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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Saal für die Presse mit einem Büffett, mit Arbeitskabinen, Telephonzellen und so weiter, und die Räume für den kaiserlichen Hof: ein Toilettenzimmer, eingerichtet mit mahagoniartigem Holz aus den Kolonien, ein großer Salon (siehe die Abbildung auf Seite 764) mit bunten Marmorwänden, Oberlicht und einem reichornamentierten Kamin aus weißem Laaser Marmor und ein kleinerer in Stuckmarmor durchgeführter Raum, der den Salon mit der Loge verbindet.

Verlassen wir nun das Zwischengeschoß mit den Tribünen und kehren wir in den großen Sitzungssaal zurück. Wir sind von der „Seite der Abgeordneten“ hereingetreten; gehen wir jetzt durch eine der drei Thüren auf der entgegengesetzten Seite hinter den Tischen für Präsidium und Regierung wieder hinaus, so gelangen wir in den nach Osten gelegenen Längsteil des Hauses, der – der Einteilung des großen Sitzungssaales entsprechend – dem Präsidium, der Regierung und dem Bundesrate gewidmet ist. Wir können von hier aus geradeaus gehen und die Treppe hinab steigen, durch das Ostportal das Haus verlassen, wir können uns nach rechts wenden und bei der Regierung Audienz nehmen oder wir können, nach links schreitend, dem Reichstagsvorstand unseren Besuch machen.

Der Sitzungssaal des Bundesrats.

Nehmen wir zunächst den Weg nach rechts, so kommen wir in eine Vorhalle, die mit dem marmorähnlichen hellen Marzanastein (aus Istrien) dekoriert ist; aus dieser Halle führen zunächst Thüren in die Räume des Reichskanzlers und des Reichskanzleramtes und dann weitere in die des Bundesrats. Den großen Eckturm füllt hier der Sitzungssaal des Bundesrats aus, und so kühl und steif die Worte „Sitzungssaal des Bundesrats“ klingen, so warm und behaglich ist es hier. Das obenstehende Bild giebt einen Ausschnitt davon, aber die ganze Wirkung, die der köstliche Raum in Natur erzielt, kann es natürlich nicht vergegenwärtigen. Die schön gezeichnete Holzdecke mit teilweise vergoldetem Gebälk, die goldiggrüne Seidentapete, das reichgeschnitzte Eichenholzgetäfel, in dessen Sims vergoldete Rosetten gewissermaßen den Uebergang zu der Decke vermitteln, die edel stilisierten Möbel, die neben dem braunen Holzton wieder das Grün der Seidentapete und die zarte Goldornamentik zeigen – das giebt ein ebenso vornehmes wie trauliches Zusammenspiel. Eine breite Fülle goldenen Lichtes strömt durch die gewaltigen Fenster herein, draußen schwanken die dichtbelaubten Aeste hoher Bäume, gedämpft nur wie ein leises Schnarchen des „großen Pan“ vernimmt man den Lärm des Weltstadttreibens....

Von neuen Steuern
Spürest Du
Kaum einen Hauch....

Im Lesesaal.

Aber wir wollen nicht so vermessen weiter träumen, sonst dementiert uns der Reichsanzeiger. Verlassen wir das Heim der Regierung und schwenken nach links ab, so finden wir in dem nordöstlichen Teil des Hauses ganz ähnliche Räume, nur mit anderer Bestimmung. Was drüben dem Reichskanzler gehörte, gehört hier dem Präsidenten des Reichstags, den Schriftführern, und was drüben Bundesratszimmer war, ist hier Direktorium, Amtsraum und Kasse. Der Saal des Eckturmes aber wird von der Bibliothek eingenommen, die ganz in Holzarchitektur durchgeführt ist und zu den Kleinodien des Gebäudes gehört.

Die „Bibliothek“, in der nur Nachschlagewerke aufgestellt sind, ist durch Aufzug und Telephon mit dem im Obergeschosse befindlichen „Bücherspeicher“ verbunden. Hier ist alles Eisenkonstruktion – die Büchergestelle (in vier Etagen), die Galerien, die Treppen, die zu diesen führen, die Decke – und es ergiebt sich so ein äußerst eigenartiger Anblick, der in unserem Bilde auf Seite 763 festgehalten ist. Im Obergeschoß, das eine Höhe von 5,50 Metern bis 6,50 Metern besitzt, befinden sich außer der Bücherei nur noch Sitzungssäle für die Fraktionen, Kommissionen etc., im ganzen zwölf.

Steigen wir nun zuletzt noch hinab in das Erdgeschoß. Wie wir gesehen haben, führt das Hauptportal, vor dem sich eine mächtige Rampe befindet, unmittelbar in das Hauptgeschoß. Das gegenüberliegende Ostportal ist für den kaiserlichen Hof und den Bundesrat bestimmt. Die Equipagen lenken in eine dem Vorbau der Fassade entsprechende „Unterfahrt“ und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 765. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_765.jpg&oldid=- (Version vom 21.9.2023)