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Kleine Mitteilungen.


Zur Errichtung eines Denkmals für Heinrich Noé erläßt die Sektion Bozen des „Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins“ einen Aufruf. All die vielen Freunde unserer deutschen Alpenwelt, denen der verstorbene Schriftsteller durch seine Werke ein begeisternder Geleitsmann auf so mancher Berg- und Thalfahrt gewesen, werden gewiß gern dazu beitragen, daß ihm ein würdiges Denkmal in der schönen südtiroler Stadt erstehe, in der er am liebsten den Wanderstab rasten ließ und auch die letzte Zeit seines Lebensabends verbrachte. Schon vor mehr als dreißig Jahren, als größere Alpenreisen noch zu den Seltenheiten gehörten, war Heinrich Noé einer der wanderfrohen Pioniere, die mit kühner Entdeckerlust in die abseits vom Weltverkehr gelegenen hohen Gebirgsthäler drangen, Land und Leute, Sitte und Brauch mit liebevollem Anteil studierend, um dann der Welt von dem Geschauten treue Kunde zu geben. Seine Schilderungskunst war die eines echten Poeten, der mit schönheitskundigen Künstleraugen in die tote und die belebte Natur blickte. Ein jeder, der sich mit seinen Büchern vertraut gemacht hat, wird Noés Anregungen auch Genüsse zu danken haben, die zu seinen schönsten Reiseerinnerungen zählen.

Das Denkmal soll in einfacher, aber der Bedeutung des Verstorbenen entsprechender Gestaltung in dem Bozen benachbarten Kurort Gries erstehen, wo Noé auch seine letzte Ruhestätte fand. Beiträge werden von allen Vereinsleitungen alpiner Sektionen, im besonderen vom Kassier der obengenannten Sektion Bozen, Herrn Anton Red daselbst, entgegengenommen.

Ein alter Mitarbeiter der „Gartenlaube“, der „Achtundvierziger“ Theodor Kirchhoff in Sän Franzisko, hat in diesen Tagen seinen 70. Geburtstag gefeiert. Am 8. Jannar 1828 zu Uetersen in Holstein geboren – sein Vater war nachher Bürgermeister in Kiel – wurde er in früher Jugend von der nationalen Bewegung ergriffen, welche 1848 zu dem Aufstand der Elbherzogtümer gegen Dänemark führte. Er hatte noch nicht lange das Gymnasium beendigt und seine Studien als Polytechniker in Hannover begonnen, da bestimmte ihn der Ausbruch des Kriegs, als Freiwilliger an der bewaffneten Erhebung für die „ungeteilte“ Selbständigkeit Schleswig-Holsteins teilzunehmen: er wurde Lieutenant und bewährte sich tapfer bis ans Ende des Kriegs. Nach dem Siege der Dänen wanderte er nach Amerika aus, wo er anfangs ein unruhiges Wanderleben führte und mancherlei Abenteuer bestand, bis er in Clarksville (Texas) festen Fuß faßte und ein Geschäft gründete, das anfangs florierte, durch den Bürgerkrieg aber wieder zerstört ward. 1862 kehrte er auf ein Jahr in die Heimat zurück, bereiste Deutschland, England, Schottland, die Schweiz und Frankreich und begann, sich als Schriftsteller zu bethätigen. Aus Oregon, wo er sich in The Dalles als Kaufmann niederließ, schrieb er seine ersten Landschaftsschilderungen aus dem „Westen“ für die „Gartenlaube“. 1869 siedelte er nach San Franzisko über, wo er noch jetzt in voller Rüstigkeit lebt.

Wiederholt hat er inzwischen die alte Heimat besucht, allezeit aber zu ihr lebhafte geistige Beziehungen unterhalten. Seinen früheren Dichtungen und Reisebildern hat Kirchhoff eben jetzt ein neues Werk folgen lassen, das uns sein reiches buntbewegtes Leben in einem poetischen Spiegelbild zeigt: die episch-lyrische Dichtung „Hermann, ein Auswandererleben“. Wir wünschen dem wackeren Mitarbeiter einen reich gesegneten Lebensabend!

Das Brummen der Dampfkessel. Nicht selten nimmt man an den im Betrieb befindlichen Kesseln von Lokomobilen, Lokomotiven oder Betriebsdampfmaschinen ein eigentümliches lautes Brummen oder Dröhnen wahr, ohne daß der Laie der Regel nach imstande ist, sich von den Ursachen dieser Erscheinung Rechenschaft abzulegen. In Wirklichkeit entsteht das Brummen, das man mitunter kilometerweit vernehmen kann und das in solchen Fällen zu einer großen Belästigung der Nachbarschaft des betreffenden Kessels wird, durch die heftigen Luftströmungen, die beim Heizen des Kessels auf dem Rost ihren Anfang nehmen und dann die metallischen, nicht vollkommen starren Teile der Kesselkonstruktion in Mitschwingung versetzen. Unter Umständen können diese Schwingungen sich bis zu dem Maße steigern, daß das Brummen zu einem starken dröhnenden Geheul wird, daß Feuerrohre bersten und aus dem Kessel herausfliegen und infolge der deftigen Lufterschütterungen, genau wie bei einer starken Explosion, Fensterscheiben in der Nachbarschaft zerspringen. Neben Fehlern in der Konstruktion sind es in der Regel auch solche in der Bedienung der betreffenden Kessel, welche das Brummen oder Heulen veranlassen, besonders eine zu leichte Kesselkonstruktion in ersterer oder eine unregelmäßige Beschüttung des Rostes in letzterer Hinsicht. Bei Flammrohrkesseln konnte das Brummen fast immer durch die Verstärkung der Rohre mittels Einbauten, bei vielen anderen Kesseln durch die Anwendung eines zäheren, leichter schlackenden Brennmaterials vermieden werden. Bw.     

Blutrache in Albanien. Albanien ist das unbekannteste Land Europas; namentlich ist das Reisen in Oberalbanien für den Fremden mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Dr. Hassert hat im letzten Jahre unter vielen Mühen dieses Gebiet durchforscht. Seinem Berichte darüber entnehmen wir die folgenden Mitteilungen über die verderblichen Folgen der „Blutrache“, die dort noch allgemein üblich ist. Sie fordert alljährlich gegen 3000 Menschenleben. Wie eine schwere Geißel lastet die Unsitte auf dem Lande. Die Männer sind nur in den Kirchen und auf bestimmten Straßen, auf welchen „Gottesfrieden“ herrscht, ihres Lebens sicher. Sonst sind sie überall von Mordanschlag bedroht. Sie verlassen darum die Ortschaften nur mit den Waffen in der Hand und viele ihrer Wohnhäuser sind burgartig gebaut und zur Verteidigung eingerichtet. Da an Frauen keine Blutrache geübt wird, besorgen diese die meisten Feldarbeiten. An der Küste sind die Verhältnisse wesentlich besser, und hoffentlich dringt die Kultur bald in das schöne Gebirgsland und bringt seinen Bewohnern den ersehnten Frieden.

Die Verwendung des Hahns als Uhr. Warum haben die Menschen in grauer Vorzeit das Huhn gezähmt? Doch wohl wegen seiner Eier und seines Fleisches! Diese Erklärung scheint uns auf den ersten Blick am natürlichsten, ist aber bei näherer Betrachtung unhaltbar: denn die ersten Hühner, die in der Gefangenschaft des Menschen lebten, legten wenig Eier und vermehrten sich nur schwach. Es müssen also andere Gründe gewesen sein, die den Menschen bestimmten, das Huhn zu seinem Hausgenossen zu machen. Sehr wahrscheinlich ist es, daß der erste Nutzen, den diese Vögel dem Menschen brachten, in ihrer Verwendung als Uhr bestand. Während viele Tiere die Dämmerung des Morgens und des Abends mit Lautäußerungen begrüßen, hat der Hahn die besondere Eigenschaft, um Mitternacht zu krähen. Dadurch wurde er für Menschen, die noch keine Uhren hatten, sehr wichtig. Die Römer waren im Altertum gewöhnt, sich nach der Stimme des Hahnes zu richten, der bürgerliche Tag begann bei ihnen mit dem ersten Hahnenschrei. Die Spanier nahmen die Hühner hauptsächlich als Uhren nach Amerika, und es fiel ihnen auf, daß die Vögel in der Neuen Welt nicht mehr so pünktlich krähen wollten.

In seinem trefflichen Werke „Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen“ (Leipzig, Duncker & Humblot) führt Eduard Hahn einige Beispiele an, wie sehr diese Verwendung der Hühner noch heute verbreitet ist. Im Orient pflegen große Karawanen gewöhnlich einen recht schönen Hahn mit sich zu führen, dessen Krähen den Aufbruch der Reisenden regelt. In Abessinien sind Hähne die Kirchenuhr, als Uhren werden sie von den Kaffern geschätzt und auch in Birma benutzt.

Zuerst wurden die Hühner höchstwahrscheinlich in Südasien gezähmt, im Laufe der Zeit begannen sie als Haustiere unter dem Schutze der Menschen fleißiger Eier zu legen, und nun wurden sie auch nach dieser Richtung hin als Nutzgeflügel geschätzt.

Nach Europa kamen die Haushühner verhältnismäßig spät, vermutlich erst im fünften oder sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt.

Eisenbahnwohnhäuser. Wer hat nicht schon mit Wohlgefallen so manches der am Bahndamm entlang aufgestellten sauberen Häuschen betrachtet? Hier hausen in ihren Dienstwohnungen die Leute, welche im Bahnbetriebe und bei der Bahnunterhaltung beschäftigt sind: die Bahnmeister, Rangiermeister, Weichensteller, Bahnwärter, Rottenarbeiter, deren Dienst das Wohnen in möglichster Nähe des Schauplatzes ihrer Thätigkeit erheischt.

Im Deutschen Reiche giebt es nahezu 24000 solcher Häuser, von denen je eins bei den deutschen Staatsbahnen auf 1,7 km, bei den Privatbahnen auf 2,5 km Betriebslänge entfällt. Beiden einzelnen Verwaltungen scheint der Bedarf freilich sehr verschieden, je nach den Grundsätzen, welche beim Bau maßgebend waren. Während die Verhältniszahl der Staatsbahnen bei der Oldenburgischen Bahn nicht ganz 1, bei der Main-Neckarbahn 1,2 beträgt, steigt sie im Bezirk Erfurt auf 5, im Bezirk Halle auf 4,5, im Bezirk Magdeburg auf 4. Von den Privatbahnen hat die bayrische Ludwigsbahn (Nürnberg-Fürth) die günstigste Zahl: 9 Wohnhäuser auf 6 km Betriebslänge. Bei einigen Privatbahnen steigt die Verhältniszahl außergewöhnlich hoch, bis zu 27; andere dagegen haben für Bahnbedienstete gar keine Wohnhäuser zwischen den Stationen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 36_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0036_d.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2024)