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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

langsam. Während der 40 Jahre, die Herr Sperry in Calavéras verbracht hat, ist die Rinde nur wenige Zoll über solche Brandwunden gewachsen; aber an manchen Bäumen sind diese doch schon ganz geschlossen. Dagegen gähnen an anderen Baumriesen große schwarze Brandlöcher, und viele Bäume sind bis ins Mark ganz jämmerlich ausgebrannt.

„Der Vater des Waldes“.

Daß die Mammutbäume im Aussterben begriffen sind, wie schon öfters behauptet wurde, ist ein verzeihlicher Irrtum, der dadurch entstanden ist, daß man sowohl im Mariposa- wie im Calavéras-Hain fast gar keine jungen Sequoias gewahrt. Die ganz kleinen Bäume sehen von den herangewachsenen so verschieden aus, daß man sie nur schwer unter den jungen Fichten und Cedern zu erkennen vermag. Dennoch giebt es im Calavéras-Hain nahezu hundert junge Sequoias von 10 bis 40 Fuß Höhe, von denen ich aber nicht mehr als ein halbes Dutzend zu entdecken vermochte. Die Zweige der jungen Bäume reichen fast bis an den Boden und fallen später ab, und erst nach einigen hundert Jahren nehmen die Stämme die gewaltige Säulenform und rotbraune Färbung an, die sie vor allen anderen Bäumen auszeichnen.

Die Hauptursache, weshalb im Verhältnis zu den anderen Bäumen so wenige junge Sequoias zu finden sind, ist wohl die, daß der Boden in diesen Hainen mit abgefallenen Zweigen, Nadeln und Laubwerk tief bedeckt ist, in welchem der Samen der Sequoias nicht gut keimen kann. Die jungen Bäume und Bäumchen findet man nur dort, wo der Boden schwarz und feucht und ziemlich rein ist. Im Süd-Hain brannte vor einigen Jahren eine mit Buschwerk dicht bestandene Bodenstrecke ab, und es wurden die Blätter dort gründlich zerstört. Dort sproßte bald eine Menge junger Sequoias empor, so dicht wie die Fichten anderswo. Im Calavéras-Hain giebt es 93 alte Sequoias, von denen 10 eine Dicke von 30 und mehr als 70 eine Dicke von 15 bis 25 Fuß und darüber haben. Während im Mariposa-Hain die Kronen der meisten Mammutbäume durch Stürme arg beschädigt wurden, ist dies im Calavéras-Hain fast gar nicht der Fall, was seinen Grund in der mehr geschützten Lage dieses Haines in einer Thalsenkung zwischen dem Stanislaus- und dem San Antonioflusse hat.

Die frischen grünen und ganz festen Samenzapfen der Sequoias findet man im Sommer tagtäglich unter den Bäumen liegen. Sie sind merkwürdig klein, von der Größe von Walnüssen bis doppelt oder dreifach so groß, aber mehr länglich. Neben den anderthalb Fuß langen weit geöffneten Riesenzapfen der Zuckerfichten, die massenhaft überall am Boden liegen, sehen die Zapfen der Sequoias zwerghaft aus. Sie werden, wenn der Wind sie nicht abweht, von Eichhörnchen oben an den Aesten abgebissen, und diese Tierchen nagen dieselben dann am Boden an und naschen von dem Samen, den sie sehr lieben. Die abgefallenen grünen Zapfen trocknen und öffnen sich in etwa vierzehn Tagen, und es fallen dann die Samenblättchen, die etwa so groß wie Leinsamen sind, mit 1/10 kleineren Keimen darin, von selbst heraus. Ich habe mir durch Sammeln und Trocknen der Zapfen Samen genug für einen kleinen Urwald verschafft. In früheren Jahren bezahlten die Engländer Herrn Sperry 50 Dollars für ein Pfund dieses Samens, und jener trocknete die Zapfen massenweise auf Tuchgestellen beim Feuer. Jetzt hat dieser Handel fast ganz aufgehört, denn es giebt in England bereits eine Menge von jungen Sequoias oder Wellingtonias, wie unsere transatlantischen Vettern diese Bäume weiter zu nennen belieben. In den Grafschaften Kent, Devon, Gloucester und Sussex gedeihen dieselben ausgezeichnet. Auch in Kalifornien wurden mit Erfolg in verschiedenen Baumschulen Sequoias aus Samen gezogen. Die Riesenbäume waren schon zur Tertiärzeit vorhanden. Es befinden sich Versteinerungen ihrer Zweige und Zapfen im Britishen Museum, und man hat solche auch im Calavéras-Hain gefunden.

Der Pavillon im Calavéras-Hain.

Ich bitte nunmehr den Leser, mich im Geiste auf einem Spaziergang durch den Calavéras-Hain zu begleiten, der etwa fünfzig Acker bedeckt. Wir treten durch das Thor eines weißen Gitterzaunes auf seinen offenen grünen Vorhof, und ein aus brauner Borke gebildeter Pfad führt uns bereits nach hundert Schritten an den Saum des Waldes, wo ein halbes Dutzend rotbrauner Baumkolosse in zwei Gruppen zwischen prächtigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_229.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)