgermeister, Schulräte und Kultusbeamten hervorzubringen.

Freilich ist das kein Wunder angesichts der ganz hervorragenden Rednergabe der Führerinnen, die samt und sonders durch ihre Person den Beweis liefern, daß klare Logik und bewußte Ueberzeugungstreue nicht unvereinbar sind mit den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_257.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)