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Blätter und Blüten



Die erste deutsche Handelshochschule zu Leipzig. Die kolonialen Bestrebungen eines Volkes, die mit dem Blühen seines Handels Hand in Hand gehen, stellen immer höhere Anforderungen an die Tüchtigkeit seines Kaufmannsstandes. Dem Kaufmann liegt es ob, die Erzeugnisse ferner Zonen dem Vaterlande zugängig zu machen und denen der Heimat neue Absatzgebiete zu eröffnen. Zugleich soll er aber auch als Pionier für Bildung und Gesittung wirken und im Verkehr mit fremden Nationen das Ansehen seines Volkes heben und festigen. Und auch im Heimatlande selbst harren seiner ernste Pflichten. In den maßgebenden Kreisen, den Parlamenten und anderen staatlichen Einrichtungen soll er der Wichtigkeit entsprechend, die der Handel für die Volkswirtschaft bedeutet, größeren Einfluß gewinnen und so an der Gesetzgebung, der Leitung des Staatswesens zum Wohle des Ganzen teilnehmen.

Aber freilich, die Lösung so wichtiger Aufgaben ist nicht leicht. Sie erheischt ein umfassendes Wissen und einen weiteren Blick, als ihn die alleinige Ausbildung durch die Praxis zu geben vermag. Und diese Erkenntnis ist es denn, welche die Handelskammer zu Leipzig veranlaßte, mit Unterstützung des Sächsischen Ministeriums und des Leipziger Stadtrats und im Einvernehmen mit der Universität, in Leipzig eine Handelshochschule – die erste in Deutschland und in ihrer Art die erste auf der ganzen Erde – zu gründen. Auserlesene Lehrkräfte stehen der Anstalt zur Verfügung und gewährleisten die gewissenhafte Erfüllung des Lehrplans, dem eine zweijährige Dauer zu Grunde gelegt ist. Der Lehrplan, in dem der Besuch der einschlägigen Vorlesungen auf der Leipziger Universität inbegriffen ist, umfaßt Rechts- und Volkswirtschaftslehre, Handelsgeschichte, Handelsgeographie, Warenkunde, Technologie und Handelsbetriebslehre, ferner kaufmännisches Rechnen, Buchhaltung, Korrespondenz, Stenographie und endlich fremde Sprachen.

Der Besuch der Handelshochschule wird besonders solchen Kaufleuten von Nutzen sein, die einmal Leiter großer geschäftlicher Unternehmungen werden sollen, dann denjenigen, welche ausersehen sind, die Interessen des Kaufmannsstandes im In- und Auslande zu vertreten (Konsularbeamte, Mitglieder von Handelskammern u. a.), auch Juristen, die in kaufmännischen Verhältnissen bewandert sein müssen, ehemaligen Offizieren, die in kaufmännischen Betrieben, im Versicherungswesen etc. angestellt werden wollen, und ferner allen jenen jungen Leuten aus dem Kaufmannsstande, die sich durch Tüchtigkeit besonders auszeichnen und es bei entsprechender Ausbildung weiter als gewöhnlich in ihrem Berufe bringen können. Endlich wird es auch die Aufgabe der Handelshochschule sein, tüchtige Handelslehrer, an denen ein so großer Mangel herrscht, heranzubilden.

Wir sehen, die neue Hochschule stützt sich auf ein gar umfangreiches Programm, und darum muß sie auch höhere Anforderungen stellen, um das, was sie verspricht, halten zu können. Als Handelsstudenten sollen deshalb nur diejenigen Aufnahme finden, welche das Abiturientenzeugnis eines Gymnasiums, Realgymnasiums, einer Oberrealschule oder höheren Handelsschule beibringen können, seminaristisch gebildete Lehrer, dafern sie die Wahlfähigkeits-(2. Lehramts-)Prüfung bestanden haben, und Kaufleute, welche die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst erworben, ihre Lehrzeit beendet haben und die erforderliche geistige Reife besitzen.

Zahlreiche Anmeldungen sind bereits auf der Handelshochschulkanzlei eingelaufen, und schon zu Ostern dieses Jahres wird die Handelshochschule ihre Pforten öffnen. Möchten alle, die da aus- und eingehen werden, das hohe Ziel, das sie sich gesteckt haben, erreichen, und möchte die Anstalt nicht nur zum Wohle des deutschen Handelsstandes, sondern des gesamten deutschen Vaterlandes blühen und gedeihen!

A. v. Liezen-Mayer †.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph
Friedrich Müller in München.

A. v. Liezen-Mayer †. (Mit Bildnis.) Immer mehr lichtet sich der Kreis jener Maler, die in ihrer Jugend als Schüler Pilotys in München zu Meistern wurden, um später selber den Ruhm Münchens als Pflegestätte der Kunst durch ihre Thätigkeit als Maler und Lehrer mächtig zu fördern. Auch Alexander v. Liezen-Mayer, der am 19. Februar in München nach schwerem Leiden starb, gehörte zu diesem Kreise. Er war am 24. Januar 1839 zu Raab in Ungarn geboren, erhielt die erste Ausbildung seines Talents in Wien, wo Anschütz sein Lehrer war, und kam 1862 nach München, um Pilotys Schüler zu werden. Er widmete sich, gleich diesem, der Historienmalerei. Für sein erstes großes Bild hatte er den Gegenstand aus der Geschichte Ungarns genommen: „Königin Maria von Ungarn mit ihrer Mutter Elisabeth am Grabe Ludwigs des Großen“; das nächste feierte jene ungarische Königstochter, die als Gattin des Landgrafen Ludwig von Thüringen so viel Thaten der Mildherzigkeit und Nächstenliebe verrichtete, daß später ihre Heiligsprechung erfolgte. Noch größeren Erfolg hatte „Maria Theresia im Garten zu Schönbrunn“, das die Kaiserin darstellt, wie sie das Kind einer kranken Bettlerin an die Brust nimmt und stillt. Die Volkstümlichkeit seines Namens errang sich Liezen-Mayer aber als Illustrator der bedeutendsten Lieblingsdichter unserer Nation, vor allem durch den prächtigen Bildercyklus zu Goethes „Faust“, die Illustrationen zu Schillers „Lied von der Glocke“, zu den Romanen von Gustav Freytag und Scheffels „Ekkehard“. Gleichzeitig gewann sich der Künstler einen bedeutenden Ruf als Porträtmaler sowie als Lehrer seiner Kunst. Als solcher stand er in München an der Spitze einer eigenen Kunstschule, bis er 1880 einer Berufung zum Direktor der neuorganisierten Kunstakademie in Stuttgart folgte. Als sich ihm drei Jahre später eine Professur an der Münchener Akademie bot, ergriff er diese Gelegenheit, nach dem geliebten München zurückzukehren, um fortan dort zu bleiben. Von seinen späteren Bildern brachte ihm „Die Erhebung des Matthias Corvinus zum König“ besonderen Ruhm: sein letztes größeres Werk war die dekorative Prachtleistung eines Vorhanges für das Theater von Hannover. Der liebenswürdige Charakter des Künstlers hatte ihm auch persönlich viele Freunde gewonnen.

Erdbrände. Vor kurzem brachten die Tagesblätter die Nachricht, daß im Kohlengebiet der Saar zwischen Dudweiler und Neuweiler der „brennende Berg“ sich einen neuen Ausgang geschaffen habe. Die Ausbruchstelle, die dicht unter einem Baume sich befindet, stößt eine starke Rauchsäule aus, während an einer alten Ausbruchstelle eine starke Buche stürzte, deren Wurzeln verbrannt waren. Dieser brennende Berg ist ein Hügel, in dessen Inneren sich ein Steinkohlenflöz befindet, welches um das Jahr 1660 durch Unvorsichtigkeit eines Hirten an einer Stelle in Brand geriet. Alle Versuche, den Brand mit Wasser zu löschen, blieben vergebens, und so dauert derselbe noch unter der Erdoberfläche seit 230 Jahren ununterbrochen fort. Der Ort bei Dudweiler ist aber nicht die einzige Stelle, wo Erdbrände eingetreten sind.

Zu Riccamari bei St. Etienne in Frankreich befindet sich eine Steinkohlenmine, von der schon vor einem halben Jahrtausend berichtet wird, daß sie brenne; 1765 war der Brand noch lebhaft, aus neuester Zeit liegen darüber keine Nachrichten vor. In einer Kohlenschicht am Flusse Tyne in England brach im vorigen Jahrhundert durch Nachlässigkeit der Arbeiter Feuer aus und dieses brannte ununterbrochen 30 Jahre lang; etwas Aehnliches ereignete sich 1746 bei Wettin in Sachsen.

Ein Brand im Zwickauer Steinkohlengebirge soll dadurch entstanden sein, daß 1641 der General Borry absichtlich in den Gruben Feuer anlegen ließ. Indessen läßt sich nachweisen, daß damals das Flöz schon seit Jahrhunderten brannte. In Herzogs „Chronik der Kreisstadt Zwickau“ heißt es: Die Steinkohlenlager ziehen sich dreiviertel Stunden südlich von der Stadt unter der Mulde hinweg bis nach Oberplanitz und sinken jenseit wie diesseit der Mulde bis zu einer Tiefe von 1000 Metern hinab. Das Auffinden der Kohlenflöze setzt die Sage bis in die Sorbenzeit zurück, im 16. Jahrhundert waren sie schon so bekannt, daß die Professoren der Universität zu Coimbra in Portugal ihrer in Schriften gedenken. Zwischen Nieder-Kainsdorf und Planitz brennt unterirdisch ein Kohlenflöz seit undenklichen Zeiten, indem dort abwechselnd an mehreren Stellen, die sich brennend heiß anfühlen, bald schwächer bald stärker Dampf aus der Erde kommt, bisweilen mit Geräusch. Selbst im härtesten Winter bleibt auf dieser Strecke kein Schnee liegen. Nach der Meißener Chronik des Albinus soll die Entzündung 1479 stattgefunden haben. Der berühmte Agricola, welcher von 1518 bis 1522 Rektor in Zwickau war, gedenkt des Brandes und bemerkt: Niemand wisse, wann und wie derselbe entstanden sei. Die Entzündung muß also lange vor 1479 stattgefunden haben, weil sonst nach 40 Jahren doch wohl die Entstehung derselben bekannt gewesen wäre. In den Jahren 1668 bis 1675 wütete das Feuer so heftig, daß die gesamte Steinkohlenförderung auf den Planitzer Revieren aufhörte. Man versuchte durch Wasser den Brand zu löschen, ebenso durch Verdämmung, aber alles war vergeblich. So zog sich dieser Erdbrand durch das ganze 18. Jahrhundert hin, und als auch 1812 erneute Löschungsversuche mißlangen, wurden alle Planitzer Schächte zugeschüttet, worauf nach 10 Jahren keine Spur des Brandes mehr bemerkbar war. Kaum aber waren die Schächte wieder geöffnet worden, als der Brand von neuem heftig ausbrach, worauf man das Flöz wieder sich selbst überließ.

Ein industrieller Mann verfiel auf die Idee, von der unterirdischen Wärme Nutzen zu ziehen, indem er bei Ober-Planitz eine Treibhausgärtnerei anlegte. In großen, über dem warmen Boden erbauten Räumen wurden Palmen, Orchideen und Ananas kultiviert und diese tropischen Pflanzen gediehen daselbst vortrefflich. Leider hatte aber die Herrlichkeit keinen langen Bestand. Der unterirdische Kohlenbrand blieb nicht dauernd an der nämlichen Stelle, sondern schritt weiter und mit ihm die Erwärmung des Bodens. Diesen Wanderzügen konnten die Treibhäuser nicht folgen, und so sah sich der Besitzer genötigt, die warme Luft durch Röhren seinen erkalteten Gebäuden zuzuführen. Auch das dauerte nicht lange und schließlich ging die Gärtnerei ganz ein.

Nachdem seit anderthalb Jahrzehnten keine Spur des Brandes mehr bemerkt worden war, wurde 1880 bis 1881 ein Schacht angelegt und ein regelrechter Betrieb der Kohlenförderung eingerichtet. An anderer Stelle brennt das Kohlenflöz unterirdisch noch fort. Daß man es bei diesen Erdbränden nicht mit einer Art von vulkanischen Erschütterungen zu thun hat, ist nach dem Vorhergehenden klar.K.     

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0194.jpg&oldid=- (Version vom 23.4.2024)