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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Bazar. Vor jeder Bude steht ein kleines Glutbecken mit diesem „wohlriechenden“ Harze. So „reinigt“ man im arabischen Orient die Luft bei herrschenden Epidemien. Und in der That, ich würde wahrlich die Stätte dieser widerwärtigen Dämpfe fliehen, wenn ich ein – Bacillus wäre. Hier und da wird die Leiche eines verstorbenen Pilgers vorbeigetragen.

Barbiergeschäft am Meïdan.

Beinahe ein jeder Fremde trägt eine Flasche Cognac unterm Arm oder in der Tasche seines Kaftans. Man hält im Orient dieses Destillat für ein wirksames Heil- und Präservativmittel gegen die Cholera. Der Koran verbietet geistige Getränke nicht unbedingt, zu Heilzwecken ist der Genuß derselben gestattet. Die braven Hadji, besonders die sogenannten klugen Leute unter ihnen, machen denn auch den ausgedehntesten Gebrauch von dieser Toleranz ihrer Propheten. Nur schade, daß sie das Arcanum so unglaublich teuer bezahlen müssen! Eine Flasche dieses gelbgefärbten Kartoffelschnapses kostet 20 bis 30 Franken. Ich glaube, der elende Fusel schadet den armen Pilgern übrigens noch mehr als die Cholera. Die Griechen, die hier, wie überall an den Gestaden des Mittelländischen und Roten Meeres, den Schnapshandel betreiben, verdienen bei dem Geschäft ein Heidengeld.

Die Bewohner Dscheddas sind ein aus allen Teilen der Nachbargebiete zusammengewürfeltes Mischvolk mit verschiedenartigen Dialekten. Man muß die arabische Sprache schon sehr vollkommen beherrschen, um alle zu verstehen oder, was noch schwerer ist, sich ihnen auch verständlich zu machen, denn der ungebildete Araber versteht keinen anderen Dialekt seiner Sprache als den eigenen. Hört er nur ein einziges Wort von etwas fremdem Klang im ganzen Satz, so ist alles verloren und er macht ein unaussprechlich dummes Gesicht dazu. An der eigentümlich krankhaft dunkelfahlgelben Gesichtsfarbe, den breiten Backenknochen und den behäbigen Gestalten erkennt man die Leute der Tehama, des tiefliegenden Küstenstrichs am Roten Meere. Begegnet man einer schlanken, schneidigeren Gestalt mit schmalem Gesicht und großen feurigen Augen, so ist es Beduinenblut, entweder aus Syrien oder Arabien hierhergekommen. Durch ihren regen Handelsgeist zeichnen sich die Do’âner aus, eingewandert vom Wadi Do’ân im Belâd beni Isâ. Unter ihnen findet man die reichsten Leute der Stadt, die alle, als sie kamen, nichts besaßen als ihr Fodda, ein Lendentuch, das ihre gesamte Bekleidung bildete.

Spitze einer Pilgerkarawane beim Aufbruch nach Mekka.

Nachdem vor einigen Jahrzehnten die bis dahin gegen die Christen stets aufsässige Bevölkerung einmal gründlich das Pulver der Ungläubigen zu riechen bekommen, hat sich der fanatische Geist dieser Sippschaft leidlich zahm verhalten. Aber der meuchlerische Ueberfall, dessen Opfer kürzlich die schon oben erwähnten Konsularbeamten in der Umgebung von Dschedda geworden sind, hat deutlich gezeigt, wie namentlich unter den raubgierigen Beduinen der benachbarten Wüste der eingefleischte Haß gegen Andersgläubige keineswegs erloschen ist. Nur hat das Volk, das da im Bann von Mekkas Thoren sein Wesen treibt, auch für die eigenen Glaubensgenossen wenig brüderliches Empfinden. Jeder Pilger gilt ihnen für eine gute Beute. „In den heiligen Städten wohnt der Teufel,“ sagt selbst der Araber. Es giebt nur zweierlei Beschäftigung da, von welchen die Leute leben, Handel mit den Pilgern und Tempeldienst; selbst die Tempeldiener und die Priester aber verschmähen es nicht, sich mit dem ersteren zu befassen, und der Mekkawi wie der Dscheddawi, der eigentliche Stadtbewohner, begnügt sich bei dem, was er an die Pilger verkauft, mit keinem Vorteil, der weniger als fünfzig Prozent beträgt. Die arabischen und persischen Hadjis haben weniger dabei zu leiden, weil sie selber geriebene Gesellen sind, doch das etwas dämliche Malayenvolk wird unglaublich arg betrogen.

Aber auch die Pilger selber verbinden nicht minder mit dem Verdienstlichen das Nützliche und betreiben gleichfalls regen Handel auf ihrer Wallfahrt.

Der Prophet erklärte die Wallfahrten nach Mekka für eine der

fünf Hauptstützen seines Islamtempels. Die Zeiten, während welcher sie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 457. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_457.jpg&oldid=- (Version vom 17.10.2023)