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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Montenegrinische Schmuggler.
Nach einen Gemälde Th. v. d. Beek.

erschien als sicheres Verderben, kühnes Wagnis der einzig übrige Ausweg. Als die Dämmerung eintrat, wandte er sich einer hart an der Grenze gelegenen Stadt zu.

Dunkel war’s geworden, als er in ihr eintraf, über den engen Gassen schaukelnd brannten hängende Laternen. Wildfremd in der Stadt und von Hunger erschöpft, fühlte er die Notwendigkeit, eh’ er in späterer, stiller Nacht den Rettungsweg suche, Nahrung zu sich zu nehmen; nach schwankender Wahl zwischen verschiedenen Wirtschaften trat er in die am unscheinbarsten aussehende ein, setzte sich in eine dunkle Ecke der Gaststube und bestellte bei der herankommenden jungen Kellnerin eine Mahlzeit. Sie ging; nur wenige Gäste befanden sich anwesend, das Mädchen kehrte mit einem Trunk zurück und einer Kerze, die sie vor ihn auf den Tisch setzte. Er sagte kurz, sie möge das Licht wieder fortnehmen, es sei unnötig und blende seine von der Tageshitze schmerzhaften Augen. Doch sie that’s nicht, sondern sah ihn mit unverkennbarem Wohlgefallen an, dazu verwundert auf seinen bäuerischen Kittel, und sagte halb lachend: „Sie sind doch kein Fuhrmann.“ Das ließ ihn unbedacht vorschnell handeln, sich aufrichten und die Kerze ausblasen. Dabei aber ward sein Gesicht hell angestrahlt, die Aufmerksamkeit der Uebrigen in der Stube war auf ihn gelenkt worden, eine Stimme wiederholte: Nein, das ist kein Fuhrmann, und eine andere fügte nach. „Das ist wohl Einer, der über die Grenze will.“ Der Sprecher stand dazu auf, sein Gesichtsausdruck war alles eher als vertrauenerweckend, Gewinngier flimmerte ihm aus den Augen.

Instinktiv sprang Alban vom Sitz, um die Stube zu verlassen, und, der Thür näher, gelang’s ihm, diese vor dem andern zu erreichen. Aber eilige Fußtritte und Rufe schollen ihm auf die Straße nach, er ward verfolgt und lief ziellos durch die unbekannten Gassen. Die Grenze konnte nicht fern sein, doch er wußte die Richtung nicht, und zudem mußte er fürchten, den vom Gelärm hinter ihm fraglos aufmerksam gewordenen Wächtern gerade in die Hände zu laufen.

Er war behend und hatte Vorsprung, indes seine Verfolger mehrten sich, ihr Geschrei flog ihm voraus. „Ein Aufständischer! Ein Freischärler! Haltet ihn! Ein Preis steht auf seinem Kopf!“ So fühlte er, daß kein Entrinnen möglich sei, Stimmen vor ihm ließen erkennen, man bereite sich, ihn aufzufangen. Unter einer fensterlosen Mauer entlang eilend, traf er gegen eine dunkle Gestalt, die offenbar die Rufe gehört hatte und mit der Hand nach seiner griff, ihn festzuhalten. Ob auch hoffnungslos, suchte er sich noch einmal freizumachen, doch gedämpft schlug ihm eine weibliche Stimme aus Ohr. „Seid Ihr ein Freischärler?“ Zugleich unterschied nun sein Blick auch Frauenkleidung, und er versetzte atemlos. „Ja, Mädchen.“ – „Was willst du?“ – „Sie verfolgen mich!“ Ihre Finger schlossen sich fester um seine Hand, sie stieß leise aus. „Kommt!“ und zog ihn hastig in eine ihnen unmittelbar zur Rechten befindliche schwarze Oeffnung hinein.

Fast mit der Schnelligkeit eines Gedankens ging dies vor sich. Er hörte einen schweren Riegel schieben, dann durch eine dicke Wandung hallendes Getöse. Und ein paar Augenblicke später trafen von beiden Seiten seine Verfolger zusammen, und ihre lauten Rufe tönten durcheinander. „Wo ist er geblieben“? „Er kann doch nicht in die Erde kriechen –“

Es ward gerüttelt. – „Die Thür ist geschlossen.“ – „Natürlich, seit Dunkelwerden.“ – „Er muß über die Mauer sein!“ – „Da ist ein Zacken, d’ran geht’s“.

In einem völlig finstren, ihn kühl anschauernden Raum stehend,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_465.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)