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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Mitbürgern begegnen! – Wir verlassen unsere Herberge, ein Bungalow oder Landhaus, abseits der Stadt in der Nähe einiger Baumwollen- und Papierfabriken gelegen. Das Auskämmen und Bearbeiten der Baumwollenflocken ist eine Aufgabe, der sich die Mohammedaner mit Vorliebe zuwenden, während sie als Händler Parfümerien, Schmuckwaren und Juwelen bevorzugen. Hier in Haidarabad war einst der Haupthandelsplatz für die Diamanten Indiens, die im nahen Golconda gar kunstvoll geschliffen wurden, als diese Naturschätze in Indien noch nicht so „vergriffen“ waren wie heutzutage.

Arabische Leibwache des Nisams.

Sabbathstille herrscht auf den Feldern, überall wird das hohe Fest gefeiert.

Wir überschreiten den Mussi auf granitner vielbogiger Brücke, die seit 1830 diesen in der Regenzeit sehr wasserreichen Zufluß des Kistna überspannt. Unten am seichten Ufer kommen und gehen die Elefanten aus dem Marstall des Nisams, sie knieen im trüben lauen Wasser nieder, um mit Sand und Asche, mit Hilfe riesiger Besen und halbierter Kokosnüsse abgescheuert zu werden, ehe ihre „zarte Haut“ zum Feste geschminkt wird. Neugierig blickt auf unserm Bilde (S. 188) der Büffel auf die Untiere, die ihn von seinem Badeplatz verdrängten.

Mit leuchtendem Rot und Gelb werden nach vollbrachtem Bade Stirn, Rüssel und Ohren der Dickhäuter in allerlei Mustern bemalt; diese sollen die \_/ und == Stirnzeichen verspotten, mit denen, wie ich es kürzlich in der „Gartenlaube“, Jahrg. 1896, S.612, schilderte, die brahminischen Hindus sich und ihre Tempelelefanten bemalen, denn geärgert müssen die andersgläubigen Mitbürger werden, wo immer es angeht. Natürlich rächen sich diese dafür in anderen Orten, wo die Moslems in der Minderzahl sind, durch heimliches Anbinden von Schweinen in den Vorhöfen der Moscheen oder ähnliche sinnreiche Aufmerksamkeiten.

Nach der Bemalung werden die Elefanten aufgezäumt. Auf den Kopf kommt eine riesige Kappe, scharlachrot mit goldener Borte, auf den Rücken eine ebensolche Decke mit reicher Goldstickerei, Dutzende von Händen sind behilflich, auf diesen Rücken dann den ungeheuren Handah zu schnallen, der aus Silber und Gold getrieben ist. Ueber dem Handah wölbt sich der scharlachfarbene, goldstrotzende Baldachin, der das Haupt des Nisams und anderer Großen des Reichs vor der sengenden Tropensonne während des Umzugs schützen soll. Schließlich werden goldene Ringe mit glänzenden Steinen um die Stoßzähne der Tiere geschoben, die Zähne selbst nötigenfalls durch Ansätze künstlich verlängert, silberne klirrende Ketten werden um Hals und Füße geschirrt, der „Mahant“ läßt sich durch den Rüssel auf den Nacken des Tieres heben und stellt seine Füße hinter die Ohren des Elefanten, um ihn auf diese Weise zu lenken.

Inzwischen sind wir vor der niedergelassenen Fallbrücke des Stadtthores angelangt; kindlich erscheinen heutzutage diese mittelalterlichen Verteidigungsmittel, diese rosafarbigen Lehmmauern mit Schießscharten, diese veralteten von Kamelen gezogenen Geschütze des Nisams.

Wir weisen unsere Erlaubniskarte zum Besuche der Stadt dem Thorwächter vor – verblüfft starren wir demselben ins Gesicht. Nicht auf die regelmäßigen Züge eines Hindu fällt unser Auge, zwischen aufgeworfenen grinsenden Lippen fletscht uns ein unverkennbarer Afrikaner seine schneeweißen Zähne entgegen, ein Mitglied der arabischen Leibwache des Nisams (vgl. nebenstehende Abbildung).

Nun betreten wir die Stadt, d. h. nicht etwa zu Fuß, das würde sich für einen Vertreter des herrschenden weißen Volkes nicht ziemen. Nur in stolzer Karosse, auf dem Rücken eines edlen Pferdes oder Elefanten oder in einer Sänfte darf sich der Europäer den gaffenden Hindus zeigen. Doch wohlgemerkt, wir besuchen die Stadt auf unsere eigene Gefahr, kein Konsul wohnt innerhalb der Stadtmauern! Werden uns von der festfröhlichen Menge die Knochen im Leibe zerbrochen, so zahlt uns niemand einen Pfennig Schmerzensgeld dafür.

Palankinträger am Stadtthor.

Von fernher dringt das Brausen des Volkslärms aus der innern Stadt. Eine Sänfte, ein Palankin oder Palki, begegnet uns am Stadtthore (vgl. untenstehende Abbildung). An dem großen weißen Namazeichen auf der Stirn des Mannes, der darin kauert, erkennen wir einen brahminischen vornehmen Hindu, der sich aus der Stadt tragen läßt. Er zieht es vor, sich draußen im Freien, etwa an den Ufern des nahen Hussein Sagar-Teiches arglos seinen Curryreis auftischen zu lassen, als im Innern seiner verriegelten Stadtwohnung zu schmausen, vor deren Thür bereits die brüllende Menge unter wütendem Anruf Hassans, Husseins und Mustapha Reimans die Brust in wüstem Takt sich schlägt.

Wie qualvoll ist für den reisenden Europäer die Benutzung eines solchen Palkis! Unsere Gelenke sind eben nicht an das beständige Sitzen mit untergeschlagenen Beinen gewöhnt. Aber zweckmäßig sind diese Kasten doch – will ein vornehmer Hindu mit der Eisenbahn verreisen und seine Gemahlin den Blicken anderer Männer entziehen, so setzt er sich in die erste Wagenklasse, die liebe Frau kommt in einen derartigen Palankin, die Thüren werden zugeschoben; dann wird der Kasten nebst Inhalt als Gepäckstück in den Bagagewagen spediert – glückliche Reise! Wer aber Dienstboten aus der Sekte der Kahars besoldet, die keine Lasten auf Kopf und Rücken tragen dürfen, wie einfach kann er sie zum Lasttragen zwingen! Er läßt die Sachen in den Palki packen, weil dieser mittels Tragstangen auf den Schultern getragen wird und dies nicht in den Kastensatzungen der Kahars verboten ist, die trägen Diener also keine Ausrede haben!

Doch hinein in das Festgewühl des Bazars! Den Mittelpunkt der Stadt bildet der Platz, auf dem sich die vier Hauptstraßen kreuzen; eine große Moschee nach dem Vorbild der Kaaba zu Mekka steht in der Mitte. Wie Ameisenhaufen kribbelt das Volk auf den Straßen durcheinander, dicht gedrängt stehen die Massen auf den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_189.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)