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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Erste auf dem Platze. Ueberall öffnen sich die Thore, und Bauer und Bäuerin, Bursch’ und Dirn’ treten im schönsten Sonntagsstaat heraus. Bald ist das Gewühl auf dem weiten Platze ein großes; denn auch aus den benachbarten Ortschaften kommen die Gäste in Scharen herbei und wechseln Gruß und Händedruck und nehmen gemeinsam am Frühgottesdienst teil. Nachmittags spielt die Musikbande dem Herrn Pfarrer auf; dann gehen sie zum Bürgermeister und den einzelnen Honoratioren des Ortes, überall ein Stücklein spielend und ein Gläschen trinkend. Angeführt werden die Musikanten von den fidelen „Kirtaburschen“ und der kleine Sepp wirft sich stolz in die Brust, als er seinen leibhaften Bruder an der Spitze der Musikbande sieht, den Hut mit Blumen und Bändern geschmückt, die Weinflasche und das gefüllte Glas in den Händen, wie er von Haus zu Haus geht, überall einen „Juchezer“ losläßt, dem Bauern und der Bäuerin zutrinkt und sie zum Kirchtag einlädt. Große Augen macht er, der kleine Sepp, daß der Hiesl das alles so herausbringt, ganz ohne „Schenirer“, wie ihm die Worte nur so von den Lippen fließen und was für lustige Einfälle er dabei hat. Nur einmal, ein einziges Mal, verläßt den Hiesl seine Geistesgegenwart: als er nämlich vor der Zenz’, des Bürgermeisters Töchterlein, steht und sie um den ersten Tanz bittet, da dreht er ganz verlegen den Hut herum, schlenkert mit den Füßen und wird „brinnrot“ im Gesicht. Das kann sich der kleine Sepp nicht erklären, doch nimmt er sich vor, es genau so zu machen, wenn er einmal „Kirtabursch’“ werden wird.

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Vor dem Gasthaus nach dem Markte.

Und jetzt geht er, die Hände in den Hosentaschen und mit seinem Geld klimpernd, über den Markt. In der Thoreinfahrt des Wirtshauses sind Lebzelterstände errichtet, die für ihn des Anziehenden genug bieten. Lange bleibt er sinnend davor stehen und überlegt, ob er sich einen lebzeltenen Reiter, „Katarrhzelteln mit Gedichten“ oder „Busserln“ oder ein „Rumflascherl“ aus Zucker kaufen soll. Er widersteht aber der Versuchung und geht weiter. Auf dem Kirchenplatze – Bude an Bude. Was giebt es da alles zu schauen, zu wünschen, zu begehrenl Immer wieder bleibt er stehen, klimpert mit seinem Gelde und reißt sich los. Da giebt es Spielwaren, Soldaten, Tiere, dort Hosenträger, Mützen, weiter unten den Geschirrmarkt mit allerliebsten kleinen Häferln und Gläschen; dort sieht er gar einen Gummiball, wie er ihn schon lang gewünscht, und hier einen Magnet, wie ihn der Hansl hat, der damit die Taschenmesser magnetisiert, welche dann wieder Stahlfedern und Eisenspäne anziehen. Wie hat sich der Hansl damit in Respekt gesetzt! Wenn er so einen Magnet hätte – aber nein, er klimpert mit dem Gelde und geht weiter. Und nun steht er vor dem Ringelspiel! Der Schimmel, der Löwe, die Giraffe! Wird er da widerstehen können, wenn abends das Werkel (Drehorgel) spielt und die Kameraden sich auf den wilden Tieren stolz herumtummeln? Er faßt seinen Schatz krampfhaft an und wendet sich ab – er ist ja ein Bäuerlein, das sich nicht so leicht vom Gelde trennt. –

Davon merkt man allerdings nichts, wenn man das lebhafte Markttreiben betrachtet, das sich schon seit den Morgenstunden entwickelt hat. Die Einwohnerschaft sowohl als auch die Besucher aus der Nachbarschaft haben heute gespickte Börsen und den guten Vorsatz, „aufzuhauen“ und „Haare zu lassen“. Heute hat auch der ärmste Bursch die „Spendierhosen“ an, und wo giebt es denn einen Burschen, der an diesem Tage nicht einen Schatz zu bedenken hätte? Der kleine Sepp steht bei den Verkaufsbuden und sieht zu, wie da die Gulden fliegen, und er reißt Mund und Augen auf: denn daß es soviel Geld überhaupt giebt, hätte er sich nicht vorgestellt! Und dazu kommt noch das Geld, mit dem er in der Tasche klimpert! Unglaublich! – Daß die Krämer und Kleinhändler mit ihrer Losung zufrieden sind, kann man am Nachmittage sehen, wo sie sich im Gasthaus und auf dem Platz vor demselben unter den Bauern gütlich thun und den Abend erwarten, um nach gethaner Arbeit dem Tanzvergnügen zu huldigen.

Nach dem „Segen“ beginnt das eigentliche Fest. Kaum ist der letzte Kirchengast ins Freie getreten, hört man schon den hellen Klang der fallenden Kegel; denn am „Kirtag“ messen sich die Matadoren dieses edlen Sports und oft giebt es ein heißes Ringen zwischen dem Champion eines Nachbardorfes und dem einheimischen Meister. Oft geht es um bedeutende Beträge und die Leidenschaft des Spiels reißt manchen zu unsinnigen Einsätzen und Wetten hin, die mitunter ansehnliche Summen, den Ertrag wochenlangen Fleißes verschlingen. Mit banger Erwartung und Thränen in den Augen steht das „Dirndl“ dabei, wenn sie zusehen muß, wie ihr „Bua“ mit hochrotem Gesicht und glühenden Augen einen Gulden nach dem andern in den Sand wirft und immer häufiger Patzer macht; dabei stürzt er ein Glas nach dem andern hinunter und ist kaum mehr seiner Sinne mächtig. Mit welch frohem Gemüt waren sie ausgezogen und wie ganz anders hatte sie sich die Freuden dieses Festes ausgemalt…

Nun kommen die Festgäste gezogen in einzelnen Gruppen und Paaren und jedesmal spielt ihnen die Musik ein Stückchen auf. Zuletzt kommen der Herr Pfarrer und die Honoratioren des Ortes, die mit einem Tusch empfangen werden. Bald drehen sich die Paare lustig im Tanze und in dem Wirbel von Freude und Lebenslust klingen die Geigen, laute „Juchezer“ und „Pascher“, übermütige

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 678. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0678.jpg&oldid=- (Version vom 3.6.2020)