Seite:Die Gartenlaube (1895) 292.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Solferinoblusen und die ultramarinblauen Seidenkleider mit dem Bewußtsein höchster Besonderheit zu tragen.

Dann kam mit den siebziger Jahren der große Umschwung, die „Wiederbelebung der Renaissance“ mit ihren tiefen Purpurtönen, mit dem tausendfach gebrochenen Olivengrün und dem wundervollen Altgold, es kam die Kenntnis der japanischen Farbenharmonien, und nun entstanden unter Mitwirkung der großen Künstler Zusammenstimmungen von Tönen, wie sie reizvoller nicht gedacht werden können. Man legte Gewerbemuseen an mit den schönsten abend- und morgenländischen Vorbildern, um die neue Wissenschaft der Farbenwirkung zum Gemeingut zu machen, die Musterzeichner sollten sich dort immer wieder Anregung zu neuen Gedanken holen – ein Rückfall in rohe Geschmacklosigkeit schien hiermit für immer unmöglich gemacht, und in den letzten 2 Jahrzehnten hatte die Frauenwelt Farben zur Verfügung wie in keinem früheren Zeitalter. Und heute? .… Seit vorigem Herbst hängen wieder als Neuestes und Feinstes in den Fenstern der Modemagazine die alten schreienden Farben, Solferinorot, Magentarot, Knallblau und -violett, entsetzliche Gespenster, vor deren Anblick einem völlig grausen kann! Und wer sich heute da hineinkleidet, der hat nicht die Entschuldigung der Unwissenheit wie die Krinolinedamen von 1860. Welche Nuancenfülle bieten zudem nicht heutzutage gerade die Anilinfarben unserer fortgeschrittenen chemischen Industrie dem wählenden Geschmack! Man fragt sich bei solchem Anblick: Soll denn wirklich alle Geschmacksverfeinerung der letzten 20 Jahre umsonst gewesen sein, soll in Ewigkeit das schönste Alte dem elendesten Neuen weichen müssen, einzig weil dieses eben neu ist und die Mode es so will?

Nun, ganz so schlimm ist es nicht gekommen. Allerdings hängen auch in diesem Frühjahr die grellsten roten und blaue Stoffe aus, aber andere in gebrochenen Farben daneben, und trotz des Anpreisens der Verkäufer sieht man die ersteren nur vereinzelt in Gesellschaft und auf der Straße erscheinen. Offenbar giebt es in Deutschland noch recht, recht viele Mädchen und Frauen von selbständigem Geschmack, die ihr Kleid nach dem Gesicht wählen und, wenigstens eine Zeit lang, dem häßlichen Neuen zu widerstehen vermögen. Ihre Zahl zu vermehren, ist der Zweck dieser Zeilen. Noch eine Saison Enthaltsamkeit, und die Gefahr ist vorüber, die schreienden Farben gehören zu den „Abgelehnten“ und verschwinden wieder, wie vor einigen Jahren erst das Empirekleid und dann der neu versuchte Reifrock in der Stille verschwunden sind.

Mag nach der Zeit der „verschossenen“ Farben wieder eine farbenfreudig kräftige kommen – wohl und gut! Aber die erste Frage bei der Entscheidung darüber muß bleiben: Was steht und was steht nicht? Und die deutsche Frauenwelt besitzt jetzt ästhetische Bildung genug, um hierauf die Antwort selbst zu finden! Bn.     

Von den bösen Mäusen. Seit Professor Löffler in der künstlichen Verbreitung des Mäusetyphus ein Mittel gefunden hat, die gefräßigen Gäste des Feldes in Massen zu vertilgen, ist vielerorts die Plage, unter der vorher die Landleute geseufzt hatten, verschwunden oder doch erleichtert. Welch großes Verdienst der Greifswalder Professor sich mit seiner Entdeckung erworben hat, das wurde uns neuerdings wieder nahegelegt durch eine Schilderung aus Nordfriesland, in der besonders auseinandergesetzt wurde, wie grimmig die kleinen Feinde vor einem Jahr dort in den Bohnenäckern hausten. Infolge der großen Verluste ist man damals dort auf das Auskunftsmittel verfallen, den Mäusen ihre widerrechtlich angeeignete Beute wieder abzunehmen.

Schon während oder wenigstens gleich nach der Räumung des Ackers, so erzählt unser Gewährsmann, gingen nämlich die Arbeiter auf das Bohnengraben aus. Spaten und Sack sind die beiden dabei notwendigen Dinge; ersterer bildet die Wünschelrute, um die verborgenen Schätze zu heben, letzterer den Behälter, der die gehobenen aufnimmt. Die Mäuse schwelgen keineswegs bloß im Genuß des Augenblicks. In kluger Voraussicht legen sie in der Erde Vorratskammern für den Winter an. Sie gehen dabei manchmal mit einer Schlauheit zu Werke, die der Mensch bewundern muß. Wiederholt entdeckten kundige Arbeiter mit scharfem Auge die unterirdischen Speicher an ganz abgelegenen und daher unverdächtigen Stellen. Die kleinen Tierpfade führten aus dem Bohnenfeld hinweg, unten durch einen mit Wasser gefüllten Graben auf den zweiten oder dritten Acker. In der Regel freilich bauen sie die Höhlen an Ort und Stelle, am liebsten da, wo das Erdreich einige Festigkeit besitzt, wie an Gräben, Wegen und Fußsteigen. Immer bewiesen sie großen Fleiß und eine unermüdliche Ausdauer.

Wie viele Hin- und Rückwege mögen notwendig gewesen sein, um eine Vorratskammer mittlerer Größe anzufüllen! Eine solche birgt etwa 2 bis 3 Liter Bohnen. Manche enthält auch einen halben Scheffel (ein schleswig-holsteinischer Scheffel hat reichlich 17 Liter). Man hat sogar in einer einzigen Kammer einen vollen Scheffel gefunden. Und diese Kammern bestehen nicht bloß hin und wieder. Die Mäuse wohnen meist familienweise beisammen. In einer solchen Kolonie, die eine Fläche von 2 bis 3 Quadratmetern und noch mehr umfaßt, gähnt ein Eingang neben dem andern, kaum spannenweit auseinander. Eine Mäusekolonie reiht sich an die andere und jede enthält einen oder mehrere Speicher! Die Arbeiter und deren Kinder bringen daher reiche Funde nach Haus, stets mehrere Scheffel täglich. Die ausgegrabene Frucht bildete im ersten Teil der Sammelzeit eine Ware von vorzüglicher Güte, denn mit peinlichster Sorgfalt geordnet liegen die Bohnen schichtweise in der Kammer neben- und übereinander, und es sind nicht die schlechtesten, Auswahl war ja genug vorhanden. Die zunehmende Bodenfeuchtigkeit wirkte hernach schädigend ein, so daß die gefundenen Hülsenfrüchte für längere Aufbewahrung untauglich wurden.

Es ist zu hoffen, daß der Fortschritt der Wissenschaft in Zukunft eine derartige „Mäuseplage“ nicht mehr aufkommen lasse. Das Jahr 1894 hat indes die Schäden seines jüngsten Vorgängers reichlich gedeckt und den Landwirt wiederum mit Vertrauen zu seiner Scholle erfüllt. Möge er dieses festhalten im Kampfe mit den widerstreitenden Interessen des Tags: Selbstvertrauen ziert den Mann und segnet das Werk!

Die Accumulatoren-Straßenbahn zu Hagen i. W. In dem Aufsatz „Der Accumulator“ in Nr. 6 des lauf. Jahrgangs der „Gartenlaube“ ist bereits erwähnt worden, daß man sich in Berlin mit Versuchen behufs Erprobung des Accumulatoren-Betriebes für Straßenbahnen ernstlich befaßt. Diese Versuche haben in diesen Tagen ihren vorläufigen Abschluß erhalten. Vorher aber schon ist zu Hagen i. W. die erste Accumulatoren-Straßenbahn Deutschlands dem Betrieb übergeben worden. Dank den energischen Bemühungen der Accumulatorenfabrik, Akt.-Ges., zu Hagen ist es bei der Ausführung dieser Bahn fast vollständig gelungen, die vielen den amerikanischen Einrichtungen ähnlicher Art anhaftenden Mängel mit Geschick zu vermeiden. Der durch die Gesellschaft vorzugsweise und eigens für Zugbeförderungszwecke erbaute Accumulator ist der Kupfer-Zink-Accumulator nach dem System Waddel-Entz, dessen Gewicht sich zum Gewichte des Blei-Accumulators wie 0,55:1 verhält. Die Konstruktion des Accumulators ist folgende. In einem Stahlblechgefäße sind 6 positive und 7 negative Elektroden angeordnet. Die positiven Elektroden bestehen aus Kupferdrahtspiralen, auf welche durch eine besondere Fabrikationsmethode Kupferoxyd in einem Kupferdrahtgespinst eingebracht ist. Jede Platte erhält eine Baumwollenumhüllung. Die negativen Elektroden bestehen aus Stahlblech. Das Elektrolyt ist Zink-Alkali-Lauge. Die Wagen sind in normaler Größe für 12 Sitz- und 11 Stehplätze eingerichtet, die Motoren für 15 Pferdestärken normaler Leistung gebaut. Jeder Wagen enthält 2 Batterieträger zu je 44 Elementen, welche von der Stirnseite unter die Wagensitze eingeschoben werden. Die verschiedenen Geschwindigkeiten werden durch besondere Schaltungen ohne Energieverlust reguliert. Die zunächst betriebene Strecke war 3,13 km lang, die neue Strecke Hagen-Eckesey mit 2,84 km gelangte zum 1. April in Betrieb. Die schärfste Krümmung beträgt 15 m Radius, die größte Steigung 1:25, die maximale Geschwindigkeit 12 km in der Stunde. Eine einzelne Ladung reicht für mehr als 30 km. Die Wagen fahren zur Auswechslung der entladenen Accumulatoren gegen geladene vor eine Schiebebühne und werden dort binnen 5 Minuten durch Handkurbeln mit neuen Accumulatoren im Umtausch gegen die alten versehen. Zur Bedienung genügt ein Mann. In Hagen findet die Ladung in der Kraftanlage des Werkes statt; wäre solche zu anderen Zwecken nicht vorhanden, so würde eine Dynamomaschine von 20 Pferdekräften mit Kesseln und entsprechender Reserve genügen. P. Kurgaß.     


KLEINER BRIEFKASTEN.


(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

H. H. u. C. M. W. Sch., Schönau, Kr. Schlochau. Die uns übersandten 4 Mark 50 Pf. als Beitrag für die Hinterbliebenen der auf der „Elbe“ Verunglückten haben wir der Sammelstelle des Leipziger Tageblattes übergeben.

Skatclub, Café Schelling-München. Ein Null ouvert forcé auch „Revolution“ genannt, ist eine übliche Spielweise, wonach auch die Gegner ihre Karten zwar nicht vertauschen, aber aufdecken und sich untereinander über die Spielführung beraten können. In Mitteldeutschland, der Heimat des Skatspiels, ist sie nur an wenigen Orten vor vielen Jahren aufgetaucht, aber längst wieder der verdienten Vergessenheit anheimgefallen.


Inhalt: Haus Beetzen. Roman von W. Heimburg. (3. Fortsetzung). S. 277. – Fröhliche Gäste. Bild. S. 277. – Tiroler „Schwabenkinder“. Von Arthur Achleitner. S. 282. Mit Abbildungen S. 281 und 283. – Die Gebärdensprache der Süditaliener. Von Woldemar Kaden. S. 284. Mit Illustrationen S. 285. – Schwester Brigitte. Novelle von Otto von Leitgeb (1. Fortsetzung). S. 288. – Wiegenlied. Gedicht von Albert Träger. Mit Bild. S. 289. – Blätter und Blüten: Eine Geschmacksfrage. S. 291. – Von den bösen Mäusen. S. 292. – Die Accumulatoren-Straßenbahn zu Hagen i. W. S. 292. – Kleiner Briefkasten. S. 292. – Zur Wiederaufrichtung des Denkmals für Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland. Quittung. S. 292.



Zur Wiederaufrichtung des Denkmals für Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland.

Der poetische Aufruf der „Gartenlaube“ zu Beisteuern für die Wiederaufrichtung des durch eine Sturmflut im Monat Februar 1894 umgestürzten Hoffmann von Fallersleben-Denkmals auf Helgoland hat erfreulichen Erfolg gehabt. Wir verzeichnen nachstehend mit unserm Dank die seit der Veröffentlichung des Aufrufs in Nr. 26 des Jahrgangs 1894 der „Gartenlaube“ eingegangenen Beiträge:

Von Herm. Benster in Stadtsulza Mk. 3; Anton Triacca in Mayen Mk. 10; Joh. Junker in Crefeld Mk. 10; Eduard Bringmann in Elberfeld Mk. 20; Buchhändler H. Forck in Biebrich a. Rh. Mk. 3; Freiherrn v. Lipperheide in Berlin Mk. 50; Julius Reusch auf Gut Idylle bei Kruft Mk. 100; v. Winckel in München Mk. 10; C. O. in Grottau in Böhmen Mk. 2; C. Breithaupt in Berlin Mk. 10; G. v. Mewissen in Köln Mk. 50; F. W. R. in Neuwied Mk. 3; H. Wessel in Hannover Mk. 5; Ludwig Inhorn in Osnabrück Mk. 2.50; Carl Wessel daselbst Mk. 2.50; dem Kriegerverein in Herrstein Mk. 3; Geh. Kommerzienrat Barr in Bochum Mk. 30; Kommerzienrat G. Selve in Altena Mk. 100; dem kgl. Bibliothekar Dr. Carl Theodor Gaedertz in Berlin Mk. 3; Wilh. Braun in Hersfeld gesammelt bei einer Taufe Mk. 9; Lehrer F. Mehlhorn in Leutzsch für den Gemeinnützigen Verein daselbst Mk. 5; Georg Grosser in Ohlau Mk. 20; R. S. in T. Mk. 5; Rentner Wilh. Grevel in Düsseldorf Mk. 10; Emil Schött in Rheydt Mk. 20; Dr. Schwetzschke in Berlin Mk. 5; Redakteur Dr. Max Oberbreyer in Leipzig, eingesandt von Helgoland Mk. 3; Ferd. Ressel in Rückersdorf bei Friedland Mk. 4.91 (mehrere Deutsch-Nationale an der Reichenberger Handelsschule); Willy Brandes in Hannover Mk. 5; Dr. Gensel in Leipzig Mk. 10; Geh. Finanzrat H. O. Hoffmann in Koburg Mk. 15; E. Heusinger in Braunschweig Mk. 3; Hupfeld-Stegemöller in Kassel gesammelt Mk. 29; Reinertrag aus einer von dem Helgoländer Dilettantenverein veranstalteten Theatervorstellung Mk. 101.75. Summa: Mk. 662.66.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_292.jpg&oldid=- (Version vom 1.2.2024)