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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

eine Temperaturerniedrigung von -10 Grad bis zu -12 Grad (Celsius) erreichen kann. Mit einer Mischung von 2 Teilen Schnee und 3 Teilen krystallisiertem Chlorcalcium kann man sogar -45 Grad erreichen.

Stellt man eine Schale mit den zu kühlenden Speisen in diese Kältemischungen, so erfolgt das Gefrieren in kurzer Zeit Der Grund zu diesem Vorgange liegt darin, daß die einzelnen Bestandteile der Kältemischung das Bestreben haben, in den flüssigen Zustand überzugehen. Dazu ist aber erforderlich, daß der Mischung eine gewisse Wärmemenge zur Verfügung stehe, die sie sich in unserem Beispiel aus der zum Zwecke des Kühlens eingesetzten Schale entnimmt, deren Inhalt infolge dieser Wärmeentziehung gefriert.

Eine zweite Art der Kältegewinnung können unsere Leser leicht anstellen oder haben sie wohl schon beobachtet Man schütte einige Tropfen Schwefeläther (Hoffmannstropfen) in die Hand und blase darüber, doch nicht bei Lampenlicht, der Feuergefährlichkeit des Aethers wegen.


Im Lagerraum.


Der leicht verdunstende Aether verschwindet bald und erzeugt an der Hand ein empfindliches Kältegefühl – Woher kommt das? – Der Aether geht aus dem flüssigen Zustand in den gasförmigen Zustand über; dazu gebraucht er Wärme, die er der Hand entnimmt.

Wie uralt die Kenntnis und Benutzung dieses Kühlverfahrens ist, sehen wir an der schon zur Zeit der alten Aegypter gebräuchlichen und noch heute von den Bewohnern des Nillandes ausgeübten Gepflogenheit, das an sich warme Nilwasser mittels der sogenannten Gulle zu kühlem Letztere ist ein Gefäß aus gebranntem, nicht glasiertem Thon, durch welchen das Wasser langsam hindurchschwitzt. Von der Oberfläche aber wird es durch den gelindesten Luftzug verdunstet und kühlt dadurch den Inhalt, der ohne diesen Vorgang ganz ungenießbar sein würde.

Aber wozu in die Ferne – bis ins Land der Pyramiden – schweifen, um das zu sehen, was jeder an sich selber beobachten kann?! Unser eigener Körper ist eine Art Kältemaschine, an Stelle der porösen Thonwände der Gulle hat unser Körper eine mit unzähligen Schweißporen versehene Haut, die fortwährend Verdunstungswasser an die Oberfläche treten läßt.

Die Dame, die sich mit ihrem zierlichen Fächer Kühlung verschafft, denkt wohl im Augenblicke nicht daran, daß sie ihren Rosenwangen die Rolle der Eismaschine auferlegt. In der That ist es so; der vom Fächer erzeugte Luftzug erregt an den Poren der Haut eine starke Verdunstung, zu der die Wärme dem Gesichte entnommen wird.

Diese Ausdünstungsfähigkeit unserer Haut ist es in erster Reihe, die uns die heißesten Sommertage, das heißeste Klima erträglich macht; sie regelt mit aller Energie die innere Wärme des Körpers, die bei normaler Lebensthätigkeit trotz aller Verschiedenheit der uns umgebenden Temperaturen nur um wenige Grade schwankt. In den zuletzt erwähnten Fällen wurde stets die Kälte durch Verdunstung einer Flüssigkeit hervorgebracht. Wir werden im Verlauf sehen, daß diese Erscheinung fast allen neueren Kältemaschinen zu Grunde gelegt ist, und werden dabei erörtern, welche Flüssigkeiten sich zu diesem Vorgange benutzen lassen.

In der neueren Zeit hat man noch ein drittes Verfahren zur Kühlung angewendet. An den in den letzten zwanzig Jahren vielfach in Gebrauch genommenen Maschinen, die mit stark gespannter Luft betrieben wurden, wie z. V. an den Bohrmaschinen des Mont Cenis-Tunnels, hatte man vielfach Gelegenheit, zu beobachten, daß die Preßluft beim Entweichen aus dem Cylinder der Bohrmaschine eine bedeutende Kälte erzeugte. Es kam diese Erscheinung den Vorarbeitern sehr zu statten, da diese von der sich mit dem Fortschreiten der Tunnelarbeiten stets steigernden Erdwärme viel zu leiden hatten. Man ging der Erscheinung zum Zwecke der technischen Verwendung auf den Grund und fand, daß allemal beim Uebergang stark gepreßter Luft in Luft mit geringerer Spannung eine Menge Wärme erforderlich ist und daß man auch in dieser Erscheinung ein Mittel zur Erzeugung von Kälte in der Hand hat. Doch wurde diese Erkenntnis erst in großem Maßstabe ausgenutzt nachdem Popp seine Preßluftanlage (siehe unseren Artikel in Nr. 7 des Jahrgangs 1891) in Paris eingerichtet und eingeführt hatte. Jetzt wird dort von dieser Art der Kühlung der ausgedehnteste Gebrauch gemacht zu allen schon erwähnten Zwecken. Insbesondere werden die zahlreichen Verwendungen der Kälte in den Pariser Hotels von der Poppschen Preßluft aus bewirkt

Blicken wir zurück auf die bisher erwähnten Beispiele, so finden wir, daß die Kälteentwicklung hervorgerufen wird entweder durch Kältemischungen also beim Uebergang fester Körper in Flüssigkeit, oder aber bei dem Uebergang flüssiger Körper in luftförmige oder drittens beim Uebergang stark gespannter Gase in Gase von schwacher Spannung. Die beiden letzten Erscheinungen, vorzüglich aber die Verwandlung flüssiger Körper in ihre Gasform, liegen den heutigen Eismaschineneinrichtungen zu Grunde. Die letztere Erscheinung dient hauptsächlich zur Eisgewinnung im Großbetriebe.

Treten wir ein in eine Eisfabrik, so wird unser Blick zunächst auf die Dampfmaschine gelenkt, die wie spielend das große Schwungrad umtreibt. An dem der Maschine gegenüberliegenden Ende der Hauptaxe sind die Triebstangen für die Kompressionspumpen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_437.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)