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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Landbesitzer betrieben wird; man begegnet hier nicht ausgedehnten Theeplantagen, sondern nur kleinen Gärtchen, in denen stets eine geringe Anzahl von Sträuchern vorhanden ist. So geht der chinesische Thee durch viele Hände, bevor er zum europäischen Kaufmann oder zum Verbraucher gelangt, und er wird dadurch sicher nicht reiner und besser.

Ein ganz anderes Bild gewährt uns die indische Theekultur. Hier wird der Theestrauch auf großen zusammenhängenden Flächen in einer Weise angepflanzt, die aus der Ferne an die Rebengelände des Rheins erinnert. Zwischen den weit sich hinziehenden Plantagen steht da und dort auf anmutigem Hügel das schmucke Pflanzerhaus, mit Rosen und Blumen aller Art umrankt, als Mittelpunkt gestaltender Kraft und verbessernden Strebens; denn man muß zugeben, die indische Theekultur wandelt bereits ihren eigenen Weg. Man hat zwar Theesträucher aus China eingeführt, aber zuletzt doch gefunden, daß man bessere Erfolge erzielt, wenn man die einheimischen assamesischen Spielarten veredelt. Wohl schreibt sich die Güte des indischen Thees erst von der Zeit her, da man chinesische Arbeiter zum Ernten und Rösten der Blätter beigezogen hat, aber die indischen Pflanzer lernten nicht blind von ihren Meistern, sondern suchten und suchen noch diese zu überflügeln. Sie lassen zwar die Kuli keine Handschuhe anziehen, aber sie sorgen für Reinlichkeit nicht nur bei der besten, sondern bei jeder Ernte. Sie haben auch gefunden, daß der Chinese zu konservativ ist, daß er oft ohne überzeugenden Grund an umständlichen Röstungsverfahren hängt, sie wiesen nach, daß man die Bearbeitung der geernteten Blätter wesentlich vereinfachen kann; vor allem aber verleugneten sie nicht, daß sie Kinder des neunzehnten Jahrhunderts sind. Bei den Chinesen ist all und jedes Handarbeit, die indischen Pflanzer verwenden auch beim Theebau Maschinen und die Folge davon ist, daß die dabei waltende Sauberkeit noch größer ist als in China. Ueberall macht sich der Einfluß des Großbetriebs geltend. Man werfe einmal einen Blick auf solch ein ostindisches „Trockenhaus“, in welchem die frischgepflückten Blätter auf Horden den ersten Welkungs- und Gährungsprozeß durchmachen; China kann solche Hallen nicht aufweisen[.] Die fertige Ware wird in die üblichen Kisten aus Teakholz verpackt und tritt auf dem Brahmaputra die Reise nach den Ausfuhrhäfen an.

Das Kosten des Thees.

Die indischen Theepflanzer haben aber auch ein Interesse daran, daß ihr Thee als solcher zur Geltung kommt und nicht gefälscht wird. Zu diesem Behufe haben die indischen Gesellschaften eine große Vereinigung gebildet, welche unter einheitlicher Leitung den fertigen Thee auf den Pflanzungen in Empfang nimmt, seemäßig verpackt und für Europa zunächst nach London schickt. Dort befindet sich eine Anzahl von Theemaklern, die seit langen Jahren das Theegeschäft nach einem bestimmten Lande – sagen wir z. B. nach Deutschland – als Specialität betreiben. Dazu gehört vor allem die genaueste Kenntnis des beliebtesten Theegeschmacks in dem betreffenden Lande. Diesen besonders gewünschten Geschmack muß, bei dem wechselnden Ausfall der Ernten, der Makler regelmäßig erst durch richtige Mischung schaffen. Diese Mischung wird aber nicht, wie dies bei dem chinesischen Thee der Fall ist, jedem beliebigen Händler überlassen, sondern durch eine Vertrauensperson der „Indian Tea Association of Calcutta“ besorgt. Dann geht sie unter Originalverpackung an die Hauptniederlage des betreffenden Landes, die für Deutschland in Hamburg errichtet ist, um von hier aus durch die verschiedenen Groß- und Kleinhandlungen endlich in die Hand des Theetrinkers zu gelangen. Durch diese Maßnahmen sind die Abnehmer des indischen Thees im großen und ganzen vor Fälschungen ziemlich geschützt.

Aber – ja, wenn man unparteiisch sein will, so muß man auch in diesem Falle auf das „Ja“ ein „Aber“ folgen lassen. Wie verhält sich der echte Indier zu dem echten Chinesen? Auf diese Frage muß man erwidern, daß die Chinesen augenblicklich den indischen Theeerzeugern noch über sind. Ihr Thee, soweit gute Sorten in Betracht kommen, ist milder, er enthält weniger Theïn und hat mehr Aroma als der indische. Dieser ist noch immer stärker, erregt die Nerven mehr als der chinesische, und noch vor kurzer Zeit pflegte man die besten indischen Sorten dadurch zu verbessern, daß man sie mit guten chinesischen vermengte. Die Stärke des indischen Thees kommt auch darin zum Ausdruck, daß man aus den assamesischen Blättern für Europa keinen grünen Thee bereitet; er würde hier entschieden als zu aufregend zurückgewiesen. Bedenkt man aber, welche Fortschritte die indische Theekultur in den letzten Jahren gemacht hat, so kann man wohl der Meinung beipflichten, daß die indischen Pflanzer in nicht langer Zeit auch in Bezug auf die Güte des Thees den Chinesen gleichkommen werden.

Allerdings trinkt man heute in Deutschland verhältnismäßig wenig Thee, und das ist zu bedauern, denn der Thee ist, wenn man ihn richtig zubereitet und namentlich nicht zu stark trinkt, durchaus nicht so aufregend, wie vielfach behauptet wird. Man hat den Hausfrauen schon viele Rezepte zum Theeaufbrühen gegeben. Wir sind nicht in der Lage, ihnen mit einem allgemein gültigen zu dienen. Verschiedene Theesorten erfordern verschiedene Zubereitung. Es ist richtig, daß das Wasser zum Theeaufguß stets weich sein und daß hartes Wasser durch Zusatz von doppeltkohlensaurem Natron (eine Messerspitze voll auf 1 Liter) verbessert werden sollte; es empfiehlt sich auch, vorher erwärmte Thon- oder Porzellangefäße zum Aufguß zu nehmen. Streitig ist aber die Frage, wie lange man den Thee ziehen lassen soll, bevor man ihn abgießt. Hier muß man sich nach der Theesorte richten. Die meisten indischen Sorten dürfen nicht länger als 5 Minuten ziehen, sonst bekommen sie einen schlechten bitteren Geschmack. Der chinesische Thee kann seiner Milde wegen ein längeres Ziehen vertragen, jedenfalls aber sollte man auch bei ihm die Dauer von 10 Minuten nicht überschreiten. Häufig entscheidet einfach der Geschmack; es giebt Theekenner, die den Aufguß nur 3 Minuten ziehen lassen, andere nennen einen solchen Thee „roh“.

Zur Wohlthat für den Menschen wird der Thee nur dann, wenn man sich gewöhnt hat, ihn leicht zu trinken; dann ist er ein durstlöschendes und angenehm erregendes, keineswegs aber aufregendes Getränk. Das ist unsere langjährige persönliche Erfahrung und darum zollen wir den Fortschritten der indischen Theekultur zwar alle Anerkennung, möchten uns aber nicht so ohne weiteres von dem echten unverfälschten, durch tausendjährige Kultur gemilderten Blatte Chinas trennen.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 659. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_659.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)