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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

welches sich vom Einfluß des Rheins in den Bodensee bis zum Ausfluß desselben mit seinen grünen Matten und Obstbaumhainen, seinen hellschimmernden Dörfern Schlössern und Landhäusern am Ufer hinzieht, die Städte Rorschach, Arbon, Romanshorn, Konstanz traulich umrahmend. Von ihnen allen bringt den Reisenden eine kurze Eisenbahnfahrt mitten in die Alpen hinein, an die Ausgangsstationen der berühmtesten Alpenstraßen. Es ist daher kein Wunder, daß der Bodensee längst schon die besuchteste Eingangspforte zur Schweiz ist. Noch wesentlich zugenommen hat der Verkehr seit Eröffnung der Arlbergbahn deren kühner Schienenweg von Lindau und Bregenz aus mitten ins Herz von Tirol führt. Die Dampfschiffahrt auf dem See zeigt sich all diesen Ansprachen in erfreulichster Weise gewachsen. Gegen 50 Dampfer vermitteln den regen Verkehr zwischen den deutschen, österreichischen und schweizer Hafenstädten und all den anziehenden kleineren Ortschaften die den See mit seinen Ausläufern nach Ueberlingen und Radolfzell umkränzen. Und ob man nun vom bayrischen Lindau, vom württembergischen Friedrichshafen oder dem badischen Konstanz aus sich den alpenumrahmten Ufern von Vorarlberg und der Schweiz nähert, überall ist der Ausblick, den man vom Schiff aus genießt gleich reizvoll. Die ansprechende Einrichtung der schnellfahrenden Dampfer ist ganz dazu angethan, die Fahrt durch die erfrischende Seeluft, durch welche Möwen ihre Kreise ziehen, auch sonst zu einem Vergnügen zu machen. Und das bunte Gemisch der Touristenwelt bietet zudem auf dem Schiffe selbst den Augen genug des Interessanten zur Beobachtung. Auf der Erholungsreise, die der Ausspannung der Nerven dienen soll, läßt sich der Mensch leichter gehen als daheim. Die Sorge, was die lieben Nachbarn zu unserem Thun und Lassen sagen, entschlummert, wenn diese Nachbarn Fremde und Genossen auf fröhlicher Fahrt durch die Fremde sind. Das junge Ehepaar, das eben seine Hochzeitsreise angetreten, lebt, unbekümmert um die Mitreisenden, in vertraulichem Gespräch ganz seinem Glück. Und ein älteres, dem eine Kleinigkeit – wie das so vorkommt – zum Anlaß großer Verstimmung wurde, benutzt die Situation auf dem Schiffsdeck, um die innere Entfremdung auch äußerlich zu markieren. Trotzig verharrt der empfindliche Ehemann auf seinem Sessel, während seine noch empfindlichere, „schönere Hälfte“ über das Schiffsgeländer sich ihm „gänzlich abgeneigt“ zeigt. Sie ist ihres Sieges gewiß. Schon lächelt sie vor sich hin – sie kennt ihren Mann. Und bald werden beide, wieder versöhnt, lächelnd zusammen hinausschauen auf die sonnenbeglänzte lachende Bodenseelandschaft.P.     

Grants Grabdenkmal in New York.

Grants Grabdenkmal in New York. (Mit Abbildung.) Ulysses Sidney Grant war einer der größten Männer, die in den Vereinigten Staaten von Amerika gewirkt haben. Geboren am 27. April 1822 in Point-Pleasant in Ohio, erhielt er auf der Militärakademie von Westpoint militärische Ausbildung, nahm an dem mexikanischen Kriege in den Jahren 1845 bis 1848 teil und wurde in demselben zum Kapitän befördert. Bald darauf nahm er jedoch seinen Abschied und wirkte als Geometer und Farmer, bis ihn der Ausbruch des großen Bürgerkrieges wieder unter die Waffen rief. Als Oberst des 21. Illinoiser Freiwilligenregiments begann er im Juni 1861 diesen Feldzug, avancierte jedoch rasch und führte seine Truppen von Sieg zu Sieg. Schließlich wurde er zum Generalleutenant und Oberbefehlshaber aller Armeen der Nordstaaten ernannt. Als solcher führte er den Krieg zu Ende und zwang am 9. April 1865 seinen Gegner, General Lee, bei Appomattox Court House die Waffen zu strecken. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt er den Rang eines Generals, der von der Regierung der Vereinigten Staaten für ihn eigens geschaffen wurde. In späteren Jahren wurde er als Kandidat der republikanischen Partei zweimal zum Präsidenten gewählt.

General Grant starb am 25. Juli 1885 zu Mount Mac Gregor im Staate New York und wurde, seinem Wunsche gemäß, am Hudson begraben. In einem bescheidenen Ziegelbau ruhte anfangs die Leiche in einem stählernen Sarge, bis ein Aufruf für die Errichtung eines würdigen Grabdenkmals für den großen Bürger der Nation erfolgte. Das Ergebnis der Sammlung erreichte die hohe Summe von 2 1/4 Millionen Mark. Am 27. April 1891 wurde der Grundstein zu dem Mausoleum gelegt und im laufenden Jahre am gleichen Tage, dem Geburtstage Grants, fand die Einweihung desselben statt. Es ist aus einem dem Marmor von Carrara ähnlichen weißen Granit erbaut und erinnert durch seine Säulenhallen an antike Vorbilder. Das stolze Mausoleum am Ufer des Hudson erreicht eine Höhe von 53 m und trägt auf seinem Giebel als Inschrift den Wahlspruch Grants: „Let us have peace“ – „Lasset uns Frieden haben“. Das Innere ist fast durchweg in italienischem Marmor ausgeführt und enthält neben kleineren Reliquarien, in welchen Andenken, Trophäen u. dergl. bewahrt werden, die Krypta, in welcher der aus dunkelgrünem Porphyr hergestellte Sarkophag steht.

Die Einweihung des Mausoleums am 27. April gestaltete sich äußerst glanzvoll. Sowohl der neue Präsident Mac Kinley wie der eben geschiedene Grover Cleveland waren anwesend, und unter den Botschaftern bemerkte man auch den deutschen, Baron M. v. Thielmann. Auf dem Hudson waren zehn amerikanische Kriegsschiffe und eine zahlreiche in vier Divisionen geteilte Handelsflotte erschienen. Auf dem Lande aber fand eine großartige Parade statt, denn zahlreiche Regimenter waren aus den entlegensten Staaten herbeigeeilt, und 70 000 Mann defilierten vor dem Grabdenkmal, um noch einmal dem Sieger von Appomattox zu huldigen.*      

„Stilleben“ von Abraham Mignon. (Zu unserer Kunstbeilage.). Unter den „alten Meistern“, welche das „Blumen- und Fruchtstück“ pflegten, ist Abraham Mignon einer der berühmtesten. Von Geburt ein Deutscher – er kam 1640 in Frankfurt a. M. zur Welt – gehört er der holländischen Schule an. Seine Lehrer waren die Blumenmaler Jakob Moreel und J. D. van Heem in Utrecht; namentlich der letztere wurde vorbildlich für die Entwicklung seines Talents. Obgleich Mignon nur 39 Jahre alt wurde, hat er doch eine große Zahl von Bildern hinterlassen, die alle den Vorzug ungemein feiner Ausführung haben. Durch den Glanz der Farbe, die Treue der Wiedergabe, den Reiz des malerischen Arrangements fanden diese Stillleben mit ihren Blumen, Früchten, Schmetterlingen, Käfern, Vögeln zahlreiche Bewunderer und schon bei Lebzeiten Mignons standen sie hoch im Preis. Alle jene Vorzüge vereinigt das Bild, das unsere Kunstbeilage heute wiedergiebt. Das Original hängt in der Dresdener Gemäldegalerie und führt dort im Katalog den Titel „Ein Vogelnest im Fruchtkorb“. Die üppige Fülle von Früchten aller Art, von Weintrauben, Pfirsichen, Aprikosen, Pflaumen, Kürbissen, Beeren, die in und um den Korb herum aufgehäuft sind, erhält einen großen malerischen Reiz durch das freie natürliche Arrangement, welches darauf ausgeht, einen Teil so darzustellen, wie die Früchte zwischen dem Laube am Zweige hängen. Lose darüber hingestreute Blüten, Blätter und Kornähren erhöhen noch diesen Reiz. Allerhand geflügelte Gäste, Bienen, Käfer, Vögel geben sich in dieser duftigen Welt leckerster Genüsse ein Stelldichein. Daß die Zeit, in welcher die Vögel Eier legen und die, in welcher die Traube reif wird, in Wirklichkeit etwas weit auseinanderliegen, war für den naiven Sinn des Malers kein Hindernis, in das Ganze das zierliche Nest mit den drei hellen Eierchen hineinzukomponieren. Um so treuer war er gegen die Wirklichkeit in der Darstellung all der farbenleuchtenden Einzelheiten.


☛      Hierzu Kunstbeilage XIII: „Stilleben“. Von A. Mignon.


Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nr. 24/1897 ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_408.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2023)