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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

eingereicht worden, aber Alessandros Sprecher, der berühmte Staatsmann und Geschichtschreiber Guicciardini, hatte dem Kaiser seine Verbrechen als kleine Jugendverirrungen darzustellen gewußt und Karl hatte den Herzog aufs neue in allen seinen Rechten bestätigt. Dann feierliches Ringewechseln zwischen dem Bastard und der Kaiserstochter, worauf Alessandro schleunigst vorausgereist war, um in Florenz für den Besuch des Schwiegervaters zu rüsten.

Dieser Einzug, für den die ganze Stadt in ein Feenschloß verwandelt werden mußte, diente erst recht dazu, die Florentiner zu belehren, daß fortan zwischen der kaiserlichen Majestät und seinem Schwiegersohne ein Wille herrschte und daß es nutzlos war, noch länger einem Gedanken an die Wiederkehr des Vergangenen nachzuhängen.

Kaum waren diese anspruchsvollen Gäste abgezogen, als die kaiserliche Braut mit ihrem Ehrengeleite aus Neapel eintraf. Abermals Triumphbogen, Festgeläute und Freudenfeuer; in San Lorenzo wurde das Volk auf Staatskosten bewirtet, und es gab viel zu gaffen, bis alle Ceremonien und Feste vorüber waren und der Herzog an der Spitze seiner Edelleute „Madama Margarita“, wie die Florentiner sie nannten, in sein eigenes Haus abholte.

Die spätere Geschichte kennt sie unter dem Namen Margarete von Parma als die Regentin der Niederlande, die kluge Freundin des Grafen Egmont, die durch ihre aus Italien mitgebrachte religiöse Toleranz den leidenden Provinzen ein Segen ward, bis der furchtbare Alba sie von ihrem Posten verdrängte. In Goethes „Egmont“ erscheint sie als majestätische Frau von männlichem Charakter mit einem „kleinen Bärtchen auf der Oberlippe“, und dieses strenge Bild will die Gestalt der jugendlichen Braut, die im Jahre 1536 unter dem blauen toskanischen Himmel im Palaste Medici ihren Einzug hielt, in der Phantasie nicht aufkommen lassen. Schön war sie auch damals nicht, wie die Denkmünzen beweisen. Sie wurde dem Herzog fast noch als ein Kind vermählt, mehr zur Sicherung der beiderseitigen Interessen als um so früh seine Gattin zu sein. Aber schon jetzt harrten ihrer die schwersten Prüfungen, denn die Katastrophe stand unmittelbar vor der Thüre.

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Kardinal Ippolito.
Nach dem Gemälde von Tizian.

All seiner Feinde glaubte Alessandro sich entledigt zu haben; aber den einzigen, der wahrhaft zu fürchten war, hielt er als besten Freund an seiner Seite.

Die Verblendung des sonst so argwöhnischen Despoten, der in jedem Florentiner einen Verschwörer witterte, erschien seinen Getreuen wie ein Werk der Gestirne. An Warnungen fehlte es nicht. Schopenhauer stellt einmal den wunderlichen Satz auf, daß ein schweres Geheimnis, lange in der Brust eines Menschen verschlossen, sich am Ende von selbst der Außenwelt mitteilen müsse. An dieses mystische Wort wird man erinnert, wenn man sieht, wie Lorenzinos Umgebung ihm den Mordgedanken aus der schweigenden Seele las.

Schon bei der Grundsteinlegung der Citadelle war dem Herzog vom Astrologen, der dieser Handlung vorstand, der Tod durch die Hand seines Vetters prophezeit worden. Alessandro hatte nur gelacht; er war dem alles beherrschenden Aberglauben so unzugänglich, daß er als ein Ausnahmemensch in seiner Zeit erscheint. Zum Entsetzen der Florentiner hatte er sogar einen astronomischen Unglückstag (eine Sonnenfinsternis) und obendrein einen Dreizehnten zum Hochzeitstag gewählt.

Ein Soldat seiner Leibwache träumte, der Herzog sei von einem kleinen, schmächtigen Menschen, dessen Aeußeres er sich genau erinnerte, ermordet; er redete den Herrn des Morgens unter der Thüre an, um ihm den Traum zu erzählen, und da Lorenzino eben dazutrat, rief er: „Dieser ist’s!“ – aber der Herzog schickte ihn mit barschen Worten weg. Maria Salviati, die Mutter des jungen Cosimo, sagte ihm ins Gesicht, Lorenzino stehe ihm nach dem Leben. Von allen Seiten empfahl man ihm Vorsicht; „niemand könne seinem Schicksal entgehen“, war das einzige, was der Herzog darauf antwortete.

Selbst den gemeinsamen Spießgesellen war Lorenzinos Wesen unheimlich geworden, denn auf einem ihrer nächtlichen Abenteuer wollte der Kämmerer Giomo den Strick, an dem jener sich über eine Mauer hinabließ, abschneiden und seinem Herrn den verdächtigen Menschen vom Halse schaffen, aber der Herzog fiel ihm in den Arm.

Mit einer an Wahnsinn grenzenden Entschlossenheit lauerte Lorenzino auf den günstigen Augenblick. Wenn sie zusammen auf einem Pferd über den Mercato ritten, war er öfters versucht, den Herzog, der keinen Stahl mehr auf dem Leibe trug, rücklings niederzustoßen, aber die Nähe der Trabanten hielt ihn ab. Ein andermal hätte er ihn von einer hohen Mauer, die sie nachts zusammen überkletterten, hinabstürzen können, aber nun mußte er fürchten, daß entweder der Tyrann mit dem Leben davonkommen oder daß man seinen Tod einem Zufall zuschreiben könnte, und damit war ihm nicht gedient: er bedurfte des Ruhms; so tief man ihn jetzt verachtete, so hoch sollte man ihn später verehren.

Allmählich war es ein öffentliches Geheimnis geworden, daß der schweigsame Melancholikus etwas gegen den Herrn im Schilde führte. Ihm selbst entschlüpften gelegentlich Andeutungen, die der Herzog nicht ernst nahm.

Schon im Vorjahr, als er seine Komödie „Aridosia“ vor versammeltem Hofe aufführen ließ, sollte er geäußert haben, er werde bald ein blutiges Trauerspiel folgen lassen, das den Titel Fiorenza (Florenz) führen solle.

Ein anderes Beispiel dieser Art erzählt Benvenuto Cellini in seiner Lebensbeschreibung. Der Künstler hatte in seiner Eigenschaft als Münzmeister und Stempelschneider beim Herzog Zutritt und wunderte sich oft, wenn er nach Tisch den Herrn allein mit seinem unheimlichen Günstling schlummern fand. Eines Tages hatte er das Bildnis des Herzogs für eine Schaumünze in Wachs bossiert und wollte nun Urlaub nehmen, um sich in Rom für einen früher begangenen Totschlag den Ablaß zu holen. Der Herzog ward ärgerlich und suchte den geschickten Meister zum Bleiben zu bereden. Er war jenes Tages unpaß und lag zu Bette, niemand war um ihn als Lorenzino, der während des ganzen Gespräches einsilbig blieb; der „fatale Blick“, mit dem er

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0444.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2021)