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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

und reichverzierte Anfangsbuchstaben nach Zeichnungen, in denen der Künstler seinem Humor die Zügel schießen ließ. Außerdem hatte Holbein den Erasmus und seinen Freundeskreis zu porträtieren, und dies war das Entscheidende für sein Leben.

Baseler Bürgerfrau.
Tuschzeichnung im Museum zu Basel.
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.

Neben dem Humanismus machte sich nämlich seit 1522 in Basel noch eine andere Strömung geltend, die weit tiefer eingreifen sollte, das war die Reformation. Freilich hat Holbein anfangs gerade auch durch sie Arbeit gefunden, da er nun auch die Baseler Nachdrucke der Lutherschen Bibelübersetzung zu illustrieren hatte; aber da die Altarbilder immer noch die Hauptaufgabe des Malers waren, sah er voraus, daß diese Bewegung im weiteren Verlauf ihn seines Verdienstes berauben werde, und schaute sich nach neuen Existenzbedingungen um. Erst wußte er, der nun schon einer der hervorragendsten Zeichner für den Holzschnitt geworden war, von einer Lyoner Firma sich den Auftrag zu verschaffen, einen Cyklus von Totentanzscenen und Illustrationen zu einer Ausgabe der Vulgata für Holzschnitt anzufertigen. Dieser „Totentanz“, der nun in den nächsten Jahren zustande kam, ist kein Wandbild, wie so viele glauben, die Holbeins Werke in Basel aufsuchen. Es existierten freilich ehemals dort zwei solcher Wandbilder, sie sind aber schon lange vor Holbein dagewesen und haben dessen Darstellung leicht beeinflußt. Holbeins Totentanz besteht aus einer Reihe von kleinen Holzschnitten, die nicht nur durch die Genialität der Erfindung und Zeichnung, sondern auch durch die unübertreffliche Arbeit des Holzschneiders berühmt sind. Man sieht Todesgestalten, welche dem menschlichen Gerippe nachgebildet sind, wie sie die Lebenden inmitten der Thätigkeit überfallen, wegführen, oft auch bloß mit höhnischer Gebärde in ihrem Thun unterstützen, so daß wenigstens der Beschauer dann ahnt, daß es mit dem Lebenden bald zu Ende geht. Holbein giebt dabei ein Bild seiner Zeit und läßt merken, was er über seine Zeit denkt. Der Papst, die weltliche Gerichtsbarkeit, der Falschspieler werden mitten in ihrer Sünden Blüte weggerafft, dagegen sind Kaiser, Ortsgeistlichkeit und Arme mit Wohlwollen behandelt. Wohl nie sonst hat Holbein so viel von seinem Fühlen und Denken verraten. Bald nach diesen Holzschnitten schuf Holbein in Basel noch das schönste deutsche Madonnenbild, die Madonna des Bürgermeisters Meyer, die sich gegenwärtig im großherzoglichen Schloß zu Darmstadt befindet. Es war eine Stiftung des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen, der auf dem Bilde mit seiner Familie knieend vor der Gottesmutter dargestellt ist. So sind gerade seine zwei populärsten Werke in dem kurzen Zeitraum von 1523 bis 1526, noch vor dem dreißigsten Altersjahr, entstanden. Es stammen aber ungefähr aus dieser Zeit auch noch die „Baseler Frauentrachten“, von denen drei hier abgebildet sind, und zahlreiche Entwürfe namentlich für Glasgemälde. Unter diesen Arbeiten ist eine der elegantesten der Erzengel Michael (S. 865). Die Bestimmung des Bildes ist aber hier nicht ganz klar, vielleicht sollte es in größerem Maßstab irgendwo eine Wand schmücken.

Vornehme Dame in reicher Tracht und Federhut.
Tuschzeichnung im Museum zu Basel.
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.

Im Jahre 1526 läßt Holbein Weib und Kind in Basel zurück und siedelt zunächst für zwei Jahre nach England über. Hier kamen ihm Empfehlungen von Erasmus zu gute, noch viel mehr aber zwei seiner Bildnisse, die schon vorher nach England geschickt waren. Das eine heute noch in England befindliche (S. 867) ist Erasmus selbst. Holbein wird im Hause des Thomas Morus, der damals der erste Minister Heinrichs VIII. war, aufgenommen und porträtiert dessen Familie, sowie Gelehrte und Würdenträger aus dessen Bekanntenkreis. 1528 bis 1532 weilt er nochmals in Basel, eben als hier die Reformation zum Durchbruch kommt, Altargemälde seiner Hand vom aufgebrachten Volke zertrümmert werden und viele seiner früheren Gönner die Stadt verlassen.

Holbein fügt sich der neuen Ordnung, vollendet die Malereien im Rathaus, schafft auch wahrscheinlich damals die glänzendste seiner Fassadendekorationen und 1529, wie er gerade einmal keine Arbeit hatte, das großartige Porträt seiner Familie (S. 865).

Vornehme Baselerin in Tuchkleid und gestickter Haube.
Tuschzeichnung im Museum zu Basel.
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.

Dann siedelt er wieder nach England über. Dort ist unterdessen sein früherer Gönner in Ungnade gefallen; er muß es erleben, daß dieser sogar auf dem Schafott sein Leben einbüßt. Unter dem neuen Minister Cromwell gewinnt die romfeindliche Strömung die Oberhand, dann, im Jahre 1539, wird auch dieser treue Diener wieder gestürzt und für kurze Zeit kommt die katholische Partei ans Ruder, bis auch diese wieder verdrängt wird.

Holbein ist von diesen Wechselfällen unberührt geblieben; der große Geisteskampf, der alle tieferen deutschen Gemüter aufregte, beeinträchtigte sein künstlerisches Schaffen nicht.

Er hat zunächst die Kaufleute der deutschen Kolonie in London porträtiert, dann stieg er in der Gunst der englischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 866. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_866.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)