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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 49. 1896.


Der Weihnachtsbüchertisch der Jugend. I. Unsere Jugendlitteratur bewegt sich in festen und ruhigen Bahnen. Dichter, Schriftsteller und Künstler, die für die Jugend schaffen, haben naturgemäß enger gezogene Schranken; niemals dürfen sie vergessen, daß sie nicht nur anregend, sondern auch erzieherisch wirken müssen, und der Erfolg ist ihnen dann gesichert, wenn sie die Gabe einer gewandten Darstellung mit pädagogischem Geschick zu verbinden wissen. Nach solchen allgemein anerkannten Grundsätzen wird seit Jahren eine Anzahl von Jahrbüchern für die Jugend herausgegeben, die sich einer großen Beliebtheit erfreuen. Mit reichem Bilderschmuck versehen, bringen sie Erzählnngen, führen ihre Leser und Leserinnen in die Sagen- und Märchenwelt ein, belehren durch gediegene Artikel und geben auch Winke für nützliche Beschäftigung oder anregendes Spiel. Schon für die jüngste Stufe der deutschen Lesewelt, für Kinder, die gerade im Anfang des schulpflichtigen Alters stehen, ist ein solches Jahrbuch vorhanden: „Herzblättchens Zeitvertreib“ von Thekla von Gumpert (Glogau, Karl Flemming), von dem heute bereits der 41. Band vorliegt. Das „Töchter-Album“ derselben Verfasserin, in demselben Verlage erschienen, ist dagegen für die heranwachsende weibliche Jugend bestimmt; es hat bereits 42 Jahrgänge erlebt. Ausgezeichnetes bietet uns ferner auf diesem Gebiete die „Union Deutsche Verlagsgesellschaft“ in Stuttgart. Als ein lieber und gern gesehener Hausgast erscheint in diesem Verlage zum 21. male „Der Jugendgarten“, der von Ottilie Wildermuth gegründet wurde und nunmehr von ihren Töchtern Agnes Willms und Adelheid Wildermuth fortgeführt wird. Dank der trefflichen Auswahl spannender Erzählungen, der Berücksichtigung verschiedenster Zweige des Wissens in den zahlreichen klar geschriebenen Aufsätzen bildet das Buch in seinem schmucken, durch Farbendruckbilder anmutig gestalteten Gewande eine wahre Festgabe fürs Haus, welche Knaben wie Mädchen die gleiche Freude bereiten wird. Ausschließlich für Knaben oder Mädchen sind dagegen zwei andere Jahrbücher desselben Verlags bestimmt: „Das Kränzchen“, Illustriertes Mädchen-Jahrbuch, Achte Folge, und „Der Gute Kamerad“, Illustriertes Knaben-Jahrbuch, Zehnte Folge. In ihnen ist der letzte Jahrgang der unter gleichen Titeln erscheinenden und weiter Verbreitung sich erfreuenden Wochenschriften für die Jugend zu stattlichen Geschenkbänden vereint. Schließlich giebt die „Union“ noch ein Jahrbuch für Haus und Familie, besonders aber für die reifere Jugend, unter dem Titel „Das Neue Universum“ heraus; von ihm liegt uns der 17. Jahrgang vor, in welchem an der Hand eines außerordentlich reichhaltigen Jllustrationsmaterials die neuesten und interessantesten Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten des menschlichen Wissens und Könnens besprochen werden.

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Die schwarze und die weiße Dame.
Aus dem „Neuen Universum“ Bd. 17.
(Verlag der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.)

Eine weitere beliebte Art der Jugendschriften bilden illustrierte Reime und kurze Geschichten sowie Fabeln für kleinere und Märchen und Sagen für größere Kinder. Auf diesem Gebiets schöpfen wir zumeist aus dem unvergänglichen Schatze, den uns die Altmeister wie die Brüder Grimm, L. Bechstein, Hey u. a. hinterlassen haben. Die Illustration hat für diese Bücher eine besonders wichtige Bedeutung, da durch gute Bilder das Verständnis für das Erzählte bei dem kleinen Kinde erleichtert wird. Schon die älteren Kinderschriften bieten in dieser Hinsicht Bewährtes und Ausgezeichnetes. So sind auch von Oskar Pletschs reizenden illustrierten Büchern „Allerlei Schnick-Schnack. Alte liebe Reime für unsre Kleinen“ die fünfte und von den Erzählungen und Gedichten „Wie’s im Hause geht“ die achte Auflage (Stuttgart, W. Effenberger) erschienen. Als Neuheiten auf diesem Gebiete möchten wir neben H. LeutemannsGroße Menagerie, wie du sie sahst noch nie“ (ebenda) noch „Nur für brave Kinder“ ein ergötzliches Verwandlungsbilderbuch von Lothar Meggendorfer (Eßlingen, J. F. Schreiber), „Neues Tier-A-B-C“ von Dr. Granarius, „Neues Einmaleins“ mit Bildern von Lothar Meggendorfer und Versen von Ferdinand Feldigl, das Bilderbuch „Wie die Kinder spielen“ (ebenda) und „Des Kindes Welt im Jahreslauf“ mit Reimen von E. Rasche und Bildern von E. G. Walther (Dresden, Alexander Köhler) verzeichnen. Was Märchenbücher anbelangt, so liegen uns in schöner Ausstattung, mit Bildern von Eug. Klimsch und F. Flinzer geschmückte „Kinder-Märchen“ von den Brüdern Grimm vor (Stuttgart, W. Effenberger). Große Freude werden der jungen Welt „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ (ebenda) bereiten, die für die Jugend von Georg Paysen Petersen neu bearbeitet wurden. Von den vielen deutschen Bearbeitungen des „Robinson Crusoe“ von Defoe geben diesmal zwei Anlaß zu besonderer Hervorhebung. Die mustergültige Ausgabe von G. A. Gräbner (Verlag von Gustav Gräbner in Leipzig) hat gerade die 25. Auflage erlebt. Von der bahnbrechenden Bearbeitung J. H. Campes „Robinson der Jüngere“ sind aus Anlaß der Feier des 150. Geburtstages des Verfassers neue Auflagen im Verlage von Fr. Vieweg und Sohn in Braunschweig erschienen, und zwar die 118. Auflage der Prachtausgabe und die 119. Auflage der kleinen illustrierten Ausgabe.

Wenden wir uns den Büchern zu, die für die reifere Jugend bestimmt sind, so verdienen vor allem diejenigen Beachtung, welche die Pflege vaterländischer Geschichte bezwecken. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß auf diesem Gebiete das Bestreben vorhanden ist, durch billige Schriften diese so wichtigen Kenntnisse weitesten Volkskreisen zu vermitteln. Zwei Sammlungen oder „Bibliotheken“ dieser Art verdienen genannt zu werden. „Aus unsrer Väter Tagen“ (Dresden, Alex. Köhler) ist ein Unternehmen, das in Form von Erzählungen die wichtigsten Abschnitte der deutschen Geschichte dem Volke vermitteln will. Die bereits auf 25 Bändchen angewachsene Bibliothek wurde neuerdings durch folgende Schriften vermehrt: „Unter dem französischen Joche. Geschichtliche Erzählung 1806 bis 1812“ von Reinhold Bahmann, „Aus Weimars Blütezeit“ von Dr. R. Siegemund, „Der Spion, Geschichtliche Erzählung aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ von E. Stephan. Dasselbe Ziel verfolgen Karl FlemmingsVaterländische Jugendschriften“, die durch folgende Bändchen bereichert wurden: „Hieronymus Rhode, der Schöppenmeister von Königsberg“ von J. Grundmann, „Heinrich der Eiserne und sein Sohn Otto der Schütz“ von F. Soldan und „König Friedrich Wilhelm I. und Kronprinz Friedrich“ von L. Würdig. Ein schönes, reich ausgestattetes Werk geschichtlichen Inhalts sind die „Lebensbilder deutscher Männer und Frauen“ von J. Stieler, die, mit Bildern von L. Richter und W. Friedrich geschmückt, in zweiter Auflage (Glogau, Karl Flemming) erschienen sind.

Seit einigen Jahren sucht man namentlich die Knaben durch spannende Erzählungen für die deutschen Kolonien zu interessieren. „Jung-Deutschland in Afrika“ ist der Titel einer Serie von Kolonialerzählnngen C. Falkenhorsts, auf die wir bereits wiederholt hingewiesen haben; zu den früheren hat sich ein neues Bändchen „Zum Schneedom des Kilimandscharo“ (Dresden, Alex. Köhler) gesellt. Zwei andere Jugendschriften, deren Schauplatz gleichfalls in Afrika spielt, sind: „Unter Wilde verschlagen“ von Ludwig Foehse und „In den Amatolas“ von Ernst Peltz (Stuttgart, W. Effenberger). Nach wie vor erfreuen sich aber auch die Jndianergeschichten in ungeschwächtem Maße des Beifalls unserer Knaben. Der „Lederstrumpf“ erlebt neue Auflagen und neue Bearbeitungen, und auch neuerdachte Geschichten, reich an spannenden Abenteuern in den Jagdgründen der Rothäute, tauchen auf. Eine treffliche Erzählung dieser Art bietet uns das mit 16 Farbendruckbildern glänzend ausgestattete Buch „Verwehte Spuren“ von Franz Treller (Stuttgart, Union). Friedrich J. Pajeken steuert für den diesjährigen Weihnachtstisch „Der Mestize und drei andere Erzählungen aus Nord- und Südamerika“ bei; in den Pampas spielt die Erzählung „Unter südlicher Sonne“ von Kurt von Albrecht (Stuttgart, Süddeutsches Verlagsinstitut), während Albert Kleinschmidt eine Reihe spannender Erzählungen für jung und alt unter dem Titel „Im Lande der Freiheit und des Dollars“ (Berlin, Herm J. Meidinger) zusammengefaßt hat.

Die schwarze und die weiße Dame. Betrachten wir das obenstehende Bild aus einer Entfernung von 2 bis 3 m, so wird uns die schwarze Dame bedeutend schlanker und kleiner als die weiße erscheinen. Und doch trügt uns unser Auge; denn die beiden Figuren sind genau gleich groß, wie man durch eine Messung leicht nachweisen kann. Solche Täuschungen des Gesichtssinnes nennt man Irradiationserscheinungen. Dieselben beruhen darauf, daß Lichtstrahlen, die von besonders hellen Gegenständen ausgehen, nicht nur auf diejenigen Partien der Netzhaut einen Reiz ausüben, auf denen das Bild entsteht, sondern auch auf die benachbarten Teile der Netzhaut derartig einwirken, als hätten diese einen Lichteindruck erhalten. Die hellen Gegenstände erscheinen darum größer. Diese Thatsache wird längst in der Wahl der Kleidung verwertet. Beleibte Personen erscheinen in schwarzer Kleidung schlanker, große Hände in schwarzen Handschuhen kleiner u. s. w. Wir entnehmen das interessante Bildchen dem neuesten 17. Jahrgang des „Neuen Universum“ (Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart), das wir bereits oben in unserer Bücherschau empfehlend besprochen haben.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 840a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0840_a.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)