Seite:Die Gartenlaube (1896) 0046.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

dieselben durch das Kiemenloch hineingesteckt werden und aus dem Maul wieder hervorkommen. Sind zwanzig Heringe, bezw. eine entsprechend größere Zahl Sprotten, aufgespillt, so wird der gefüllte Stab, wie das zweite Bild auf S. 44 zeigt, in einen von vier senkrechten Pfeilern getragenen wagerechten, rechteckigen Rahmen, deren zwei oder mehrere übereinanderliegen, eingefügt; dein ersten Stab folgt ein zweiter, dritter etc., bis der oder die Rahmen vollständig durch die von den nebeneinanderliegenden Spillen herabhängenden Fische ausgefüllt sind. Letztere werden nunmehr eine Weile der Luft ausgesetzt, um zu trocknen; eine Prozedur, die in großen Räuchereien, in denen nur in geschlossenen Räumen gearbeitet wird, nicht mehr zur Ausführung gelangt. Alle folgenden Manipulationen hingegen sind in sämtlichen Betrieben, mögen dieselben einen einzigen oder vier und mehrere Räucheröfen umfassen, die gleichen.

In der Räucherkammer werden die aufgespillten Heringe, Stab neben Stab, in hölzerne, blechbeschlagene Rahmen eingefügt, welche, je 1000 Heringe oder 2400 Sprotten fassend, aus dem sie tragenden Gerüst herausgehoben werden können. Ist ein solcher Rahmen fertig ausgefüllt, so wird er mittels der sogenannten Kehrmaschine zum Herde befördert. Diese Maschine, aus dem nebenstehenden Bilde deutlich erkennbar, besteht in einem Flaschenzug, dessen obere „Flasche“ an der Achse einer Rolle hängt, die auf dem unter der verräucherten Decke ausgespannten, als Leitschiene dienenden Kabel läuft. An der unteren Flasche hängt wagerecht ein Kreuz aus Eisen, von dessen vier Enden je eine in einem Haken auslaufende Kette herabhängt. Die Haken greifen nun in die auf unserem Bilde sichtbaren, an jeder Seite des Rahmens angebrachten Oesen; der Flaschenzug wird angezogen, und wagerecht schwebend wird der aus dem Gerüst gehobene Rahmen dem Herde zugeführt und in die Nuten, welche in den Seitenwänden desselben sich befinden, hineingeschoben. Nachdem drei solcher Rahmen übereinander dem Herde eingefügt sind, wird auf dem Boden desselben zunächst aus Eichen-, Erlen- oder Buchenholz ein helles Feuer entzündet, über welchem der Hering im Laufe einer Stunde gar wird, und nun erst kommt es darauf an, ihm durch Räucherung den eigenen Geschmack und den tadellosen Goldglanz zu verleihen, auf den der Händler so viel Gewicht legt. Zu dem Zweck wird der untere Rahmen mit Decken und Säcken belegt und dadurch von den zwei oberen abgeschlossen, so daß er allein den vollen qualmigen Rauch erhält, der gleichzeitig durch Dämpfen des Feuers mittels aufgeschütteter Eichenlohe entwickelt wird. Nachdem der Hering auch in diesem Rauch eine Stunde gehangen, ist er zum fertigen Bückling geworden; der Rahmen wird durch die Kehrmaschine aus dem Herde, der übrigens in einigen städtischen Räuchereien durch blecherne Thüren verschließbar ist, herausgehoben und auf das Holzgerüst zurückbefördert, wo die Fische, um versandfähig zu werden, eine halbe Stunde abkühlen müssen. Inzwischen wird der zweite und nach ihm der dritte Rahmen in derselben Weise behandelt und dann der Ofen von neuem gefüllt. Auch die Sprotten werden genau in derselben Weise geräuchert: nur bedarf es bei ihnen, wie auch bei den kleinen Arten des Herings, nicht eines Aufenthalts von zwei, sondern nur von anderthalb Stunden im Herde. Eine besondere Methode der Zubereitung gelangt seit Jahren bei den hervorragend großen Heringen zur Anwendung, welche gleich den Makrelen durch einen Längsschnitt über den Rücken in zwei, nur durch die Bauchhaut zusammengehaltene Hälften auseinandergeteilt oder „gefleckt“ und dann erst geräuchert werden. Diese Fleckheringe gewinnen dadurch, daß sie intensiver vom Rauch durchdrungen werden, an Dauerhaftigkeit und Geschmack, sind aber im Binnenlands bisher nicht so bekannt, wie sie’s verdienen.

Während des Räucherns und der übrigen mit den Fischen vorgenommenen Hantierungen trägt natürlich mancher Bückling einen Schönheitsfehler davon, indem er bricht oder in der Farbe verfehlt wird. Dieser Ausschuß, der in großen Räuchereien, wo täglich Zehntausende von Heringen verarbeitet werden, bisweilen beträchtlich anwächst, ist von volkswirtschaftlichem Wert: denn, an Geschmack der tadellos geratenen Ware vollständig gleich, werden die verkümmerten Bücklinge zu sechs bis acht Stück für zehn Pfennig abgegeben; und so sind denn die Kieler Räuchereien schon in den frühen Morgenstunden von Arbeitern und Frauen belagert, welche sich die ebenso schmackhafte wie billige Zukost zum Frühstücksbrot nicht entgehen lassen wollen. Auch von der marktfähigen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0046.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)