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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


biblische Gruppe von fahrendem Volke dargestellt wird. Die Leute tragen dabei Dichtungen primitivster Art vor, und ich habe mich bemüht, zum erstenmal diese Volkspoesien in möglichst getreuer und der Urform nahe kommender Weise zu übertragen. Leider ist der Druck nicht rechtzeitig fertig geworden, sonst würde die Broschüre bei der Ausstellung aufgelegt worden sein. Dagegen finden Sie hier mein besonders zum heutigen Zweck herausgegebenes Puppenspiel: ‚Monsieur Hampelmann‘, illustriert von Lecomte de Nouy.“

Die Königin zeigt uns ferner das Modell ihres Krönungswagens. Ihre Augen leuchten, als sie uns erzählt: „Genau so ist es gewesen. Sie sehen in dem mit acht Rappen bespannten Wagen mich an der Seite der grande maîtresse de la cour; gegenüber sitzt eine Hofdame. Die Prachtgruppe verdanken wir der Generalin Poenaru, welche selbst meine Robe nach dem Original gestickt hat.“ Dieses Kleid ist ein kleines Wunderwerk aus weißer Seide und Spitzen mit breitem Pelzbesatz. Echte Perlen und echte Steine vervollständigen die königliche Toilette, während der Achterzug echte Silberbeschläge trägt.

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Bojarenpaar, dahinter Sekretär mit Frau.
Altrumänische Musiker.

Als Pendant – der Bedeutung nach – mag wohl die prächtige „Hohenzollernhochzeit“ mit ihren Hoftrachten gelten, auf welche uns jetzt die Königin aufmerksam macht. Diese Gruppe ist eine Schenkung der Generalin Falcoiano.

„Hier wird uns die Arbeit der Sträflinge in den Salinen veranschaulicht,“ erklärt die Königin. „Die schweren Verbrecher werden hierzu verurteilt. Die Todesstrafe besteht bei uns nicht.“

Im Vorübergehen weist unsere freundliche Geleiterin auf Knaben, welche mit dem „Stern von Bethlehem“ umherziehen, und dann führt sie uns zu dem Hauptstück der Ausstellung: zu dem großen Prospekte von Sinaia. Diese lebensvolle und in Komposition und harmonischem Farbenspiel ungemein wirkungsvolle Gruppe zeigt eine rumänische Bauernhochzeit. Links schließt die von Eugen Kampf gemalte Landschaft ein altrumänisches Herrenhaus ab, das bis in alle Einzelheiten im Aeußern und Innern prächtig modelliert ist. Rechts steht ein altrumänisches Bauernhaus, und zwischen beiden zieht sich der charakteristische Brautzug hin.

Jetzt sind wir bei zwei Figuren angelangt, deren eine Carmen Sylva in ihrem heutigen Alter darstellt, während die andere in der Tracht des Reifrocks und des Chignons eine Siebzehnjährige zeigt: die spätere Königin Elisabeth im Lenz ihres Lebens.

„Die Köpfe sind nicht Porträts,“ lautet die Erklärung; „aber die Kleidung ist durchaus der Wirklichkeit entsprechend. Genau so kleide ich mich. Dieses Taubengrau ist meine Lieblingsfarbe, und der Schleier, der den Kopf der Fünfzigjährigen umhüllt, wird von mir selbst getragen.“ Und ganz besonders lebhaft fährt die Königin fort: „Nun sehen Sie noch hier diese entzückende Gruppe: ein rumänisches Bojarenpaar, hinter ihnen der Sekretär und dessen Frau und davor rumänische Musikanten.“ (Vgl. die nebenstehende Abbildung.) „Diese vom Direktor des Konservatoriums in Bukarest geschenkten Musiker sind echt: sie haben echte Kleider und echte Instrumente, sie haben echte geschriebene Noten aus dem 18. Jahrhundert und tragen sogar – echtes Geld in der Tasche. Aber nun kommen Sie an die historischen Kostüme und Trachten, und da muß ich die Führung an unsere verdienstvolle Freiin von Cotzhausen abgeben. Sie wünschen Ihren Artikel durch ein Bild von mir vervollständigt? Ja, ich würde Ihnen gerne eine Aufnahme gewähren, aber ich habe kein festlich’ Gewand an. Das schadet nichts? Nun, wenn Sie durchaus wollen ….“ Und die Königin, die bereits Stunden der Ausstellung gewidmet hat, folgt uns in den Schloßgarten, wo mein Begleiter die neueste Aufnahme der gekrönten Dichterin machen darf. Das interessante Bild schmückt die erste Seite dieses Halbhefts.

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Französische Hochzeit unter dem „Direktorium“.

Folgen wir nunmehr unserer neuen, nicht minder liebenswürdigen Führerin, der Freiin Natalie von Cotzhausen, welche mit Herrn und Frau Fabrikant Carl Reichard sich um das gelungene Arrangement der Gesamtausstelluug verdient gemacht hat, durch die historische Abteilung. Da waren zunächst die Trachten der vorchristlichen Zeit dargestellt: Figuren von Aegyptern, Persern; Germanen am Opfersteine; Terrakotten von Tanagra vertraten Griechenland; Rom mit Senatoren, Byzanz schlossen sich an. Es folgten burgunder Trachten des 12. Jahrhunderts, darunter als charakteristische Repräsentantin Jeanne de Bourgogne, ferner deutsche Edelleute

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0461.jpg&oldid=- (Version vom 9.8.2021)