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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Sich aus solchen Wirrnissen herauszureißen, ließ sich Bismarck im Herbst 1837 an die Regierung nach Potsdam versetzen. Und als er, im Frühjahr 1838 bei den Gardejägern daselbst zur Ableistung seiner Militärpflicht eingetreten, im Verkehr mit den Offizieren wiederum dem Zauber lustigen Lebensgenusses verfiel, beantragte er noch im selben Jahre seine Versetzung zum 2. Jägerbataillon nach Greifswald, in der Hoffnung, dort nebenher Vorlesungen an der landwirtschaftlichen Akademie Eldena hören zu können.

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Das Geburtshaus des Fürsten Bismarck in Schönhausen.
Nach einer Photographie von H. Bentzke in Rathenow.

Ein weiterer Grund für diese Veränderung lag in sehr wenig erfreulichen Verhältnissen. Der alte Herr von Bismarck hatte als Landwirt kein Glück, seine Güter kamen herunter, er stak tief in Schulden und sein Hauswesen mit wechselndem Aufenthalt in Kniephof, Schönhausen und Berlin kostete viel Geld. So griff er zu dem Auskunftsmittel, die pommerschen Güter seinen beiden Söhnen Bernhard und Otto noch bei Lebzeiten zu übergeben und sich auf Schönhausen zurückzuziehen. Das geschah denn auch – aber dann kam das Unglück in anderer Gestalt über ihn: am 1. Januar 1839 starb seine Gattin, und er selbst erlitt infolge der Erregung einen Schlaganfall, von dem er sich nie mehr ganz erholte.

Sowie Otto von Bismarck mit seinem Militärdienstjahre zu Ende war, trat er die Verwaltung der pommerschen Güter an und führte sie zwei Jahre gemeinschaftlich mit seinem Bruder, bis dieser Landrat in Naugard wurde, in die Kreisstadt zog und einen eigenen Hausstand gründete. Das machte eine Teilung nötig; Bernhard behielt Külz, Otto übernahm Kniephof und Jarchelin. Mit Eifer und wirklichem Erfolg warf sich der Regierungsreferendar nun auf die Landwirtschaft. Als aber das Gröbste überwunden war, als alles wie von selber ging, da kam über den einsamen Junker ein seltsamer Geist der Unrast, der ihn bald in tollen Ritten zu irgend einem entfernten Offiziersgelage führte, bald einsam durch die Felder schweifen ließ, der alle jene abenteuerlichen Geschichten vom „tollen Bismarck“ erzeugte, die insbesondere in Damenkreisen umgingen und in der ganzen Gegend seinen Ruf gründlich verdarben.

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Bismarcks Wohnung in Göttingen.

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Otto v. Bismarck im Jahre 1834.

Damals entstanden die Redensarten: „Kniephof ist Kneiphof worden“ und „Noch lange nicht genug, sagt Bismarck“. Damals hörte man von einem großen, halb mit Porter, halb mit Champagner gefüllten Pokal, aus dem keiner so flott trank wie Bismarck, da raunte man sich von unheimlichen Pistolenschüssen zu, durch die mitten in der Nacht erschrockene Zechkumpane aus dem Schlafe gestört wurden. Aber dieser selbe Bismarck saß dann wieder hinter geschichtlichen oder philosophischen Werken oder er führte mitten unter den Genossen ein ernsthaftes, weitausblickendes politisches Gespräch, tief in die Nacht hinein, daß die andern sich „sträflich langweilten“, weil so etwas sonst nicht Sitte war unter den preußischen Landjunkern der vormärzlichen Zeit. Kurz, man hat von ihm den Eindruck wie von einem Gefangenen, der bald gefaßt sich in sein Schicksal fügt, dann wieder knirschend an den Stangen seines Kerkers rüttelt. Kein Wunder, daß, als eines Tags dieser Otto von Bismarck bei Herrn von Puttkamer auf Reinfeld um die Hand seiner Tochter warb, der alte sittenstrenge Herr erst „wie mit der Axt vor den Kopf geschlagen“ war, daß die Mutter rundweg ihre Einwilligung versagte, bis der so schlecht beleumundete Freier selber kam und durch die natürliche Gewalt seiner Persönlichkeit allen Widerstand glorreich besiegte.

Doch wir haben damit etwas vorgegriffen. Die Jahre, während deren Bismarck in so unerquicklichen Stimmungen sich hin- und hergeworfen fühlte, brachten ihm auch ein Erlebnis, das für seine spätere politische Laufbahn von Bedeutung war. Am 15. Oktober 1840 wohnte Bismarck der Huldigungsfeier für Friedrich Wilhelm IV in Berlin bei und er nahm einen tiefen Eindruck davon mit nach Hause.

Am 30. Oktober 1844 war Hochzeit auf Schönhausen. Bismarcks geliebte Schwester Malwine vermählte sich mit seinem Freunde Oskar von Arnim Kröchlendorf. Ein Jahr darauf kehrte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 562. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0562.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2024)