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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Fischstacheln giebt, die, genau nach Art der Giftzähne von Schlangen, mit Giftdrüsen und Giftröhren versehen sind.

Auch kann man es häufig beobachten, wie viele Fische ihre Stacheln beim Herannahen einer Gefahr aufrichten, z. B. unsere Stichlinge, wenn man an die Wände ihrer Behälter klopft. Die Stacheln der Fische haben wohl schon frühzeitig die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich gelenkt. Viele wilde Völker benutzen sie als Pfeilspitzen. Auch auf alten ägyptischen Wandgemälden findet man Fische dargestellt, die mit aufgerichtete Stacheln unter anderen Fischen einherschwimmen.

Oviedo und Las Casas, die zu Anfang des 16. Jahrhunderts lebten und Amerika zur Zeit seiner Entdeckung beschrieben, berichten über ein kleines spannenlanges Fischchen, von den Spaniern Reverso genannt, welches mit seinen aufgerichteten Rückenstacheln die größten Fische so erfolgreich angreife, daß die Indianer Cubas und Espanolas es zum Fischfang benutzen, indem sie es an einer dünnen, aber festen Schnur, die am Ende einen Schwimmer trägt, ins Meer lassen.

Obgleich uns diese Erzählung nicht sehr glaubwürdig erscheint, so wäre es doch nicht undenkbar, daß ein kleiner mit Giftstacheln bewaffneter Fisch,

Sperrvorrichtungen an Stacheln der Fische.
A aufgerichteter – B niedergelegter Stachel des Einhorns. – C Sperrvorrichtung bei den Stacheln des Heringskönigs.

z. B. die Seekröte (s. die Abbildung S. 592), welche in der That in jenen Gegenden lebt, größere Fische angreift und tötet. In der neuern Zeit sind von den verschiedensten Beobachtern Kämpfe geschildert, in denen ein Fisch den andern mit seinem Stachel durchbohrt und tötet. Bei Lütken findet sich hierüber folgende Angabe. „Ein Brasilianer hat Dr. Lund erzählt, daß er einmal sah, wie ein kleiner Wels seinen Bruststachel in den Körper eines viel größeren Fisches stieß. Der Fisch machte einen Sprung aus dem Wasser, geriet auf das Trockene und wurde zugleich mit dem Wels gefangen, der fest an ihm hing.

Es handelt sich in solchen Fällen wohl vielfach um die Kämpfe, welche die Männchen zu bestehen haben, wenn sie die im Neste befindlichen Jungen bewachen.

Diese „Brutpflege“ kann man häufig an unseren Stichlingen im Mai und Juni beobachten (vergl. die Abbildung S. 595).

Da der Fisch während einer solchen Wache seine Waffen, die Stacheln, oft lange Zeit hindurch ununterbrochen aufgerichtet zu erhalten hat, so müssen die Stachelmuskeln nicht selten so sehr ermüden, daß der Fisch seine Waffen sinken läßt und nun seinen vielen Feinden gegenüber vollständig schutzlos ist.

Es war mir z. B. ganz undenkbar, daß ein Stichling seine Stacheln stundenlang mit seinen Muskeln aufrecht erhalten kann. Ich vermutete daher, daß gewisse Anordnungen und Vorrichtungen den Muskeln das Aufrechterhalten der Stacheln erleichtern. Zahlreiche Untersuchungen, die ich hierüber an den verschiedensten Fischarten anstellte, bestätigten meine Vermutung.

Richtet man z. B. die Rückenflossen eines Barsches auf, so bemerkt man, daß die vordersten Strahlen derselben stark nach vorn geneigt sind, offenbar weil es den Muskeln leichter ist, einen schräg nach vorn gerichteten Stachel gegen den Druck des Wassers beim Schwimmen zu erhalten, als einen senkrecht stehenden. Auch die Masten der Schiffe sind ja hauptsächlich nur deshalb nach hinten gerichtet, damit den Tauen das Halten der Masten erleichtert wird, wenn das Schiff vor dem Winde segelt. Jedenfalls haben die Barsche einen recht sicheren Schutz in ihren stacheligen Flossenstrahlen.

Da viele stacheltragende Fische Nester bauen und dieselben bewachen, so vermutete ich auch von den Barschen Aehnliches. Ich konnte jedoch keine Angabe in der Litteratur hierüber auffinden und wandte mich daher mit einer Anfrage an den Leiter der Fischzüchtereien des Fürsten Schwarzenberg in Wittingau (Böhmen), an Herrn Josef Susta. Dieser war so freundlich, mir folgende Antwort zu erteilen:

„Zu Ihrer Bemerkung, daß stacheltragende Fische eine Brutpflege haben, kann ich mitteilen, daß auch der Barsch und der Zander ihre Brut, wie der Vogel seine Jungen, im Neste pflegen. Deswegen habe ich auch die Laichgraben, welche die Zander mit dem Schwanze schlagen, Nester genannt. Wie erbittert setzen sie sich zur Wehr, wenn ein anderes Tier oder die Menschenhand in ihre Nähe kommt! Wenn man bedenkt, wie scheu sonst diese Fische vor der Menschenhand fliehen, so will diese Beobachtung viel bedeuten.

Bei anderen Fischen, z. B. bei dem Einhorn (Monacanthus) findet man eine Vorrichtung, welche den Fisch befähigt, seine Stacheln ganz ohne Muskelthätigkeit aufrecht zu erhalten. Es ist dieses eine vollständige Sperrvorrichtung , ein kleiner keilförmiger Knochen, der von dem Fische hinter den Gelenkkopf des Stachels geschoben wird.

Die beistehenden Abbildungen (Fig. A und B) mögen diese Vorrichtung verdeutlichen. Der kleine Knochen hinter dem Stachel (Hemmknochen) ist mit seinem oberen Ende durch ein Band an dem Stachel befestigt. Erhebt man den Stachel, so wird auch das obere Ende des Hemmknochens erhoben. Sein unteres keilförmiges Ende gleitet hierbei hinter das Gelenkende des Stachels und steckt ihn so fest, daß man ihn nicht zurücklegen kann, so lange die untere Spitze des Hemmknochens hinter dem Gelenkende sich befindet. Zieht man jedoch an dem Beugemuskel, der am unteren Ende des stabförmigen Knochenhebels angreift, so wird die untere Spitze des Hemmknochens hervorgezogen und der Stachel umgelegt. Den Fischerknaben am Roten Meere ist diese Sperrvorrichtung wohlbekannt, sie haben es oft erfahren, daß sie das Einhorn nur dann aus seinem Felsloch ziehen können, wenn sie den kleinen Flossenstachel (Hemmknochen) hinter dem Rückenstachel niederdrücken, wie den Drücker an einer Flinte, und so den großen Stachel umlegen.

An den Rückenstacheln des Heringskönigs (Fig. C) findet sich eine Sperrvorrichtung, die zeigt, wie der kleine Hemmknochen des Einhorns aus einem langen stacheligen Flossenstrahl entstehen kann.

In Fig. C sind die drei vorderen Strahlen der Rückenflosse des Heringsköniges abgebildet. Man bemerkt an der Rückseite des ersten und zweiten Strahles in der Nähe des Gelenkes einen knöchernen Fortsatz, dessen Form an einen Sporn erinnert. Mit diesem Sporn stemmt sich der erste Strahl, wenn er aufgerichtet ist, gegen ein Grübchen an der vorderen Seite des zweiten Strahles, so daß er hierdurch festgesteckt wird. Der zweite Strahl stützt sich gegen die vordere Seite des dritten. Der dritte Strahl kann aber nicht mehr sich gegen den vierten stützen, sein Sporn ist hierzu nicht genügend lang.

Man denke sich jetzt alle Strahlen so zurückgebildet wie beim Einhorn. Bei diesem ist vom zweiten Strahl nur noch das Gelenkende vorhanden und bildet den Hemmknochen zum Feststecken des ersten Strahles. Solche Rückbildungen von Flossen werden wir unten noch näher kennenlernen. Es kann hierbei die ganze Flosse schwinden und nur der vorderste Strahl sich zu einem Stachel ausbilden. Es können aber auch mehrere Strahlen der Flosse zu Stacheln sich entwickeln, indem die Schwimmhaut zwischen ihnen schwindet. Dieses ist z. B. der Fall bei unserem Stichling. Obgleich er so klein ist, verschont ihn doch der gefräßige Hecht wegen seiner feststellbaren Stacheln, während er den großen Karpfen trotz seiner scharfen, gezähnelten Stacheln ganz ungestraft

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 594. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_594.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2016)