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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


Kleine Leiden der Fußwanderer.

Zu den kleinen Uebeln, welche den Menschen, wenn nicht das Leben, so doch das Gehen verbittern können, zählt jene unbehagliche Folgeerscheinung eines unzweckmäßigen Schuhwerks, das Hühnerauge. Die Aerzte haben sich in früheren Zeiten mit dieser Kleinigkeit wenig befaßt, um so mehr widmeten fragwürdige Heilkünstler dem lästigen Gebilde ihre Aufmerksamkeit. Hühneraugenoperateure machten keine üblen Geschäfte, obwohl man sagte, daß diese kleine Operation sogar das Leben gefährden könne. Und diese letztere Behauptung ist gewiß wahr! Die kleine Wunde, die bei ungeschicktem Schnitt entstehen kann, ist an und für sich nicht gefährlicher als jede andere Wunde; aber eine Wunde am Fuß ist besonders leicht der Verunreinigung ausgesetzt. Dringen nun in dieselbe bestimmte krankheiterzeugende Bakterien ein, so wird die Wunde schlecht und kann Anlaß zur Blutvergiftung, ja zum Starrkrampf geben. Es sind thatsächlich Fälle bekannt, in welchen Hühneraugenoperationen ein solch trauriges Ende nahmen. Und doch schneiden noch recht viele Menschen an ihren Hühneraugen herum! Es ist darum angebracht, ganz besonders hervorzuheben, daß es geradezu ein Unsinn ist, mit Messer und Schere das Hühnerauge zu behandeln, während wir doch andere zuverlässigere und dabei gefahrlose Mittel zu dessen Entfernung kennen.

Es giebt viele Stoffe, welche die Eigenschaft besitzen, die Oberhaut derart aufzuweichen, daß sie sich von der Unterhaut von selbst ablöst. Nur wirken diese Stoffe nicht augenblicklich, sondern langsam, zumeist erst in einigen Tagen. Man nennt solche Mittel „dermatolytische“, oder „hautlösende“, und zu ihnen zählen das Seifenpflaster und die Essigsäure, die schon seit geraumer Zeit zum Erweichen der Hühneraugen empfohlen werden. Am wirksamsten ist aber die Salicylsäure; sie beseitigt auch die schlimmsten Hornbildungen.

Ihre Anwendung kann verschieden sein.

Vielfach wird eine Mischung von 1 Teil Salicylsäure und 10 Teilen Kollodium empfohlen; man pinselt dieses Salicylsäurekollodium drei bis vier Tage lang morgens und abends auf das Hühnerauge, läßt das Kollodium eintrocknen und wartet, bis das Horngebilde erweicht ist, worauf man es mit dem Nagel während eines Fußbades abheben kann. In den Apotheken werden Hühneraugentinkturen verkauft, die in der Hauptsache aus Kollodium und Salicylsäure bestehen und denen noch andere Bestandteile, wie z. B. Essigsäure und Hanfextrakt, beigemischt sind. Letzterer soll etwa nach der Bepinselung eintretende Schmerzen lindern.

Dieses Salicylsäurekollodium befriedigt jedoch nicht immer; es kann bei empfindlicher Haut recht unangenehme Schmerzen bereiten, und auch die Ablösung des erweichten Hühnerauges gestaltet sich nicht immer vorschriftsmäßig. Man hat darum Salicylsäurepflaster bereitet, die einfach auf das Hühnerauge gelegt werden. Man erneuert sie 6 bis 8 Tage lang, und in dieser Zeit wird das Hühnerauge derart aufgeweicht, daß man es in der oben angegebenen Weise abzuheben vermag.

Schließlich kann man auch die reine Salicylsäure anwenden. Zu diesem Zwecke nimmt man von aufgestrichenem Heftpflaster, am besten amerikanischem Gummiheftpflaster, ein Stück, das so groß ist, daß es reichlich das Hühnerauge bedeckt, schneidet es an den Rändern ein, schüttet in die Mitte eine kleine Messerspitze voll Salicylsäure und klebt das Ganze auf die zu behandelnde Stelle des Fußes. Dieses Verfahren erneuert man im Laufe einiger Tage, und zwar so lange, bis das Hühnerauge derart erweicht ist, daß man es mit dem Fingernagel entfernen kann. Gewaltsames Reißen ist jedoch zu unterlassen; giebt die abzulösende Hautschicht nicht nach, so lege man lieber das Pflaster wieder auf und warte, bis die Erweichung vollständig geworden ist. Sollten sich Schmerzen einstellen, so setzt man die Behandlung für einen bis zwei Tage aus. Dies ist ein Vorzug des Pflasters gegenüber dem Salicylsäurekollodium, das, einmal auf die Haut gebracht, sich nicht entfernen läßt, bis die Erweichung erfolgt ist.

Auf diese Weise kann man durch die Salicylsäure die lästigsten und ältesten Hühneraugen bei etwas Geduld in einigen Tagen beseitigen. Man muß sich aber, selbst wenn das Schuhwerk zweckmäßig abgeändert wurde, auf einen Rückfall gefaßt machen. Die frische Haut an Stelle des Hühnerauges ist zart und rot; sie befand sich schon während der Bildung des Leichdorns in gereiztem Zustande und hat die Neigung, in Ueberfülle neue Oberhaut zu bilden. Man muß darum bestrebt sein, diese junge Haut anfangs durch Auflegen von Watte zu schützen. Es wird sich aber in der Regel trotzdem auf ihr ein neues Hühnerauge bilden; nur wartet man nicht so lange, bis es Beschwerden macht, sondern legt wieder ein etwas kleineres Salicylsäurepflaster auf. Die Erweichung geht nun leichter vor sich. Die Rückfälle werden schwächer und schwächer; die Hautstelle wird nach und nach normal und die Heilung eine dauernde.

Im Anschluß daran möchten wir noch einige Worte über die Fürsorge für kleine Wunden an den Füßen sagen. Die Wundbehandlung ist Sache des Arztes, aber wegen eines Ritzes, einer Hautabschürfung am Fuße sucht kaum ein Mensch den Arzt auf. Und doch können die geringfügigsten Verletzungen, wie wir schon früher bemerkt haben, sehr schlimme Folgen nach sich ziehen. Wie soll man diesen vorbeugen?

Es handelt sich bei kleinen so gut wie bei großen Verwundungen zunächst darum, daß schädliche Stoffe, die in die verletzte Stelle vielleicht bereits eingedrungen sind, unschädlich gemacht werden und daß man die Wunde bis zur erfolgten Heilung vor neuen Verunreinigungen verwahrt. Dies ist bei kleinen Verletzungen ungemein leicht zu erreichen. Man wäscht sie mit reinem Wasser, oder noch besser mit zweiprozentigem Karbolwasser ab, nimmt dann etwas reine Verbandwatte, legt diese auf die wunde Stelle und betupft die Watte zwei- bis dreimal mit Collodium elasticum. Es bildet sich alsdann über der Wunde ein wasser- und luftdichter Verschluß, unter dem die Heilung ohne irgendwelche Schwellung oder Eiterung vor sich geht. Den Verschluß befestigt man im Laufe des ersten Tages durch nochmaliges Auftragen von Collodium und läßt ihn liegen, bis er von selbst abfällt. Collodium elasticum erhält man in jeder Apotheke; es ist dies das gewöhnliche Kollodium, dem etwas Ricinusöl zugesetzt wurde; es spannt nach dem Eintrocknen weniger als das reine Kollodium.

Dieser Verschluß hat bei Fußwunden, namentlich bei Hautabschürfungen, durchgescheuerter Haut auf dem Marsche etc., vor den sonst üblichen mit antiseptischen Salben bestrichenen Läppchen den Vorteil, daß er unverrückbar festsitzt; er schützt die Stelle vor weiterem Druck, und selbst, wenn man weiter wandert, wird eine Vergrößerung der Abschürfung vermieden und der Schmerz in der Regel behoben. Je eher man den Kollodiumverschluß anbringt, desto besser ist es.

In derselben Weise können auch kleine Verletzungen an Fingern und Händen aufs zweckmäßigste behandelt werden; auch bei ihnen ist die Gefahr der Verunreinigung besonders groß, und wenn eine solche nur selten zur Blutvergiftung führt, so giebt sie doch ungemein häufig Anlaß zu eitrigen Entzündungen, die bei kochenden, scheuernden und aufwaschenden Frauen und Mädchen leider so oft an den Fingern vorkommen.

Auf dem Lande steht der Leim in besonderem Rufe als Verschließungsmittel für kleine Wunden. Sein Ruf ist nicht unbegründet; frisch gekochter Tischlerleim ist aseptisch, frei von allen Keimen, und wenn er erhärtet, so verschließt er die Wunde wenigstens so lange, bis die Gefahr einer Ansteckung vermieden ist. Das Kollodium aber, das in Wasser unlöslich ist, läßt sich reinlicher handhaben und steht jeden Augenblick zum Gebrauch bereit da. Eins aber ist zu beachten: das Kollodium ist leicht brennbar, und deshalb darf man damit nicht in der Nähe einer offenen Flamme hantieren. Immerhin ist die Entzündbarkeit der flüssigen und verdunstenden Masse keineswegs so groß wie die des Benzins und auch geringer als die des Aethers. *      


Die Martinsklause.

Roman aus dem 12. Jahrhundert.
Von Ludwig Ganghofer.

 (26. Fortsetzung.)


Hinter jenem Grat, auf dessen Höhe Otloh so still und regungslos die Wache hielt, senkte sich der überschneite Steingrund zu einer weiten Mulde. Gute Weide war es, welche hier der tiefliegende Schnee bedeckte; denn ehe Herr Waze, um seinem Fahlwild Ruhe und reiche Aesung zu sichern, die Gehänge des König Eismann mit seinem Bann umhegte, hatte dieses Bergthal als die beste Albe des Gadems und der Ramsau gegolten. Aus jener Zeit noch stammte die Hütte, die sich inmitten des kesselförmigen Thals erhob. Der Schnee, welcher über das Dach gefallen, war hinweggeschmolzen, und durch die Balken quoll der Rauch des Feuers, das auf der Herdstatt brannte. Sein zitternder Schein beleuchtete ein stilles Glück, das zwischen diesen morschen Balken ein Heim in der Oede gefunden und nach allen Schrecken der vergangenen Tage, bei aller Gefahr und Sorge, von der es bedroht war, so freundlich blühte wie die Bergrose im Schnee und von so reiner Helle war wie ein Stern in dunkler Nacht. Rötlis geschickte Hände hatten dem unwirtlichen Raum ein fast trauliches Ansehen verliehen. Nun stand sie vor dem Herd, das liebliche, nur etwas schmal und bleich gewordene Gesichtchen vom rötlichen Feuerschein überstrahlt, und behütete als junges Hausmütterchen mit sorgendem Eifer die Pfanne. Freilich wurde ihre Achtsamkeit gar oft gestört; doch ehe sie noch schmollen konnte, schloß ihr schon ein warmer Mund die Lippen. Dann lehnte sie wohl das Köpfchen an Ruedliebs Brust, und während er sie umschlungen hielt mit festem Arm, blickten sie schweigend in die züngelnden Flammen und träumten von kommender Zeit, von dem traulichen Herd, der ihrer wartete im Thal. Einmal seufzte Rötli aus tiefem Herzen.

„Schätzli, was ist Dir?“ fragte Ruedlieb und strich mit der Hand über ihr Braunhaar.

Sie hob die feuchten Augen. „Was meinst wohl, wie es meiner Mutter geht und meinem Bruder?“

„Gut! Wie denn anders! Dein Bruder steht wie ein Baum; an den trauen sich die Maulwürf’ nimmer an! Uns hat er in sichere Hut geschickt, und sich selber weiß er zu wahren!“

„Aber wenn die Wazemannsleut’ ...“ Rötli konnte nicht weiter sprechen, denn zum besten Trost hatte ihr Ruedlieb mit den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_459.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)