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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

thätigen Herrn Blaschka, war auf ihrem Posten, dem Lande neue Anziehungspunkte zu verschaffen; die in der Gegend begüterte fürstliche Familie zur Beteiligung bereit, auch ein verständnisvoller Baumeister in der Person des Herrn Ingenieur Gaßner alsbald zur Hand. Und so sind die kunstvoll angelegte Fahrstraße in das untere Kaprunerthal und das nur wenige Stunden von Zell am See entfernte neue große Alpenhotel am Kesselfall rasch erstanden und bereits im Jahre 1895 dem Verkehr eröffnet worden.

Unweit Zell zweigt die neue Kunststraße von der Oberpinzgauer Landstraße ab, zunächst den breiten Thalboden des Kapruner Mooses querend. Abwärts haftet der Blick an dem prachtvollen Schloß Fischhorn, einer Zierde der ganzen Landschaft; aufwärts übersieht man den Pinzgau bis zu den duftigen Zillerthaler Bergen. Bald ist der Eingang des Kaprunerthales erreicht; wir biegen um eine Ecke, und nun liegt sein stolzes Schloß vor uns, unweit davon auf einem von der Ache umrauschten Felsen das Kirchlein des Dorfes Kaprun, ein Bild, so malerisch, wie man es nur wünschen kann. In grauer Vorzeit als einfacher Turm erstanden, hat das jetzt der Fürstin Löwenstein gehörige Schloß Kaprun im Laufe der Jahrhunderte den Wechsel der Zeiten reichlich erfahren; seine dicken Mauern und Türme haben wilden Anstürmen Trotz bieten müssen und gewähren noch heute einen imponierenden Anblick. Nur ungern trennt man sich von dem schönen Bilde, aber weitere Genüsse warten unser drinnen im Thale.

Schloß Kaprun.

Die kunstvoll angelegte Straße beginnt bald am Kesselbühl hinanzusteigen, eine Thalsperre, durch welche sich die Kapruner Ache in tiefer Schlucht den Durchgang erzwungen hat. Oben wird die Schlucht in dem kühnen Bogen der Bilinskibrücke von der Straße übersetzt. Dorthin lassen wir den Wagen weiterfahren und wenden uns dem mit der Überschrift „Sigmund Thun-Klamm“ versehenen hohen Holzthore zu, welches wie zu einem Bergwerk den Eingang in die Klamm vermittelt. Zwischen dunklen Felswänden braust und brodelt die Ache, ihr Staub netzt das Moos der Wände und die grünen Zweige, die von oben hereinhängen. Auf sicheren Stegen und Treppen schreiten wir weiter; endlich nähern sich über uns die Wände und wir erblicken die Brücke, bei der wir wieder auf die Straße gelangen, die nun zwischen Matten und Wald langsam weiter hinansteigt. Das kleine Wirtshaus „Zum Kaprunerthörl“ liegt auf einer Lichtung am Wege. Wiederum schließt sich der Wald, doch bald erscheint eine neue Lichtung und vor uns erblicken wir, von prächtigem Tannenwalde umgeben und von Bergluft umweht, das Hotel Kesselfallalpenhaus (vgl. Abbildung S. 341). Es liegt 1056 Meter über dem Meeresspiegel.

Ein Platz, gleich dankbar und gleich geeignet für Touristen zu großartigen Bergpartien wie für Sommerfrischler zu längerem behaglichen Aufenthalt, ist nicht leicht zu finden. Dem vielbesuchten Zell am See ist er durch die neue Straße mit ihrer täglich mehrmaligen Postverbindung auf zwei Stunden nahe gerückt. Eine glückliche Zukunft dürfte dem neuen Alpenheim beschieden sein. Schon jetzt finden wir beim Kesselfall eine ganze Kolonie, die sich wohl in der Folge noch vergrößern wird. Freilich hat es seine Schwierigkeit, weiteres Terrain dem engen Thale abzugewinnen. Auch der gegenwärtig bebaute Platz ist großenteils durch Sprengungen den Felsen abgerungen.

Den Mittelpunkt des Ganzen bildet das große zweistöckige Hauptgebäude, ein vornehm gehaltener Holzbau mit aussichtsreichen blumenverzierten Veranden in echtem alten Pinzgauer Baustil. Sein großer Speisesaal und seine dreißig Zimmer sind behaglich, die Möbel aus Zirbelholz, wie die ganze sonstige Einrichtung, elegant und praktisch. Verschiedene Nebengebäude gruppieren sich malerisch daneben: ein Touristenhaus für anspruchslosere Gäste, Führerwirtschaft, Badehaus, Post- und Telephongebäude, ebenfalls mit Wohnzimmer und Verkaufsläden, sowie eine schmucke Kapelle.

Eingang zur Sigmund Thun-Klamm.

Unmittelbar neben dieser den Brüdern Gaßner gehörigen stattlichen Anlage braust der mächtige Kesselfall, ein prachtvolles Schaustück des Salzburger Landes. Der terrassierte Platz am Rande der Schlucht vor dem Hotel gewährt einen guten Ueberblick der Scenerie, aber die wunderherrlichen Einzelheiten des tiefen Wasserkessels genießt man erst dann vollkommen, wenn man die sicheren Holztreppen beschreitet, zu den donnernden Wassermassen niedersteigt, dieselben rings umkreist und schließlich durch ein Felsenthor wieder zum Hotel zurückkehrt. Der Kesselfall ist dreimal überbrückt, die hölzernen Treppen und Gerüste, die man zu passieren hat, sind mit Eisentraversen ringsum fest in die Felsen gebaut. (Vgl. Abbildung S. 341.)

In das tiefe Felsenbecken ergießt sich übrigens nicht nur der Kapruner Hauptbach, sondern es vereinigt sich dort mit ihm auch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0340.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)