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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Menge von exotischen Verwandten aufweist) außer diesen beiden Flächen auch noch die Besaitungsart gemein. Verschiedene Ueberlieferungen haben sich also wohl vereinigt, um einen neuen Typus zu schaffen. Um den Ausgang des 17. Jahrhunderts scheinen Zithern gleichzeitig in verschiedenen Ländern gebaut worden zu sein. Auf der Wiener Musik- und Theaterausstellung 1892 konnte man eine Zither von Joachim Tilke in Hamburg (1660 bis 1730) sehen, die 5 Paar Metallsaiten und 18 Bünde besaß; daneben eine alte norwegische Zither von Anders Regnaldsen Kloeive in Bergen mit ebensovielen Saiten. Beide Instrumente waren durch einen „Hals“ verlängert. Nicht weit davon lagen eine alte dänische Zither (sogenannte Humble, „Hummel“) und eine aus unsrer Zeit stammende portugiesische Zither von Mano el Pereira in Lissabon. Daß auch der Orient in der Hervorbringung ähnlicher Instrumente – und zwar wahrscheinlich unabhängig von den abendländischen Konstruktionen – nicht zurückblieb, zeigten die verschiedenen in dem ethnographischen Teil jener Ausstellung vorhandenen zitherartigen Instrumente. „Sitar“ nennt sich, stark an „Zither“ anklingend, ein bei den mohammedanischen Indern gebräuchliches Saiteninstrument. Das japanische Koto, das chinesische Chin, das arabische Santir, das Santur der Bulgaren haben freilich größere Verwandtschaft mit dem „Hackbrett“ und sind ohne Griffbrett und Bünde. Immerhin aber ist auch bei ihnen eine Verwandtschaft mit der Zither nicht abzuleugnen, besonders, da sich die moderne Zither nicht unmerklich gerade nach Seite des Hackbrettes hin ausgebildet hat.

Alte Zithern.

Der Ruhm, die Form der bayerischen Zither ausgebildet zu haben, gebührt dem Marktflecken Mittenwald im bayerischen Hochgebirg, dem berühmten Geigenmacherort, wo noch heute die Herstellung von aller Art Saiteninstrumenten den Gegenstand einer regen Hausindustrie bildet. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts hatten die Mittenwalder Zithern die Form von Lauten ohne Hals, wobei der Kasten entweder die beiden seitlichen Ausbauchungen der Guitarre aufwies oder lyraartig gestaltet war. Die älteren Wiener Zithernbauer arbeiteten ebenfalls nach diesen Formen. Genannt wird von letzteren ein Anton Rehrer, „Ziternmacher im tieffen Graben 133“ in Wien (um 1770). Die um dieselbe Zeit geschaffene „Halleiner oder Pinzgauer Zither“ weicht von obiger Form ab; sie hat einen schmalen Hals, der sich gegen die Wirbel hin verengt.

Unsere obenstehende Abbildung stellt mehrere ältere Zitherformen zusammen. Die Originale befinden sich im Besitze der Wiener Zitherfabrik von Anton Kiendl. Figur 1 ist eine „Gebirgszither“ von sehr einfacher Form, die aber dadurch auffällt, daß die in der Decke angebrachten Klangöffnungen die Form der F-Löcher der Violine besitzen, was zu den größten Seltenheiten gehört. Figur 2 ist eine Halleiner Zither von eleganter Form. Auch Figur 3 zeigt den letzteren Typus. Die kurzen Melodiesaiten erinnern an die Abstammung dieser Form vom Hackbrett. Figur 4 zeigt eine Halleiner Zither von hübscher Form, die, gleich den in Fig. 2 und 3 abgebildeten Instrumenten, mit einem zweiten Chor kürzerer Melodiesaiten versehen ist. Figur 5 ist namentlich dadurch merkwürdig, daß das Instrument, – ein roh und bäuerisch gearbeitetes Stück eigentlich aus zwei nebeneinander gekoppelten Zithern besteht. Offenbar der Einfall eines weltabgeschiedenen, intelligenten Gebirglers.

Die heutige Zither bekam ihre Form durch den in Mittenwald geborenen, anfangs in München als Geigen- und Lautenmacher arbeitenden, 1843 nach Wien übergesiedelten Anton Kiendl, dessen Etablissement kürzlich den 50. Jahrestag seines Bestehens begangen hat. Zur Zeit der Begründung war durch einen begabten Mann, den Wiener Wirtssohn Joh. Petzmayer, das Zitherspiel in Wien ungemein in Mode gekommen. Der Hof, die bürgerlichen Kreise, hoch und niedrig, begannen sich für dasselbe zu interessieren, und Kiendl, der eine gewisse Vorliebe für das Instrument aus seiner Mittenwalder Heimat mitgebracht haben mochte, erkannte den Zeitpunkt als günstig, um sich in der Kaiserstadt niederzulassen. Obwohl er auch hier zuerst vornehmlich Lauten baute, so warf er sich doch bald mit aller Kraft auf die Zitherfabrikation, und in regem Verkehr mit Petzmayer stehend und von diesem beeinflußt, kam er in kurzer Zeit darauf, die im wesentlichen bis heute beibehaltene Form festzustellen, deren Typus unsere zweite Instrumentengruppe in Figur 2 darstellt. Auf Anregung seines Freundes Barth konstruierte er noch die – wesentlich größere – Baß- oder Elegiezither (ebenda, Figur 1), dann die Konzertzither, welche die Mitte zwischen dieser und der gewöhnlichen hält (Figur 3), 1823 mit Petzmayer zusammen die Streichzither, und zwar in zwei Größen, in Violin- und Violastimmung. Eine solche ist in Figur 4 abgebildet.

Moderne Zithern.

Die Art der Erzeugung dieser modernen Zithern – wir folgen hier der Methode, nach der sie in Ant. Kiendls Instrumenten-und Saitenfabrik in Wien hergestellt werden – ist mühseliger und umständlicher, als man vermuten sollte. Das wichtigste Material dazu ist das Resonanzholz, Fichtenholz aus dem Gebirge, bei dessen Beschaffung mannigfache Rücksichten zu nehmen sind. So ist z. B. nur solches Holz zu gebrauchen, das infolge mageren Bodens und hoher Lage langsam gewachsen ist, daher dicht aneinander liegende Jahresringe aufweist, und dessen Fasern möglichst geradlinig und nicht in Schraubenlinien gedreht erscheinen. Die aus solchen Stämmen nach einem bestimmten System gewonnenen Tafelstücke, aus denen man Böden und Decke der Zither zusammensetzt, müssen zuvor aber lange lagern, um genügend auszutrocknen. Das Gleiche hat mit den zusammengestellten Platten zu geschehen. In Kiendls Fabrik stehen Hunderte und aber Hunderte solcher Lamellen, wie die Bücher einer Bibliothek – wenn auch mit kleinen für den Luftzutritt ausgesparten Zwischenräumen – aneinandergereiht, in den oberen Gestocken der Arbeitsräume. – In ähnlicher Weise wird auch das Fournierholz (Palisander-, Ahorn-, Rosen- oder

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_108.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)