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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

und interessante Ausstellung veranstaltet. Wohl fast alle Maschinen, die vom Beginn der Verarbeitung des Rohstoffes bis zur Vollendung derartiger Ware nötig sind, finden wir hier meist in vollem Gange. Herrliche Erzeugnisse der Spinnerei, Weberei und Wirkerei sehen wir mit eigenen Augen entstehen.

In einem Bau von 3000 qm Grundfläche sind die landwirtschaftlichen Maschinen, Geräte und Erzeugnisse, Gerätschaften, die für Fischerei und Imkerei, Sport und Hygieine dienen, untergebracht. Auch die Fahrradindustrie Mitteldeutschlands möchten wir, obgleich sie nicht hier, sondern auf der entgegengesetzten Seite des Ausstellungsplatzes ihr eigenes Gebäude gefunden hat, schon jetzt erwähnen. Sie verdient wahrlich nicht zuletzt genannt zu werden. Trotz ihrer Jugend hat sie sich so erfreulich entwickelt, daß sie getrost mit England zu rivalisieren vermag. Doch nun zurück und zur Gartenbauhalle, in der zu den verschiedenen Jahreszeiten die denselben entsprechenden Kinder der Flora blühen und duften und dann immer – wie jetzt – einen lieblichen und zugleich lehrreiche Anblick bieten werden. Hier sollen auch zeitweise Ausstellungen auf dem Gebiete der Handfertigkeitsschulen, der Liebhaberphotographie, Briefmarkenkunde und der Jagdtrophäensammlung stattfinden. Ein Teil der Halle ist für ein von Künstlerhand geschaffenes Diorama abgegrenzt, das in eigenartigem Kontrast zu dem eben bewunderten heimatlichen Blumenflor die ganze Mächtigkeit des tropischen Urwaldes Südamerikas darstellt.

Als ein bei aller Einfachheit der Mittel vornehmes Bauwerk stellt sich die Kunsthalle dar. Neben zahlreichen Schöpfungen Uhdes, Precks, Hermann und Hugo Vogels, Kanoldts, Carl Ludwigs, Gussows, Seffners und anderer ist hier eine Sonderausstellung des Leipzigers Max Klinger veranstaltet, auf der sein neuestes Werk zu sehen ist, das einer Vermählung von Bildhauerkunst und Malerei entstammt. Es stellt Christus im Olymp dar und darf wohl, was Gedankentiefe und Ausführung anbelangt, als ein Meisterwerk bezeichnet werden.

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Burg Taufers mit Alpendiorama. Halle der Stadt Leipzig.

Um die Fortschritte der Neuzeit zu erkennen und zu verstehen, giebt es wohl kaum ein besseres Mittel als einen Vergleich zwischen Vergangenheit und Gegenwart anzustellen. Zum Teil diese Erkenntnis, dann aber auch der Reiz der Architektur neben pietätvollem Sinn für das von den Vätern Geschaffene, zeitigte auf den Ausstellungen der letzten Jahre die Anlage alter Städte, die in ihren beschränkten Verhältnissen inmitten der Großstadt mit ihren hohen lichtdurchfluteten Räumlichkeiten so recht augenfällig den Unterschied von einst und jetzt darthun. Auch Leipzig ist diesen Ideen gefolgt und hat in Erinnerung an das 400-jährige Jubiläum seiner Messe, das wir schon eingangs erwähnten, die innere Stadt oder das alte Meßviertel aufgebaut, wie es, wenn auch nicht um das Jahr 1497, so doch vielleicht im 16. Jahrhundert ähnlich ausgesehen haben mag. Wenn man das massige Thor der „Stadt“ durchschritten hat, befindet man sich in Auerbachs Hof, der mit seinen Erkern, Giebeln und Winkeln einen recht anheimelnden Eindruck auf uns ausübt. Wir kehren in dem durch das Goethesche Drama so berühmt gewordene Auerbachs Keller ein, zu dessen künstlerischer Ausschmückung Bildhauer und Maler sich die Hand gereicht haben. Mit glücklichem Griff haben sie Scenen aus „Faust“ genommen und diese mit köstlichem Humor parodiert. So sehen wir Faust und Mephisto durch des Gewölbes Decke entschwinden. Greifbar schweben noch die Beine der kühnen Faßreiter, deren obere Hälften schon durch die Steinquader gedrungen sind, über uns in den Lüften und auch das Bäuchlein ihres hölzernen Rosses ist noch sichtbar. Dort ist eine vollständige Hexenküche eingerichtet, von Meerkatzen und anderem Getier umgeben und mit all dem seltsamen Hexenhausrate ausgestattet, wie es der Dichter vorschreibt.

Nachdem uns ein Glas Frankenwein gestärkt, gehen wir weiter und gelangen nach dem Naschmarkt, auf dem uns das Rathaus mit seinem hohen Giebel und dem Dachreiter besonders interessiert. Das alte gotische Bauwerk, das um die Mitte des 16. Jahrhunderts abgebrochen worden ist, um dem jetzt noch stehenden von Hieronymus Lotter errichteten Bau zu weichen, ist nach einem alten Stadtbilde aufgebaut worden. Dem Rathaus gegenüber erhebt sich das Polizeigebäude, neben dem ein anderes stattliches Haus, der sogenannte Marstall, Platz gefunden hat. Die inneren Räume des Meßviertels bergen eine ganze Anzahl Gastwirtschaften, darunter eine Gosenstube, in der man das berühmte Leipziger Getränk verabreicht. Im Rathause ist eine Sammlung von Gegenständen und Urkunden aus geschichtlicher Zeit untergebracht. In den Läden zu ebener Erde wird flott gefeilscht und gehandelt. Gestalten in den Trachten damaliger Zeit bieten Waren zum Verkauf an. Unser Bild stellt Auerbachs Haus dar, durch dessen Thor man in den Hof gelangt, rechts davon schließt entgegen der Wirklichkeit, in der noch ein Haus dazwischen steht, das Café National an, während auf der linken Seite andere ehrwürdige Zeugen der guten alten Zeit sich anreihen. –

Die Bevölkerung eines Landes, in der Industrie und Handel blühen, sucht sich naturgemäß immer neue Absatzgebiete zu erobern und wird darum die Kolonialbestrebungen ihres Landes mit Anteil verfolgen und gern fördern. Diesem praktischen Zuge Rechnung tragend, hat man die Kolonialausstellungen unternommen. Auch Leipzig hat eine solche erhalten, die das Leben und Treiben in Ostafrika schildern soll. Wir können nicht nur die eigenartigen Gebäude des Landes, unter ihnen eine runde Bastion des Forts in Mpuapua, das Wißmann im Jahre 1889 anlegte, sowie die Station Usungula („Hasenland“) mit ihrem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_316.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)