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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Tiere sozusagen zu Helden macht, wo es gilt, die eigene wehrlose Brut gegen räuberische Ueberfälle zu verteidigen. Mutterliebe kommt auch in dem Kampfe zur Geltung, den das stimmungsvolle Bild von Ludwig Beckmann uns vorführt. Der herrschsüchtige Schwan ist wohl ein kräftiger Vogel, der sich zu wehren versteht, immerhin ist aber auf festem Lande der Fuchs ein ihm überlegener Gegner. Und doch setzt sich die Schwanenmutter tapfer zur Wehr und achtet nicht auf die Gefahr, die ihr droht, da sie ihre Küchlein beschützen will. Aug’ in Auge stehen sich die Feinde gegenüber und der drohende kräftige, zum Stoß bereite Schnabel hält Meister Reineke in gebührender Entfernung. Sicher wird es der bedrohten Familie gelingen, die Flut zu erreichen; in das tiefe Gewässer wird ihr der Fuchs nicht gern folgen wollen und am Ufer das Nachsehen haben. *      

Eine Verhaftung. (Zu dem Bilde S. 240 und 241.) Es war eine traurige Zeit, als Deutschland nach den unglücklichen Schlachten bei Jena und Auerstädt unter die französische Fremdherrschaft sich beugen mußte. Erhebend war aber in ihr das Beispiel der Männer, die das Volk zu einer neuen Erhebung aufriefen. Vielen von ihnen war es nicht vergönnt, den endgültigen Sieg der Gerechtigkeit zu erleben; frühzeitig starben sie den Heldentod als Opfer des Gewaltherrschers, der alle auf Befreiung und Erhebung Deutschlands gerichteten Bestrebungen mit dem glühendsten Haß verfolgte. – In jene schwere Zeit der Bedrückung versetzt uns das wirkungsvolle Bild von J. Weiser. Der junge Mann, der in dem alten Landsitz im engen Kreise der Verwandten seine Hochzeit hält, hat an den Vorbereitungen zur Bekämpfung der Fremdherrschaft teilgenommen. Der Feind hat es erfahren, und er ist als Hochverräter und Verschwörer geächtet. An der Hochzeitstafel wird der Verfolgte verhaftet, von der Seite seiner ihm soeben angetrauten Gemahlin in die Kerkerhaft abgeführt. Fürwahr, sprechender könnte das schwere Joch, das damals auf dem deutschen Volke lastete, kaum dargestellt werden! Wohl hat für all jenes Unrecht dem Feinde die Stunde der Vergeltung geschlagen, aber Erinnerungen an jene trübe Zeit müssen wachgehalten werden als mahnende Warnung für spätere Geschlechter. *      

Nachbarschafts- und Versöhnungsfeste. Seit Jahrhunderten pflegt man in gewissen Orten des Rheinlands und Westfalens einmal im Jahre ein Fest zu feiern, an dem das Kriegsbeil begraben wird: man vergißt geschehene Unbill, man versöhnt sich. Bald sind es ganze Orte, bald nur bestimmte Straßen, welche das Nachbarzehren, auch Nachbargelag genannt, begehen. Eine kirchliche Feier, bestehend in gemeinschaftlichem Gottesdienst, bildet in der Regel die Einleitung, später findet dann das eigentliche Fest, bestehend in gemeinsamem Essen, Trinken, in Vorträgen u. dergl., statt. Derartige Feste werden in Camp am Rhein, in Coesfeld, namentlich aber in Münster i. W. gefeiert. Hier giebt es mehrere St. Peter-Bruder- oder Nachbarschaften, so genannt, weil sie den Apostel Petrus zum Protektor erwählt haben. Diese Vereinigungen sind zum Teil uralt. Die Gründung der Spiekerhofs-Nachbarschaft in Münster i. W. fällt nachweislich in das Jahr 1571, und zum Teil sind noch genaue Nachrichten und Schriftstücke aus dieser Zeit vorhanden. Nach und nach haben sich für die Begehung dieser Feste, über die Aufbringung der Gelder, oie Festordnung, ja über die Speisen und Getränke, bestimmte Regeln herausgebildet. Fremde dürfen sich im allgemeinen nicht daran beteiligen. Bd.     

Ein fröhlicher Zecher.
Nach dem Gemälde von H. Knoechl.

Kipfenberg. (Zu dem Bilde S. 253.) Nördlich von Ingolstadt erstreckt sich die Altmühlalp, ein Teil des Fränkischen Jura. Durchflossen von der fischreichen Altmühl, ist sie nicht nur durch landschaftliche Reize, frische Wiesengründe und dunkle Wälder, ausgezeichnet, sondern bietet den Blicken des Wanderers auch zahlreiche Baudenkmäler längst vergangener Zeiten. Diese Gegend gehörte einst zum Grenzgebiet römischer Besitzungen in Germanien, und die Welteroberer führten auch durch sie den berühmten Grenzwall (Vallum Hadriani), der an vielen Stellen durch Kastelle noch besonders befestigt war. Ueberreste dieser Mauer sind noch heute vorhanden; sie zog sich dahin durch Berg und Thal, durch Flur und Wald. Das Volk hat in diesem Bau, „dessen Anfang und Ende niemand kannte“, ein Werk böser Geister erblickt und ihm den Namen „Teufelsmauer“ beigelegt. Als die Herrschaft der Römer zusammengebrochen war, standen die Kastelle verödet, bis sich deutsche Ritter in der wald- und schluchtenreichen Gegend niederließen und die ehemaligen römischen Festungen in Burgen umwandelten. So war auch Kipfenberg im Altmühlthale einst eine römische Niederlassung und auf der Stelle der Burg befanden sich namhafte Befestigungen. Aus der Römerzeit stammt noch der unverwüstliche Turm, der die Burg überragt. In unmittelbarer Nähe der Burg senken sich die Ueberreste der „Teufelsmauer“ ins Thal und reichen bis in die Häuserreihen des Ortes Kipfenberg. Wie Karl Kugler in seiner Schrift „Die Altmühlalp“ berichtet, gehörte Kipfenberg einst der Familie derer von Kropf oder Steuma. Dann ging es im Jahre 1301 in den Besitz des Hochstifts von Eichstätt über und wurde von einem fürstbischöflichen Pfleger verwaltet. Das Volk erzählt sich allerlei Schauergeschichten über geheimnisvolle Ereignisse, die sich in den Verließen des Schlosses zugetragen haben. Im Anfange des 15. Jahrhunderts wurden in Kipfenberg viele Raubritter aus dem fränkischen Adel gefangen gehalten und manche von ihnen sollen in den Gewölben der Burg die Todesstrafe erlitten haben.*      

Erste große Wäsche. (Zu dem Bilde S. 249.) Ein köstliches Gefühl, seine schönen spitzenbesetzten Leinwandschätze so recht nahe der großen Straße aufzuhängen, damit die nachmittags zum Waldwirtshaus pilgernden Kleinstädterinnen sehen, wie gediegen die Aussteuer der jungen Förstersfrau ist! Sie hat tüchtig mitgeholfen beim Waschen wie beim Hängen, denn die paar Jahre in einem Geschäft der Residenz haben ihrer frischen jungen Kraft nichts geschadet, im Gegenteil! Und jetzt heißt es, fix zu Ende kommen; in einer Viertelstunde wird der Mann da sein und sein Essen verlangen! … Daß er schon hinter der Leine steht und sein hübsches fleißiges Weibchen voll Vergnügen beobachtet, das merkt sie in ihrem Eifer nicht. Aber Waldmann, der Verräter, schnuppert bereits an dem schönen Vorhang herum, und ehe die nächste Sekunde vergeht, wird es mit dem Wäschehängen im blühenden Baumgarten vorbei sein. So wichtig dieses auch ist – sie hat dann entschieden Wichtigeres zu thun! Bn.     

Acetylengasmotoren. In dem Artikel über das Acetylengas, der in Halbheft 1 des laufenden Jahrgangs der „Gartenlaube“ erschienen ist, wurde auch die Frage der Verwendbarkeit des Acetylens zum Betrieb von Gasmotoren erörtert. Der Verfasser meinte, daß die heftigen Stöße, die dieses Gas bei seinen stürmischen Explosionen äußert, dieser Verwendung einstweilen noch hinderlich seien, sprach aber die Hoffnung aus, daß es in Zukunft gelingen werde, zweckentsprechende Motoren zu bauen. Wie wir erfahren, baut die Motorenfabrik von Moritz Hille in Dresden-Löbtau schon jetzt Acetylengasmotoren, die ebenso ruhig, geräuschlos und stoßfrei arbeiten wie die mit gewöhnlichem Leuchtgas btriebenen. – Es freut uns, auch diesen Fortschritt der deutschen Technik zur Kenntnis unserer Leser bringen zu können. *      

Dankopfer der Liebe. (Zu unserer Kunstbeilage.) Was hat der kleine kluge Amor, der dort in der Ecke von seinem Postament herab mit schlauem Lächeln das Thun seiner Umgebung belauscht, in jüngster Zeit nicht alles erleben dürfen! Wie hat das Schicksal seiner schönen Schutzbefohlenen, die ihn jetzt als glückliche Braut dankbaren Herzens bekränzt, seine siegreiche Allgewalt wieder bestätigt! Wie spröd’ und kühl nahm sie im Anfang die Bewerbungen des Mannes auf, aus dessen Armen sie sich vorhin gelöst, um die Blumen, die er ihr gebracht, dem Gotte, der alles so schön gefügt, als Dankopfer darzubringen! Und wie bald kam es dann doch unter seinem Schutz zu Sehnsuchtsseufzern und schmachtenden Blicken, zu zärtlichem Händedruck, zum ersten Kuß und schließlich zu jenem heimlichen Briefwechsel, für welchen er der getreue Vermittler ward. Hinter seinem Rücken ließen sich die duftigen Liebesbriefchen ja so schön verstecken! Nun, er hat redlich dafür gesorgt, daß ein jedes Billet auch in die rechten Hände kam. Ja, das Fräulein hat alle Ursache, ihm dankbar zu sein; aber der Blumen bedurfte es kaum, ihren Dank zum Ausdruck zu bringen – das Glück, dem sie sich im Glanz ihrer jungen Schönheit mit voller Seele hingiebt, ist für Gott Amor der beste Dank.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0260.jpg&oldid=- (Version vom 23.4.2024)