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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

„Ja!“ Schorschl winkte mit dem Kopf gegen die Esse. „Ich bin ’s warme Feuer g’wöhnt. Die kalten Lüfterln vertrag’ ich net!“

„So wart’ halt bis auf’s Frühjahr! Die Mailüfterln lassen sich vielleicht ein bißl linder an!“

„So? Meinst?“

„Ja! … Und b’hüt Dich Gott!“ Draußen im Hof blieb Mathes wieder stehen und fragte mit halblauter Stimme: „Du? Schorschl? Is denn wahr, was d’ Leut’ reden?“

„Was denn?“

„Daß Dir der Zillerlenz sein Töchterl hat antragen lassen?“

„Da weiß ich nix davon! B’hüt Dich Gott!“

Sichtlich geärgert von dieser Frage kehrte Schorschl in die Werkstätte zurück und nahm die Arbeit wieder auf. Daß er gelogen hatte, schien sein Gewissen nicht sonderlich zu drücken. Denn es verhielt sich wirklich so, wie die Leute redeten: der Zillerlenz, der die Versöhnung mit dem Daxen-Schorschl suchte, da ihm das aufblühende Geschäft in die Augen stach, hatte den alten Rufel als „Hochzeitsschmuser“ in die Schmiede geschickt.

Schorschls Antwort war kurz und bündig gewesen: „Dank’ der Ehr’! Aber ams Heiraten denk’ ich net … und von die Frauenzimmer will ich nix wissen! Da hab’ ich so meine Erfahrungen g’macht!“ Er hatte seine Hand betrachtet und mit der Zunge über die weißen Narben gestrichen. „Die einzig, mit der ich auskomm’, is die Bäckenmahm’! Die hab’ ich! Und mit der bin ich z’frieden!“

Und wirklich, er hatte alle Ursache, mit seiner Mahm’ zufrieden zu sein! Kurz vor den Weihnachtstagen hatte sich die Bäckin vom Krankenbett erhoben. Sie hatte ihre volle Gesundheit wieder gewonnen – und fast einen Centner an Fett verloren. Als Schorschl, um dieses Wunder zu konstatieren, die Mahm’ in der Werkstätte auf die große Eisenwage setzte, wog sie genau zweihundertsechzig Pfund. In der Freude über diese körperliche Erleichterung verschmerzte sie gern den schweren Verlust, den die Brandnacht ihr gebracht hatte. „Wie ein Federl komm’ ich mir vor,“ sagte sie mit Lachen ein dutzendmal des Tages, „wie ein Federl so leicht!“ Und es wurde für sie eine Art von Sport, die engsten Thüren im Hause aufzusuchen und sich schief durchzuschmiegen, ohne auch nur mit der Jacke an den Pfosten anzustreifen. Bei dieser „Federleichtigkeit“ konnte sie nun ihrem Neffen danken, was er für sie gethan hatte. Mit emsiger Fürsorge wackelte sie den ganzen Tag zwischen Stube, Werkstätte und Küche hin und her, überwachte die Zubereitung aller Mahlzeiten und begann ihr „Schorscherl“ auf eine Weise zu verhätscheln, daß die Gesellen darüber ihre Späße machten, die sich der junge Meister mit geduldigem Lächeln gefallen ließ.

Aber nicht nur für das „Schnaberl“ ihres „Schorscherl“ sorgte die Bäckenmahm’! Sie kassierte für ihn die Gelder ein, führte Buch über alle Einnahmen und Ausgaben, brachte allmählich alle Räume des Hauses in freundlichen Stand, hielt Schorschls Kleider in sorgsamer Ordnung und füllte durch fleißige Näharbeit alle Lücken des bedenklich gähnenden Wäschekastens. Am Morgen des Lichtmeßtages konnte sie Schorschl vor den Schrank führen, in welchem all die weißen Linnenstöße mit blauen Litzen gebunden und so eng aneinander gerückt waren, daß kein Stücklein mehr Platz gefunden hätte.

„Komm her, Schorscherl! Schau Dir’s an, Dein Kasterl! Fix und fertig liegt alles da … gleich morgen kannst heiraten!“

„Geh, laß mich doch aus!“ brummte Schorschl in der ersten Verblüffung. „Was brauch’ denn ich solchene Sachen! Ich bin doch kein Madl net! Zwei Hemeder, eins zum Anziehen und eins zum Waschen … und ein paar Schneuztücheln … das wär’ lang g’nug für mich g’wesen! Was mußt Dir jetzt da so viel Müh’ machen! Geh! Und vom Heiraten … Da bitt’ ich schön, red’ mir nur gleich gar net davon!“ Aergerlich ging er zur Thüre, kehrte aber doch wieder um und drückte seinem dicken Hausmutterl die Hand. „No ja, ich dank’ Dir halt schön! … Aber gelt, mit’m Heiraten laßt mich in Ruh!“

Das versprach sie. Aber schon nach wenigen Tagen begann sie, ihm die Mitgift zu rühmen, welche die Tochter des Berghofbauern zu erwarten hätte.

„Hörst mir net auf?“ fuhr ihr Schorschl in die Rede. „Die Putzgredl, die schieche! Die könnt’ mir grad’ noch g’fallen! Und Zahnlücken hat s’ wie Ofenlöcher!“

In der Woche darauf konnte die Mahm’ ihrem Schorscherl nicht genug erzählen, wie gut ihr das Bürgermeisterdirndl gefiele!

„Was? Das Krisperl, das dürre!“ murrte Schorschl. „Na na! An der ihre Knöcherln soll sich ein anderer die Zähn’ ausbeißen! Ich hab’ jetzt allweil Dich ang’schaut – jetzt bin ich an runde Leut’ g’wöhnt!“

Trotz dieser Mißerfolge schmiedete die Bäckenmahm’ immer neue Pläne. Der Gedanke, daß sie den Platz räumen müßte, wenn eine junge Frau ins Haus käme, machte sie wohl seufzen. Aber sie war so ehrlich für das Wohl ihres „Schorscherl“ bedacht, daß sie ihr eigenes Schicksal in zweite Reihe setzte. Und sie hatte ja auch schon für diesen Fall ihr Plänchen fertig. Wohl war sie durch den Brand um ihr Erspartes gekommen und hatte mit dem Haus all ihre bewegliche Habe verloren. Aber es war ihr doch der Bauplatz geblieben, der große Garten und die Licenz für das Bäckergeschäft, die als verbrieftes Recht auf dem Grundstück lag. Dafür hatte man ihr schon dreitausendfünfhundert Mark geboten – aber sie wollte viertausend haben und hatte Zeit, zu warten, bis der richtige Käufer kam. Dann konnte sie sich im Garten der Daxen-Schmiede – um ihrem „Schorscherl“ nur ja recht nah’ zu sein ein Häuschen mit zwei Stuben und einer Küche bauen. Und mit dem Rest des Geldes und der Erbschaft des Häuschens – in welches Schorschl und seine Frau einmal, wenn sie alte Leutchen geworden waren und ihrem ältesten Buben die Schmiede übergaben, in den „Austrag“ ziehen konnten – wollte sie sich in Schorschls Hausstand für die freie Verpflegung einkaufen bis an ihr seliges Lebensende – „Gott verhüt’s noch lang!“ –

Als im März der Thalschnee zu schmelzen begann und linde Tage kamen, ließ sich die Bäckenmahm’ in warmen Mittagsstunden den Lehnsessel unter das offene Thor der Werkstätte stellen, und wenn sie nicht für ihr „Schorscherl“ zu sticheln und zu flicken hatte, nähte sie an den Leinwandvorhängen für die Fenster ihres Häuschens, zu dessen Bau die Ziegel noch gar nicht gebrannt waren.

Und da sah sie eines Tages die Simmerauer-Vroni mit dem Henkelkorb vom Krämer kommen und draußen vor dem Staketenzaun vorüberwandern – ganz auf der anderen Seite der Straße, so weit als möglich vom Zaun der Schmiede entfernt.

„He! Du!“ rief die Bäckenmahm’. „Geh, kehr’ ein bißl ein auf ein Plauscherl!“

Aber Vroni schien wie mit Taubheit geschlagen; krampfhaft zu Boden blickend, machte sie lange Schritte und eilte um die Straßenecke.

Mit prüfenden Augen hatte die Bäckenmahm’ ihr nachgesehen.

„Sapperlot! Sapperlot! Is das Madl aber sauber! Dahermarschiert s’, als hätt’ s’ Federn unter die Schuh’! Ein G’sichtl wie der Apfel an Micheli! Die Zöpferl liegen ihr droben wie ein Krönl! Fein g’wachsen wie ein Röhrl … und doch schön rund, wie er’s g’wöhnt is jetzt!“ Sie beugte sich vor und lugte in die Schmiede, aus welcher der Taktschlag der drei Hämmer tönte: klingeling kling – klingeling kling! „Vielleicht thät’ ihm die g’fallen!“ Und lächelnd rief sie: „Schorscherl!“

Sie mußte ein paarmal rufen, bis er hörte, den Hammer niederlegte und kam.

„Du, Schorscherl!“

„Was denn, Mahmerl?“

„Was thätst denn zur Simmerauer-Vroni sagen?“

„Himmelsakra!“ fuhr Schorschl auf, als hätte ihm die Bäckenmahm’ ihre Nähnadel ins Herz gebohrt. Aber gleich bereute er seine Heftigkeit wieder und stotterte: „Nix für ungut, Mahm’! … Aber geh, laß mir doch ein’ Ruh’!“

Die Mahm’ gewahrte auf seinem Gesicht die brennende Röte zwischen den Rußflecken und schmunzelte. „No? Was thätst denn sagen zu der?“

„Zu der da droben? … Zu der sag’ ich gleich gar nix!“

Bei seinem blinden Aerger über die Schwelle stolpernd, kehrte er in die Werkstätte zurück.

Bedächtig zog die Bäckenmahm’ den Nähfaden über die Lippen und studierte. „So so soooo? … Und aussetzen kann er gar nix an ihr?“ Lächelnd guckte sie in die Schmiede. „Wart’, Schorscherl, wart’! Da kriegst mir aber jeden Tag ein Pülverl jetzt! Schön langsam … aber sicher!“

Hätte die Mahm’ mit achtsamen Ohren auf die Musik der Schmiede gelauscht, so hätte sie merken müssen, daß schon das erste

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0664.jpg&oldid=- (Version vom 24.10.2022)