Seite:Die Gartenlaube (1895) 208.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Die Widersacher der Chinesen, die Japaner, erfreuten sich bis vor kurzem der allgemeinen Sympathie der Europäer. Man hatte Gelegenheit genug, junge Japaner zu beobachten, und letztere haben es verstanden, durch ihren Fleiß, ihr höfliches Auftreten und ihre persönliche Liebenswürdigkeit die öffentliche Meinung in hohem Grade für sich einzunehmen. Da brach der Krieg los und nun änderte sich plötzlich die Ansicht des Publikums und man hörte mindestens ebenso viele ungünstige Urteile über die Japaner wie früher günstige.

Thatsächlich war man in der Lobpreisung der Japaner zu weit gegangen. Man hatte vergessen, daß diejenigen von ihnen, welche auf unseren Universitäten studieren, die sich in unsern Fabriken ausbilden, ausschließlich den besten Kreisen des Volkes entnommen sind; die Mehrzahl von ihnen hatten sich bereits daheim als tüchtige Leute bewährt, ehe man sie zur Vollendung ihrer Ausbildung nach Europa schickte. Sie sind gute Repräsentanten der Ersten ihrer Nation, lernt man aber die Japaner in Japan selbst kennen, so bemerkt man wohl, daß den vielen Lichtseiten ihres Charakters auch manche Schattenseiten gegenüber stehen.

Der Hauptfehler des japanischen Charakters ist die große Neigung zur Eitelkeit.

Vielfach und mit Recht hat man die Nachahmungssucht der Japaner getadelt, die von der europäischen Kultur nicht nur das Gute und für sie Zweckmäßige, sondern auch Einrichtungen übernommen hat, die für japanische Verhältnisse nicht passen, oder die überhaupt verkehrt und unschön sind. Man hat z. B. oft bedauert, daß die Japaner der bessern Stände ihre bequeme, geschmackvolle und kleidsame Nationaltracht mit der weniger bequemen und für die japanische Durchschnittsfigur durchaus nicht vorteilhaften europäischen Tracht vertauscht haben. Es wäre indes durchaus verkehrt, hieraus auf eine Verschlechterung des guten japanischen Geschmacks schließen zu wollen; das immer weitere Umsichgreifen des Tragens der europäischen Kleidung ist vielmehr weiter nichts als ein Ausfluß eben jenes Fehlers.

Die Kanonen der Engländer und Franzosen, welche 1863 und 1864 die blühenden Hafenstädte Kagoshima und Shimonoseki in Schutt und Asche legten, belehrten die Japaner nachdrücklich darüber, daß sie keineswegs die erste Nation der Erde seien, wie sie bisher geglaubt hatten, und nunmehr ging ihr ganzes Bestreben dahin, es den Fremden zunächst gleich zu thun und sie dann zu überflügeln. Bei diesem an und für sich anerkennenswerten Streben verfielen sie nun aber auf den Irrtum, Aeußerlichkeiten für das eigentlich Charakteristische der europäischen Kultur zu halten. Daß sie eigentlich das tüchtigste Volk der Erde seien, gilt für sie nach wie vor als feststehend, nur durch ihre jahrtausendelange Isoliertheit, so meinen sie, ist es uns gelungen, sie in dem und jenem zu überflügeln. Wenn sie nun diese Einrichtungen übernehmen und sich dazu gerade so kleiden wie wir, so haben sie uns damit eingeholt und sind uns, dank ihrer sonstigen Tüchtigkeit, wieder um einen kleinen Schritt voraus.

Natürlich denken nicht alle Japaner so, aber die, welche es besser wissen, dürfen es daheim nicht sagen, ohne den sofortigen Verlust ihrer Popularität befürchten zu müssen, ganz wie bei unsern Nachbarn jenseit des Rheines.

Die gegenwärtig wieder stärker hervortretende Feindschaft der Japaner, gegen die Europäer ist sehr bedauerlich und kann für Japan die bedenklichsten Folgen nach sich ziehen, aber unerklärlich und völlig ungerechtfertigt ist sie nicht; das lehrt die Geschichte der letzten Jahrzehnte. Die Handelsverträge, die den Japanern sehr gegen ihren Willen aufgezwungen wurden, kommen, wenn man der Wahrheit die Ehre geben will, mehr den Fremden als den Japanern zu gute, und in der äußern Politik ist man ihnen überall hindernd in den Weg getreten. Europäische Einflüsse waren es, die die Chinesen im Jahre 1874 aufgestachelt haben, den Japanern auf Formosa entgegenzutreten und ihnen die Frucht ihrer Mühen zu rauben, Europäer sind es wiederum, die sich jetzt ungebeten in den Streit zwischen Japan und China einmengen möchten, um Japan um den Preis des Sieges zu bringen und vor allen Dingen selbst einen Profit dabei zu machen.

Den Fehlern im Nationalcharakter der Japaner stehen aber viele sympathische Eigenschaften und große Tugenden gegenüber, Tugenden, welche wohl geeignet erscheinen, ihre Fehler vergessen zu lassen und den Japanern unsere warme Zuneigung zuzuwenden.

Die Japaner von heute sind ein fröhliches und lebenslustiges, gutmütiges und gastfreies Volk, leicht erglüht für etwas, was sie als schön und edel erkannt haben. Sie sind in religiöser Beziehung tolerant, lieben ihr schönes Vaterland von ganzem Herzen und sind bereit, alles dafür zu opfern. Sie sind eine tapfere, waffenfreudige Nation von ritterlicher Gesinnung und ihre Intelligenz und Bildung weisen ihnen die erste Stellung unter den Nationen des Ostens an.

Es hat allen Anschein, als ob die Menschheit von ihnen noch etwas zu erwarten hätte, und so können wir uns ihres Erfolges nur freuen und ihnen einen baldigen ruhmvollen und vorteilhaften Frieden wünschen.


Das Butteraroma.

An vielen Nahrungs- und Genußmitteln des Menschen haftet ein flüchtiger Stoff, der ihnen erst einen höheren Wert verleiht – ein Stoff, der unseren Geschmacks-und Geruchssinn erregt und diesen oft so zu schmeicheln weiß, daß er zu einem Tyrannen wird und den Marktwert der Ware bestimmt. Wir begegnen diesem Dufte zumeist an Erzeugnissen, die auf dem Wege der Gährung, oder Röstung bereitet werden; er lockt uns verführerisch im Kaffee und Thee, er mildert den Rauch des Tabakblattes, er berückt unsere Sinne in gutem Weine und er fehlt auch nicht in der Zukost, die unser täglich Brot schmackhafter macht: in der Butter.

Die Butterhändler wissen wohl, wie sehr sie sich nach dem Geschmack ihrer Kunden richten müssen. Es genügt nicht, wenn sie nur gute unverfälschte Butter auf einen bestimmten Markt bringen, die Butter muß auch von einem gewissen Geschmack sein. Es kommt dabei Verschiedenes in Betracht.

In Süddeutschland, in Oesterreich und in der Schweiz wird ungesalzene Butter verlangt, der Norddeutsche würde diese als zu schal, zurückweisen der eine giebt der Butter aus süßem Rahme den Vorzug, der andere wählt Butter aus saurem Rahme; der eine achtet darauf, ob die Butter einen „Nußgeschmack“ besitzt, der andere fahndet nach dem „Buttergeruch“, der sich nur empfinden, aber nicht beschreiben läßt.

So spielt das Aroma der Butter eine hervorragende Rolle, und man hat eine ganze Reche von „Butterfehlern“ herausgeschmeckt, die zumeist von den Veränderungen der flüchtigen duftenden Stoffe in der Butter abhängen.

Die Butter kann speckig und talgig, schmecken, sie kann ölig werden und dieser Geschmack sich selbst zu einem widerlichen fischigen oder thranigen steigern; unerwünscht ist in ihr der Futtergeschmack, der von gewissen Futtermitteln, namentlich von Kohlrüben und Runkelrüben, herrühren soll; man tadelt die käsige, saure, bittere und ranzige Butter; man spricht von einem Stallgeschmack, der an Kuhmist und Stallluft erinnert; man schmeckt in der Butter ein nachlässiges Auswaschen der Milchgefäße mit Seife, heraus, ebenso ein ungeeignetes Holz der Faßdauben, zwischen denen die Butter aufbewahrt war, oder frisch mit Oelfarbe angestrichene Milchgeräte.

Wie entsteht nun das natürliche gute Aroma der Butter; wie kann man es sicher erzeugen und erhalten? Wenn wir auf diese Fragen Antwort geben wollen, so betreten wir ein in wissenschaftlicher Hinsicht noch ziemlich dunkles, aber um so interessanteres Gebiet.

Wir müssen zunächst hervorheben, daß Butter aus süßem Rahme fast gar kein Aroma besitzt, sie zeichnet sich durch einen milden, völlig reinen, nahezu indifferenten oder unbestimmten Geschmack aus. Eine Ausnahme macht nur die sogenannte Pariser und die Petersburger Butter. Es sind dies zwei im Handel sehr beliebte Sorten, die sich durch ihre Haltbarkeit auszeichnen. Sie haben einen leichten Beigeschmack nach gekochter Milch, was davon herrührt, daß der süße Rahm, aus dem man diese Butter bereitet, bis auf die Siedehitze des Wassers erwärmt, rasch abgekühlt und dann in gewöhnlicher Weise verbuttert wird.

Ein ausgesprochenes Aroma bildet die Eigenschaft einer aus gesäuertem Stoffe bereiteten Butter. Woraus es besteht, das wissen die Chemiker nicht; ist es in, einem Alkohol oder einem zusammengesetzten Aether oder in einem Gemenge von flüchtigen Fettsäuren zu suchen? Leider sind die Mengen des aromatischen Bestandteils in einem Butterfasse so geringfügig, daß sie sich nicht rein darstellen und chemisch untersuchen lassen.

Wir wissen aber wenigstens, wie der Duft in die Butter gelangt. Er ist eine Folge der Gährung, und diese wird durch Bakterien in der Milch eingeleitet. Wenn nun süße Mich sauer wird, so ist das nicht immer das Verdienst einer einzigen Bakterienart. Man hat eine ganze Anzahl verschiedenartiger stäbchenförmiger Gebilde kennengelernt, welchen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_208.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)