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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Abwesenheit des Generals Bonaparte allerhand zu schulden kommen lassen, was den Heimgekehrteu, als er es erfuhr, in Wut versetzte und ihn an Scheidung denken ließ. Da war es denn Eugen, der als Anwalt der Mutter seine flehentlichen Bitten mit denen Hortenses vereinigte, so daß Napoleon von dem Vorsatz der Scheidung abstand. Freilich nicht ohne starke und dauernde Abkühlung seiner Empfindungen für die einst so heftig geliebte Josephine.

Mit zweiundzwanzig Jahren war Eugen Brigadegeneral, sah im Laufe desselben Jahres, 1804, seinen Stiefvater als Kaiser der Franzosen und wurde von diesem, 1805, als Vicekönig der eroberten Lombardei nach Mailand geschickt. Es war dies keine leichte Stellung, denn Eugen suchte trotz der kriegerischen Aktionen gegen Oesterreich für das Wohl seiner Unterthanen zu sorgen, während Napoleon nur das Möglichste an Leistungen aus dem eroberten Lande zu schlagen suchte. Er hatte denselben Konflikt mit jedem seiner zu Königen gemachten Brüder, wagte aber niemals, Eugen, dessen fester und reiner Charakter ihm imponierte, so zu behandeln, wie es sich jene gefallen lassen mußten. Eine kurze Ungnade war alles, was er gelegentlich erlebte. Und dieser folgten bald genug Beweise neuer Huld und Fürsorge auf dem Fuße. Einer davon, das Eheprojekt mit der Prinzessin Auguste von Bayern, Tochter des Königs Max Josef, lag zugleich in Napoleons eigenem Interesse; er brauchte Stützen für seinen selbstgeschaffenen Thron, Verwandtschaft mit legitimen Fürstenhäusern und legte sich darum energisch aufs Heiratstiften.

Eugen von Beauharnais und seine Gemahlin Prinzessin Auguste von Bayern.

Ein „Nein“ auf des Kaisers Werbung um die hervorragend schöne und liebenswürdige Prinzessin konnte und durfte der eben erst durch ihn vom Kurfürsten zum König erhöhte Monarch nicht aussprechen, so bitter schwer es ihm auch fiel, das bereits für Auguste eingegangene Verlöbnis mit Prinz Karl von Baden zu brechen und die geliebte Tochter dem Stiefsohn des Emporkömmlings zu geben. Max Josef befand sich in einer vollständigen Notlage, die seine Allianz mit Frankreich immerhin begreiflich macht. Politisches Nationalgefühl in unserem Sinne war zudem damals im deutschen Süden nicht rege, man war weltbürgerlich gesinnt und genoß dankbar die großen Vorteile, welche Napoleon stets getreuen Alliierten bot, vor allem den Frieden, während Oesterreich und bald auch Preußen so furchtbar unter dem Kriege leiden sollten.

So willigte denn auf des Vaters dringende Bitten auch Auguste schmerzlich ergeben ein, dem in München bereits angekommenen Kaiser das Jawort zu gewähren. Von der Grenze an hatte man ihn mit Triumphpforten und Illuminationen empfangen, das Volk strömte überall zusammen, um den gewaltigsten Mann der Zeit, den Ueberwinder Oesterreichs zu sehen, die Begeisterung war nach den Berichten ruhiger Zeugen eine ungeheure. Eugen befand sich, neun Tage nach dem getroffenen Abkommen, ahnungslos auf dem Rückmarsch vom österreichischen Siegeszug, als er folgenden Brief Napoleons erhielt mit der bis dorthin von ihm gebrauchten Anrede „Mein Vetter“.

„Ich bin in München angekommen. Ich habe Ihre Vermählung mit der Prinzessin abgemacht, sie ist publiziert. Die Prinzessin hat mir heute morgens einen Besuch gemacht und ich habe mich lange mit ihr unterhalten. Sie ist sehr hübsch. Ich füge ihr auf eine Tasse gemaltes Porträt bei, sie ist aber viel hübscher.“

Eugens Antwort ist nicht erhalten, es existiert also keine Kunde darüber, mit welchen Gefühlen er das Tassenbildnis betrachtete. Aber er reiste auf einen des nächsten Tages erhaltenen ebenso lakonischen Befehl gehorsam ab. In München nahm ihn Napoleon gleich in Empfang, ließ ihm den „wilden“ Schnurrbart abrasieren, damit er der Prinzessin keinen ungünstigen Eindruck mache, und stellte dann die Verlobten einander vor. Wie ihr beiderseitiger erster Eindruck war, weiß man nicht, doch steht zu vermuten, daß der Anblick des schönen ritterlichen Eugen, über dessen Herzensgüte, zarte Rücksicht und heitere offene Natürlichkeit alle Zeitgenossen übereinstimmend berichten, bald die Prinzessin dahin brachte, ihre „traurige Zukunft“ in freundlicherem Lichte zu sehen. Auch Eugen war überrascht von so viel Güte, Schönheit und Anmut; es scheint, daß die pomphafte Vermählungsfeier am 1. Jan. 1806 – wenige Tage nach der Verlobung – bereits zwei Glückliche vereinigte. München schwamm in Jllumination und Freuden, Festgelage fanden statt, die Metzger thaten ihren althergebrachten Sprung in den Fischbrunnen und droben am Rathausfenster stand inmitten der Königsfamilie der bleiche Imperator und ließ die Augen kalt auf all dieser altbayrischen Lustbarkeit ruhen. Vierundzwanzig Stunden nach der Vermählung wurde Eugen von Napoleon adoptiert und hieß nun fortan nicht mehr „Mein Vetter!“ sondern „Mein Sohn!“

Die Italiener blieben in Festen nicht hinter den Bayern zurück; das junge Paar wurde in Venedig mit den Prachtbarken der ehemaligen Republik eingeholt, die Mailänder veranstalteten festliche Aufzüge und Napoleon gab brieflich immer von neuem seine Zufriedenheit über das von ihm vorausgesagte Glück der beiden Gatten kund. Seine Briefe an die „Liebe Tochter“ haben einen bei ihm ganz ungewöhnlich warmen Ton. Es ist nicht nur die Rücksicht auf die fürstliche Abstammuug seiner Schwiegertochter, was ihn zu so zarter Rücksicht bewegt, sondern auch die Ueberzeugung von den seltenen Eigenschaften der jungen Frau, die bald von Eugen förmlich angebetet wurde und seine Liebe aufs lebhafteste erwiderte.

Während des preußischen Feldzuges blieb Eugen auf seinem Posten in Mailand, glücklich im Besitz seiner beiden ersten Kinder, die freilich gegen den Wunsch des stets nach Knaben verlangenden Kaisers Mädchen waren. Aber 1809, als auf allen Punkten des ungeheuren Herrschgebiets, das Ein Menschengehirn zu regieren sich vermaß, die erste Erstarrung abgeschüttelt wurde und die Vaterlandsliebe der Spanier, der Tiroler in offene Empörungsflammen ausschlug, als Oesterreich entschlossen einen neuen Krieg erklärte, da wurde Eugen mit dem Kommando der italienischen Armee betraut und er vollbrachte glänzende Waffenthaten in der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0542.jpg&oldid=- (Version vom 20.10.2022)