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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

bei + 20° C. kann 1 cbm Luft bereits 17,2 g Wasserdampf aufnehmen. Kühlen wir nun 1 cbm 20° C. warmer mit Wasser gesättigter Luft auf 15° C. ab! Was wird alsdann geschehen? Die kälter gewordene Luft wird nicht mehr 17,2 g, sondern nur 12,8 g Wasserdampf behalten können und 4,4 g Wasser werden aus ihr in tropfbar flüssiger Form ausgeschieden. Führen wir diesen Versuch in einer verschlossenen Flasche aus, so sehen wir, daß das überschüssig gewordene Wasser nicht etwa in Form eines Regens auf den Boden niederfällt, sondern sich an den Wänden der Flasche oben und unten niedersetzt, das ganze Innere der Flasche wie mit Tautropfen beschlägt. Wir erfehen daraus, daß das Wasser bei seinem Uebergang aus dem gasigen in tropfbar flüssigen Zustand sich mit Vorliebe auf feste Körper niederläßt. Demselben Gesetze folgt auch das Wasser in der Atmosphäre, auch dort schlägt es sich an festen Körpern nieder. Das klingt beim ersten Anschein unglaublich, denn Hunderte und Tausende von Metern über der Erde giebt es nur Luft, also nur gasige Körper. Mit nichten! In der Luft ist überall Staub vorhanden, überall in ihr, selbst über den höchsten Bergen schweben unendlich viel kleine und kleinste Staubteilchen. In einem Kubikmeter der reinsten Luft, die man bis jetzt auf Bergeshöhen untersucht hat, sind noch Millionen solcher Staubteilchen enthalten. Wir erinnern die Leser der „Gartenlaube“ an die nähere Darlegung der „Rolle des Staubes in der Natur“ im vorigen Jahrgang, S. 192 u. f.

Nehmen wir nun an, daß ein 20° C. warmer mit Wasserdampf gesättigter Luftstrom von der Erde emporsteigt und in den oberen Regionen sich um einige Grade abkühlt! Der überschüssige Wasserdampf wird sich verdichten, ausscheiden müssen und diese Ausscheidung vollzieht sich an der Oberfläche der zahllosen Staubteilchen, die immer in der Luft schweben; nun ist jedes dieser Teilchen mit einer Wasserschicht überzogen und so sind zahllose Wasserkügelchen entstanden, deren Kern stets aus einem Staubteilchen besteht. Diese Anhäufung von Wassertröpfchen erscheint uns, wenn wir sie aus der Ferne betrachten, als Wolke und als Nebel, wenn wir uns mitten in ihr befinden.

Je nach der Menge des Wassers, die sich um den Staubkern niederschlagen konnte, sind diese Tröpfchen bald größer, bald kleiner. Sie sind natürlich schwerer als die Luft und haben an sich das Bestreben, zu fallen, aber die kleineren von ihnen sind ein Spiel jedes Lufthauchs, von dem sie ähnlich wie die Sonnenstäubchen in unseren Zimmern emporgewirbelt werden können. Kommen nun diese Gebilde in wärmere oder trockenere Luftschichten, so kann das Wasser wieder verdunsten und die Wolke löst sich auf, verschwindet, wie wir das so oft an heiteren warmen Tagen am Himmelszelt beobachten können. Nimmt aber die Abkühlung zu, dann schlagen sich auf den Stäubchen immer größere Mengen Wasser nieder; diese größeren Tröpfchen fallen nun rascher, treffen auf andere, mit denen sie sich vereinigen, und gelangen schließlich als Regen auf die Erde.

Nachdem wir diese Bemerkungen über das Wesen der Wolken und des Regens vorausgeschickt haben, wollen wir nun untersuchen, welche Vorgänge in der Atmosphäre zur Entstehung des Regens führen.

Die erste und bei weitem wichtigste Ursache der Regen sind ansteigende Luftströme, weil dieselben stets mit einer Abkühlung der Luft verknüpft sind. Während die Luft emporsteigt, dehnt sie sich aus und verbraucht Wärme. Man hat berechnet, daß die infolge dessen eintretende Abkühlung der Luft für je 100 m Erhebung fast 1° C. beträgt. Es wird also ein aufsteigender Luftstrom, der an der Oberfläche der Erde 20° C. Wärme aufwies, in einer Höhe von 500 m mit einer Temperatur von etwa 15° C. anlangen und, falls er mit Feuchtigkeit gesättigt war, zu Wolkenbildung und auch Regenfall Anlaß geben können.

Solche aufsteigende Luftströme entstehen z. B. an windstillen Tagen infolge der Erwärmung der Luft durch Sonnenstrahlen; sie erheben sich nahezu senkrecht über der Erde und sind in der That die Ursache örtlicher Regen am Nachmittag in vielen Gegenden der heißen Zone und in manchen Thälern mittlerer Breiten.

Ferner beobachtet man ansteigende Luftströme in Cyklonen, also Wirbelwinden, selbst wenn dieselben nur äußerst schwach sind und nicht im entferntesten an einen Wirbelsturm erinnern. Viele Gegenden der gemäßigten und heißen Zone verdanken ihre ergiebigsten Regen dieser Ursache.

Schließlich entstehen ansteigende Luftströme, wenn eine wagerechte Luftströmung eine Bergkette trifft und an dieser sich staut und dann emporwälzt. Die Regen, welche durch diese Ursache entstehen, sind oft sehr ergiebig und die regenreichsten Orte der Erde befinden sich auf einem Bergabhange oder am Fuße eines Abhanges, welcher gegen ein wärmeres Meer gekehrt ist.

Außerdem kann Regen bei der Mischung von zwei Luftströmen, die beide ganz oder fast ganz gesättigt sind, aber verschiedene Temperatur haben, entstehen. Der berühmte Meteorolog Woeikoff stellt für diese Art Regenbildung die folgende Berechnung auf: es seien zwei Luftmassen vorhanden, beide 1000 m mächtig und mit Wasserdampf gesättigt, die eine habe eine Temperatur oben 20°, unten 25°, die andere oben 5°, unten 10°. Die mittlere Temperatur der Mischung wird etwa 16° betragen und es wird ein Niederschlag von 0,45 mm dabei entstehen, d. h. es werden 0,45 kg Wasser auf 1 qm Fläche fallen. Dauert aber der kalte Luftstrom fort, d. h. werden immer neue kalte Luftmassen zugeführt, bis die gesamte Luftmasse sich auf 7,5° abgekühlt hat, dann entsteht ein Niederschlag von 11,9 mm; dabei müßte sich jedoch jeder Kubikmeter warmer Luft mit 405 cbm kalter mischen! Also können wohl bedeutende Wassermassen bei der Mischung gesättigter Luftströme fallen, aber es ist eine lange Zeit dazu nötig. Selbst im Winter fallen die ergiebigeren Regen bei Cyklonen, während die Mischung der Luft verschiedener Temperatur feine, sogenannte Nebelregen ergiebt.

Wenden wir uns jetzt der Betrachtung der künstlichen Erzeugung des Regens zu! Auf Erfolg könnte man selbstverständlich nur bei denjenigen rechnen, welche die natürlichen Ursachen der Regenbildung zu ersetzen vermögen.

In jüngster Zeit wurde diese Frage am lebhaftesten in Nordamerika erörtert und Alexander Macfarlane, Professor der Physik an der Universität Texas, hat infolgedessen einen höchst interessanten Vortrag über das „Regenmachen in Amerika“ gehalten, in welchem die verschiedenen in Vorschlag gebrachten Methoden näher beschrieben wurden. Wir stützen uns im Nachfolgenden auf die Angaben des Vortrages, der auch in deutschen meteorologischen Zeitschriften veröffentlicht wurde.

Da finden wir zunächst Vorschläge, welche darauf ausgehen, aufsteigende Luftströme zu erzeugen. Zweifellos sind dieselben in ihrem grundsätzlichen Kern richtig, denn das Emporsteigen der Luft ist ja eine der wichtigsten Regenursachen. Es ist nur die Frage, ob unsere Kraftmittel genügen, um solche Ströme in genügender Mächtigkeit zu erzeugen. In erster Linie empfahl man zu diesem Zwecke, große Feuer anzuzünden, und zu Anfang dieses Jahrhunderts trat der amerikanische Professor Espy für diese Art der Regenerzeugung mit vieler Wärme ein. Nebenbei gesagt, war dieser Kunstgriff schon damals nicht neu; denn viele Naturvölker waren gleichfalls seit undenkbarer Zeit der Ansicht, daß man durch große Feuer Regenwolken herbeilocken könne, während allerdings andere Naturvölker dasselbe Mittel zum Zerteilen und Verscheuchen der Regenwolken bei übermäßigem Regen empfahlen. Wenn man verschiedenen Berichten aus älterer Zeit Glauben schenken will, so soll es in der That in einigen Fällen durch Anzünden von trockenen Rohrdickichten gelungen sein, Gewitter herbeizuführen. Als Vorbedingungen, unter denen das Experiment zutraf, werden heiße, schwüle und windstille Tage angegeben. An solchen Tagen ist nun die Luft der unteren Schichten stark mit Feuchtigkeit beladen und kann, wie wir bereits erwähnt haben, sehr wohl örtliche Regen erzeugen, sobald sie emporsteigt. Im Jahrgang 1879 der „Gartenlaube“ (S. 537) sind einige solcher Kunstregen, die Kapitän Mackay in Florida gemacht hat, beschrieben. Wir wollen nicht rechten, wieviel zu jenen Regengüssen die Sonne und wieviel das von Menschenhand angefachte Feuer beigetragen hat, soviel steht jedoch fest, daß dieses Mittel nur unter seltenen Umständen sich nützlich erweisen könnte. Riesenfeuer entstehen oft durch Zufall. Namentlich zu Zeiten der Dürre pflegen Dörfer und Wälder zu brennen, die Erfahrung lehrt aber, daß durch diese Brände kein Regen hervorgerufen wird; die Dürre dauert fort, bis in dem Zustand der Atmosphäre ein Umschwung erfolgt. Im Kulturlande, wo man keine Rohrdickichte oder Urwaldstücke abbrennen kann, würde dieses Mittel außerdem auch sehr kostspielig werden. Man müßte Kohlen in ungeheuren Mengen verfeuern.

Man hat die ansteigenden Luftströme auch in der Weise nachmachen wollen, daß man vorschlug, an der Spitze eines hohen Turmes ein Luftrohr zu befestigen, das bis zur Erde hinabreichte. Dann sollte man durch Zubläser oder Ventilatoren die Luft aus der Tiefe in die Höhe treiben. Sollte diese Maschinerie irgend

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_386.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2021)