Verschiedene: Die Gartenlaube (1895) | |
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Nr. 4. | 1895. | |
Buen Retiro.
(3. Fortsetzung.)
Bei dem jähen Ausbruch des Gewitters taumelte die junge Frau fast sinnlos vor Schreck seitwärts; Röder faßte sie mit seinen starken Armen und hielt sie fest, sie wäre sonst zu Boden gesunken. Es war ihm aber unmöglich, von der Stelle zu kommen, er mußte bleiben, wo er war.
Nun brauste es heran auf Sturmesflügeln, riß die Blätter von den Bäumen und wirbelte sie wie tote Fetzen durch die Luft, bog die starken Aeste zusammen, daß sie ächzten, knickte die Zweige, peitschte das Wasser des Deiches, daß es hoch aufspritzte, und fegte den losen Sand durcheinander. Dem Mann, der mitten im Toben der Elemente stand und die schlanke Frauengestalt an sich gedrückt hielt, legte sich’s mit einem Male wie ein weicher Schleier vor die Augen, ein feines Seidengespinst wob sich um sein Gesicht, ein süßer schwacher Rosenduft umschmeichelte ihn – das war Gabrielens gelöstes Haar, das ihn umflatterte und das der Sturm, der tückische Sturm, ihm ums Antlitz wehte!
Immer von neuem Blitz und Donner und Sturm, schön und majestätisch, aber schreckensvoll, denn kein Regentropfen fiel,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_053.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)