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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

herausgab, erregten allgemeines Aufsehen. Das Buch erlebte rasch hintereinander mehrere Auflagen und wurde auch in zahlreiche fremde Sprachen übersetzt. Köstlich sind die Erzählungen, welche sie von ihren Besuchen in den orientalischen Harems, von ihrem Zug durch die Wüste, an das Rote Meer usw. zum besten giebt. Aus der Fülle derselben sei nur eine kleine Episode erwähnt. Ida Pfeiffer hatte sich vor der Reise ihre Haare kurz abgeschnitten in der richtigen Voraussicht, daß sie weder Zeit noch Gelegenheit haben würde, dieselben unterwegs gehörig zu ordnen und zu pflegen. Als sie den Damen des Harems eines hochstehenden Paschas ihren Besuch abstattete, staunten die Odalisken über die kurzen Haare, indem sie meinten, die Natur habe wohl den Europäerinnen den langen Haarwuchs versagt; mitleidig besah und befühlte jede der Frauen des Paschas den Kopf der Wienerin. Nicht wenig schien sie auch die Magerkeit Ida Pfeiffers zu befremden, denn alle Orientalinnen des Harems zeichneten sich durch außerordentliche Körperfülle aus.

Drei Jahre später unternahm Ida Pfeiffer eine Reise nach dem Norden. Ueber Kopenhagen ging sie nach Island, bestieg den Hella und kehrte über Skandinavien nach Wien zurück. Das Tagebuch dieser zweiten Reise erschien

Ida Pfeiffer.
Nach einem Stahlstich von Weger.

unter dem Titel: Reise nach dem skandinavischen Norden und der Insel Island in zwei Bänden, Pest 1846, diesmal unter ihrem Namen, und wurde gleichfalls viel gelesen. Der Erlös der mitgebrachten Naturalien, sowie das Honorar des Verlegers bildeten für sie die Grundlage von Ersparnissen für neue Unternehmungen. Die beiden ersten Reisen betrachtete sie nur als Vorstudien, als Kraftprüfungen, als Anreiz zu weitaus größeren gefährlicheren Reiseunternehmungen. „Ich habe,“ meinte sie dann als scherzhaft, „Blut geleckt und spüre mich zu etwas tigerhaften Abenteuern aufgelegt. Eine Reise um die Welt war es, die den Geist der kühnen Frau jetzt beschäftigte, und diese einmal gefaßte Idee ließ ihr keine Ruhe mehr. Indem sie von ihren großartigen Reiseplänen ihren Verwandten! und namentlich ihren Söhnen nichts sagte, sondern nur Brasilien als ihr Ziel nannte, nahm sie am 1. Mai 1846 von Wien Abschied, um ihre Weltfahrt anzutreten, die sie in das Innere Brasiliens, und durch den Westen Südamerikas bis zum chinesischen Küstenland, und nach Hindostan brachte. Sie sah u. a. Tahiti, Canton, Calcutta, Delhi, Bombay und Bagdad und sie kehrte dann über Afghanistan, Persien und Georgien nach Triest zurück. Furchtbare Mühseligkeiten und Entbehrungen hatte sie auf dieser Reise zu erleiden. In Canton z. B., wo die ungewöhnliche Erscheinung einer europäischen Frau auf die Söhne des Reiches der Mitte sinnverwirrend wirkte, wäre sie beinahe erschlagen worden, und anläßlich eines Ausfluges in das Innere Südbrasiliens wurde sie von einem entlaufenen Negersklaven in raubmörderischer Absicht überfallen und schwer verwundet; nur einem Zufall verdankte sie die Rettung ihres Lebens.

Lange hielt es Ida Pfeiffer in ihrer Heimat nicht aus. Als sie ihre zahlreichen Sammlungen verkauft, ihre Tagebücher unter dem Titel „Eine Frauenfahrt um die Welt (3 Bände, Wien 1850) veröffentlicht hatte und dabei nicht den geringsten Abbruch ihrer Kräfte fühlte, begann in ihr, trotz der überstandenen ungeheuren Strapazen, der Plan einer zweiten Reise um die Welt zu reifen. Inzwischen war sie eine weltbekannte Persönlichkeit geworden, alle großen Zeitungen der Erde erzählten von der kühnen Weltreisenden, welche schon damals 30 000 Kilometer zu Land und mehr als 150 000 Kilometer zur See zurückgelegt hatte, und so sah sich die österreichische Regierung veranlaßt, ihr einen Reisebeitrag von 1500 Gulden zu spenden.

Das Jahr 1851 sah sie wieder auf dem Meere. Diese vierte Reise ging ebenfalls, aber in umgekehrter Richtung, um die Welt, und zwar über das Kap der guten Hoffnung nach den Sundainseln, Borneo, Java und Sumatra. Nach 1½ jährigem Aufenthalt in jenem Archipel, in Neuholland und der australischen Inselwelt wanderte sie nach Amerika, durchzog Kalifornien, drang bis an die Quellen des Amazonenstromes vor, wagte sogar die Besteigung des Chimborasso und kehrte nach dreijähriger Abwesenheit 1854 über Hamburg zurück. Sehr liebenswürdig und wohlwollend kamen ihr überall die holländischen Offiziere und Beamten entgegen, und sie fühlte sich denselben für ihre zuvorkommende Hilfe und Unterstützung so sehr zu Dank verpflichtet, daß sie das Werk, welches sie über diese zweite Weltreise 1856 veröffentlichte, den Holländern in Indien widmete. Auch die Nordamerikaner bezeigten ihr lebhafte Sympathien. Sie gestatteten ihr viele Freifahrten, sowohl auf Segelschiffen als auch auf ihren großen prachtvollen Dampfern, und behandelten sie überhaupt mit der auszeichnendsten Aufmerksamkeit.

Die von unserer Weltumseglerin gesammelten reichhaltigen und wertvollen Naturalien und ethnographischen Gegenstände gelangten zum größten Teil in das Britische Museum und in die kaiserlichen Sammlungen in Wien. Großes Interesse nahmen weltberühmte Naturforscher und Geographen wie Alexander von Humboldt und Karl Ritter an den Bestrebungen und Forschungen Ida Pfeiffers. Auf den Antrag der beiden Gelehrten ernannte die Berliner Geographische Gesellschaft sie zum Ehrenmitglied – eine Ehrung, welche ihr übrigens später auch von der Geographischen Gesellschaft in Paris zu teil wurde – und der König von Preußen verlieh ihr die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft.

Ihr reger Geist und ihr Forschungstrieb ließen ihr noch immer keine Ruhe, auch meinte sie, daß die Ergebnisse ihrer Weltreisen sich bei einem neuen Unternehmen noch glänzender gestalten würden; so begann sie denn 1856 ihre dritte Weltumseglung. Diese letzte Reise, die sie am 21. Mai des genannten Jahres von Wien aus unternahm, ging zuvörderst nach Madagaskar, wo damals die ruchlose und blutdürstige Königin Ranavola herrschte und die grausamsten Unthaten ausführte. Vergebens warnte A. v. Humboldt sie vor einem Besuch jenes barbarischen Landes, der Reiz, sich das geheimnisvolle, noch fast gänzlich unbekannte Innere dieser Insel aufzuschließen, war jedoch für sie unwiderstehlich. Anfangs günstig aufgenommen, wurde sie von der Tyrannin bald für eine Spionin gehalten, aufs heftigste verfolgt, mehrere Monate als Gefangene in sumpfigen Wüsteneien herumgeschleppt und dann aus dem Lande gewiesen, und so brachte sie mit dem Malariafieber den Todeskeim mit in die Heimat zurück. Ihre bisher unerschütterte eiserne Gesundheit war gebrochen, und sie ließ sich nach Wien bringen, um dort zu sterben. In der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober 1858 hauchte die edle Frau ihre unsterbliche Seele aus. Mit ihr starb eine Heldin der Wissenschaft und der Forschung von unerschrockener kräftiger Natur, mit einer kühnen und mutigen Seele, welche frei von jeder nervösen Schwärmerei war und das Wort vom schwachen Geschlecht zu Schanden machte. Mit bewunderungswürdigem Heroismus hat sie Seestürme, die Glut der Tropen, die Kälte der Polarzonen, Hunger und Durst, Todesgefahr und die Verräterei tückischer Menschen überstanden, nur um der Gesamtheit zu nützen und der Wissenschaft neue Siege erringen zu helfen.

Dr. Adolph Kohut.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_683.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2016)