Seite:Die Gartenlaube (1898) 0342.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Pinzgauer Landstraße abzweigt, hat die Zeller Sektion zur Erinnerung an den Besuch des Kaprunerthals durch den Kaiser von Oesterreich im Jahre 1893 ein Denkmal mit dem Bronzemedaillon des Kaisers errichtet. Mit der Enthüllung dieses Denkmals begann die Feier, wobei der verdienstvolle Vorstand der Sektion Zell am See allen Gönnern und Förderern des Unternehmens, welches einen Aufwand von nahezu 100000 Gulden erforderte, voran dem Kaiser Franz Joseph in schwungvollen Worten dankte.

Wasserfallboden.   Mooserboden.

Ein prachtvolles Stück Alpenland ist dem größeren Publikum erschlossen, dem auch die unlängst eröffnete Pinzgauer Eisenbahn sehr zu statten kommt. Auch nach Zell im Zillerthal wird vom Innthale aus jetzt eine Eisenbahn hergestellt; dann bleibt nur noch die Ueberschienung der Gerloser Platte übrig, um die Lande Tirol und Salzburg in neue direkte Verbindung zu bringen. So wetteifern die östlichen Alpenbewohner unausgesetzt, es ihren westlichen Nachbarn gleichzuthun und Anlagen zu schaffen, welche sich den schönsten und großartigsten in der Schweiz würdig an die Seite stellen.


Antons Erben.

Roman von W. Heimburg.

 (10. Fortsetzung.)

Eines Tages verbreitet sich im Dorfe das Gerücht, auf dem Schlosse fange man an zu sparen, so arg, daß es schon nicht mehr schön sei, und die alte Baronesse sei die ärgste dabei.

Christel, die noch bei ihrem verwitweten Schwager ist – sie wagt ihn in seinem Schmerze noch nicht zu verlassen, obgleich es sie mit allen Kräften heimwärts zieht zu ihrer Wirtschaft – hört es von der Frau des Gemeindevorstandes, die das Aufgebot ihrer Tochter bestellt hat. Mit den kleinlichen Ansichten solcher Leute glaubt die Frau, es müsse Christel eine Genugthuung sein, wenn sie erfährt, daß es auf dem Schlosse bergab gehe.

„Die Pferde der Gnädigen haben sie verkauft, sogar den Pony vom kleinen Jungen, und den Leuten den Stuhl vor die Thür gesetzt; man bloß noch ein Mädchen, das kochen kann, und ein Stubenmädchen behalten sie, und die alte Kinderfrau soll ja wohl die Jüngsten mit der Flasche päppeln. Der Herr hat so ein neumodisches Ding kommen lassen, worin die Milch erst stundenlang gekocht werden muß. Und was die Baronesse ist, die thut nichts weiter als die Aepfel auf den Bäumen zählen, die noch daran geblieben sind, sie will sie verkaufen, wie die Leute sagen. Der Wilhelm, der Kutscher von der Gnädigen, sagt, ihm sei auch zu Michaelis gekündigt worden, er ginge aber gern, denn seitdem die gnädige Frau fort wäre, sei nichts mehr los in Wartau. Und das sagt er auch, daß sie nicht wiederkäme, und das sagen sie alle vom Schloß, und daß er nun seine Strafe kriegt.“

Christel, die wie teilnahmlos dagestanden hat, während die Frau redet, unterbricht sie kurz: „Also dies sind die Papiere – ist auch der Trauschein von Ihnen dabei? Schön, ich werde meinem Schwager, sobald er nach Hause kommt, alles berichten, und wenn Bescheid nötig ist –“

„Na, dann adje!“ sagt die erschreckte Frau, „und nehmen Sie’s nur nicht übel.“

„Adieu, Frau Sobbe.“

O, wie ihr dieser Aufenthalt hier zur Qual wird! Und sie muß noch volle acht Tage aushalten, bis die zweite Tochter zurückkehrt, die nun, so jung sie ist, den Haushalt des Vaters führen soll. Aber natürlich, sie kann aus ihrer Stellung nicht so mir nichts dir nichts fort und muß schon froh sein, daß die Herrschaft ihr erlaubt, zu gehen, sobald sie neuen Ersatz hat an ihrer Stelle. Aber länger, länger als eine Woche noch hält’s Christel nicht aus. Sie kann es gar nicht mit anhören, wenn die Leute so reden, sie sträubt sich, glauben zu sollen, daß diese aus heißer Neigung geschlossene zweite Ehe keine glückliche sei, daß es Thatsache sein könnte, was die Menschen flüstern, daß Edith nie wiederkehren werde.

Und die Kinder, die armen Kinder! Aber es ist ja Thorheit, die Leute schwatzen Unsinn – um der Kinder willen werden sie ausharren miteinander, das weiß Christel genau. Hätte sie Kinder gehabt, sie hätte sie in ihren Armen zu ihm getragen und hätte gefordert: „Um dieser willen – ich weiß, daß du mich nicht mehr liebst, dulde mich um dieser willen!“

Eine große Sehnsucht kommt über sie, sie möchte die Kinder sehen, einmal sehen! Und dann schämt sie sich dieses Wunsches. Sie fühlt, sie wird erst wieder ruhig werden in ihrem einsamen Hause da droben auf dem Hochplateau, mit der Aussicht in den Grasgarten, auf die Lindenbäume und den einsamen Weg, den so selten jemand betritt. Wie schön ist dort die Ruhe, die sie umgiebt nach gethaner Arbeit; sie atmet selbst auf, wenn Louischen und der Schwager wieder gegangen sind, die zuweilen auf einen nachbarlichen Besuch kommen. Sie braucht niemand, sie will niemand, sie ruht sich aus in ihrem stillen Zimmer, wo der Kanarienvogel wie im Traume zwitschert und die bewegten Blätter der Linden draußen kleine runde Sonnenflecke auf den Dielen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0342.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2024)