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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


‚Nein. Ich weiß nur, daß sie eine Schönheit ersten Ranges ist.‘

Es mag ja sein, daß sie angenehm zu ‚sehen‘ ist, diese Miß Perth – zu ‚hören‘ ist sie schrecklich!

Zur Feier meiner völligen Genesung will Mama ein Fest veranstalten, sie läßt es sich nicht nehmen – ein musikalischer Abend mit nachfolgendem Souper und Tanz! Ich muß mich fügen, gewiß, Ditscha, ich höre auch Dein ‚Man kann ja nicht nur immer das thun, was einem Freude macht, mein Jung’‘ – das ist richtig, und ich habe Mama sogar mit einigen neuen Kotillontouren in Entzücken versetzt, denn für gewöhnlich geht es leidlich einfach her, dafür sorgt der Stiefpapa, der einzuteilen versteht.

Im großen ganzen, Ditscha, wie dankbar will ich sein, wenn mein Wagen erst vor der Freitreppe in Beetzen hält und ich Dich und mein altes geliebtes Haus wieder habe, um mich weder von der einen noch dem andern je wieder zu trennen. Sage dem guten Onkel, noch immer hätte ich mich nicht verliebt, er muß noch lange leben, bevor er meine künftige Gattin einziehen sehen kann. Ich gebe mir vorläufig auch keine Mühe, mein Haus ist so gut versorgt, gelt Ditscha? Und die Freiheit ist so süß mit dreiundzwanzig Jahren! Ich lebe ja jetzt erst auf, wo ich so gesund bin wie andere Menschen und die Lungen sich von der Krankheit gänzlich befreit haben – die ich mir infolge des Jungenstreichs, damals, Weihnachten – wir verstehen uns, geholt hatte. Und wer ist schuld daran, daß ich leben kann wie andere junge Männer – tanzen, reiten, turnen? Meine Mutter Ditscha ist’s!

Lebe wohl für heute, tröste Onkel über meine Dickköpfigkeit im Punkte der Heiratsfrage; lebe wohl und sei geküßt von Deinem

Joachim.“ 

Ditscha sieht ganz gerührt aus, als sie geendet, und ganz rot über das Lob. Der alte Mann lächelt auch. „Na, seine Mutter soll ihm auch gerad’ keine verschaffen,“ nickt er; „soll keine moderne Zierpuppe sein, soll ein ganzer Kerl sein, die er heiratet, so wie Du, Sophie, so wie Du! Uebrigens könnte er, mir zu Gefallen wirklich Ernst machen, hab’ nicht mehr lange Zeit, Sophie – – alles tot, alles,“ fährt er fort, „bin ja der einzige noch, Kind, außer der Anna, hab’ sie alle überdauert. Und nun hier in Beetzen sind wir nur noch drei, Ditscha – Du, der Jung’ und ich. Er soll nicht so lang’ warten.“

„Aber er soll sich auch nicht überstürzen; er ist ja noch ein Kind, Onkel,“ wendet Ditscha ein.

„Kind? – Unsere Prinzen sind auch nicht älter, wenn sie heiraten.“

„Aber die Liebe läßt sich nicht kommandieren, Onkel Jochen.“

„Ach was!“ sagt er, „zu meiner Zeit war das anders. Kann nicht behaupten, daß ich für Berthachen eine welterschütternde Leidenschaft gefühlt hätte. Hübsch war sie nicht, aber gut, freundlich und tüchtig, und was für ein Weib ist sie geworden, Ditscha, was für ein braves Weib! So eine gleichmäßig stille, dauerhafte Neigung, das ist das Wahre! Eure Liebe von heute – nee! Ein kleines Mißgeschick, eine kleine Unebenheit auf dem Wege und aus ist’s! – ja – hm –“

Sophie fühlt, daß er auf sie und Rothe hindeutet, sie steht auf und tritt ans Fenster. Sie zerknittert den Brief in ihrer Hand, starrt ein Weilchen hinaus in den Lenzabend und geht endlich langsam aus dem Zimmer. Eigentlich will sie ihre Stube aufsuchen, aber in der Halle wendet sie sich und wandert in den Park hinaus. Hier war es, hier hat sie ihm einst Lebewohl gesagt! Damals war es Winter, es schneite und stürmte, aber in ihrem Herzen brannte heiße Glut – heute – du lieber Gott, heute blüht es um sie her und der Winter ist in ihrem Herzen! Was sie leidet im Leben, das leidet sie um diese Erinnerung, und doch, sie möchte sie nicht missen.

(Fortsetzung folgt.)




Künstliches Eis.

Von A. Hollenberg.0 Mit Abbildungen von A. Eckardt.

Vor Zeiten, als nach der allgemeinen Anschauung die Welt aus vier Elementen gebildet wurde, pflegte man Wasser und Feuer als Mächte zu betrachten, die sich feindlich gegenüberstehen und einander aufzuheben und zu vernichten bestrebt sind. Noch jetzt bezeichnet der Sprachgebrauch Wärme und Kälte als einander entgegenstehende Erscheinungen und glaubt in dem Feuer einerseits und dem Wasser – oder gar dem Eise – anderseits himmelweit voneinander getrennte Naturerscheinungen oder Naturzustände vor sich zu haben.

Dennoch sind Wärme und Kälte Kinder einer und derselben Mutter, es sind lediglich von einander entfernt stehende Grade ein und derselben Naturerscheinung, die wir Wärmeschwingung nennen. Von diesem Gesichtspunkte aus hat der jetzt übliche Nullpunkt der Thermometer weiter keine Bedeutung, als daß bei diesem Wärmegrade das Wasser in den festen Zustand übergeht. Nur dadurch, daß dieser Uebergang wegen der großen Nützlichkeit des Wassers von Bedeutung für das Leben und Weben der organischen Wesen ist, hat dieser Nullpunkt seine besondere Wichtigkeit erhalten, so daß wir die über ihm liegenden Grade Wärmegrade, die unter ihm liegenden Kältegrade nennen.

Die neuere Technik versteht es in der That, die entfernt liegenden Stufen der Wärmeskala beliebig miteinander zu vertauschen und sowohl Wärme in Kälte überzuführen, als auch Kälte in Wärme.

Diese Technik bereitet in großem Umfange zu gewerblichen Zwecken die Kälte mittels des Feuers, wobei sie sich als Vermittlerin der mechanischen Kraft zu bedienen pflegt.

Manche Gewerbe, insbesondere die Brauereien, Hefefabriken, die Schlächtereien, die Gewerbe zur Konservierung von Nahrungsmitteln haben schon seit langer Zeit die Kälte in Dienst genommen. Sie waren dabei auf das Natureis, wie es uns der winterliche Frost alljährlich zu bringen pflegt, angewiesen. Die Ernte des natürlichen Eises ist aber von der wechselnden, mehr oder weniger kalten Witterung unserer Winter abhängig und fällt mitunter sehr dürftig aus, so daß der jährliche Bedarf nicht gedeckt werden kann. Die Versuche, in solchen Fällen aus weiter Ferne Polareis zu holen, scheiterten an der Höhe der Transportkosten. Somit war die Technik vor eine neue Aufgabe gestellt, nämlich die von den Physikern durch den Versuch bereits als möglich nachgewiesene künstliche Darstellung des Eises zum gewerblichen Großbetriebe auszubilden, mit einem Worte, Eismaschinen zu erfinden.

In welchem Maße die Lösung dieser Aufgabe gelungen ist, sehen wir daran, daß inzwischen eine ganze Reihe von Gewerbtreibenden, die auf die Verwendung von Eis angewiesen sind, sich von der Witterung unabhängig gemacht hat und in der Lage ist, ihren Betrieb mit Sicherheit und Stetigkeit durchzuführen. Der überstürzenden Hast der früheren Natureisgewinnung sind sie überhoben, ebenso der oft schwierigen Lagerung und des Schutzes der großen Jahresvorräte.

Es lag aber noch ein anderer nicht minder wichtiger Grund zur Einführung der künstlichen Bereitung des Eises vor. Alles Eis der Teiche, Flüsse und Seen ist verunreinigt, der Staub der Straße, der Ruß unserer Feuerungen, organische Stoffe aus allen möglichen Betrieben, oft der widerlichsten Art, und unter diesen insbesondere die kleinen Lebewesen (Mikroorganismen), die als tückische Feinde so manches Opfer an Leben und Gesundheit fordern, sie alle werden vom Eise unserer Flüsse und Teiche aufgenommen. Nur scheinbar sind diese schlimmen Gesellen im Eise in Ruhe und erstorben; in vielen Fällen nehmen sie beim Auftauen des Eises ihre allerdings oft reinigende, oft aber auch verderbenbringende Thätigkeit wieder auf.

Ueber die geradezu erstaunliche Menge dieser kleinen, im Wasser des natürlichen Eises enthaltenen Organismen giebt ein Blick ins Mikroskop Auskunft.

Bei der künstlichen Eisfabrikation ist man diesen Zufällen nicht ausgesetzt, da reines, nötigenfalls durch Filtration und durch Abkochen von allen Verunreinigungen und Keimen befreites Wasser jederzeit leicht zu erlangen ist. Deshalb können wir auch das künstlich dargestellte Eis, ohne Widerwillen zu empfinden oder uns schädlichen Einflüssen auszusetzen, unmittelbar mit den Speisen und Gewtränken in Berührung bringen, während wir das Natureis von den Genußmitteln fern halten müssen und die Kühlung verständigerweise nur durch Umgeben der die Genußmittel enthaltenden Behälter mit Eisstücken bewirken dürfen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_435.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2023)