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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

daß sie sich von diesem Menschen zum Abschied küssen ließ. Als sie dann wieder eintrat, mit ganz heißem Gesicht, fragte sie mich, ob ich meine Meinung von ihm nicht doch geändert hätte, jetzt nicht auch fände, daß er ein reizender Mensch sei. Sie dauerte mich, in ihrer schwärmerischen Verblendung, und so sagte ich nur: ,Einer schickt sich nicht für alle, und ich soll ihn ja nicht heiraten. Wenn du glücklich mit ihm wirst, werd’ ich auch wohl Gefallen an ihm finden. Das aber kann ich dir nicht verhehlen: diese heimliche Verlobung gefällt mir nicht. Warum, wenn ihr auch nicht gleich Hochzeit machen könnt, verkündigt ihr nicht wenigstens, daß ihr Braut und Bräutigam seid? Es entsteht leicht ein Gerede, und wenn er es ehrlich meint –‘

„Da wurde sie Feuer und Flamme von wegen seiner Ehrlichkeit. Er warte mit der öffentlichen Verlobung nur noch, bis die feste Anstellung in einer Hoftheaterkapelle, um die er sich beworben, ihm gesichert sei. Nur der Sommer könne noch darüber hingehen. Dann solle auch gleich geheiratet werden. Er hasse das lange Herumziehen als Brautleute. – Mir klang das nicht sehr beruhigend und wir stritten noch eine gute Weile, bis der Papa, der nebenan schlief, hustete, um anzuzeigen, er wolle seine Ruhe haben.

„Es war aber eine solche Abkühlung unsrer alten Freundschaft zwischen uns gekommen, daß ich seitdem mehrere Wochen lang nicht mehr in ihre Wohnung kam und auch auf der Straße nur einen kurzen Gruß mit ihr wechselte. Um so erstaunter und bestürzter war ich, von ihrem Vater eines Nachmittags ein Billet zu erhalten, das mich dringend einlud, sobald ich frei wäre, zu ihnen zu kommen.“ (Schluß folgt.)


Ein Denkmal der Erhebung von Schleswig-Holstein am Mississippi.

Der fünfzigjährige Gedenktag der Erhebung Schleswig-Holsteins gegen die dänischen Anmaßungen ist nicht nur im deutschen Vaterland festlich begangen worden. Auch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, deren Bevölkerung dem tragischen Ausgang der deutschen Volksbewegung von 1848 einen so bedeutsamen Zuwachs zu danken gehabt hat, fand am 24. März d. J. eine Gedächtnisfeier statt zur Erinnerung an die heldenhaften Kämpfe der „meerumschlungenen“ Herzogtümer für ihre nationale Selbständigkeit und unteilbare Zusammengehörigkeit, die an jenem Tage ihren Anfang nahmen. Und ähnlich dem Denkstein, welcher aus diesem Anlaß zu Altona in Anwesenheit von Veteranen des Kampfes feierlich enthüllt worden ist, wurde am Ufer des Mississippi ein solcher errichtet, der noch späteren Geschlechtern davon Kunde geben soll, wie die nach Amerika ausgewanderten Veteranen an der alten Heimat hingen und ihre patriotischen Erinnerungen treu in Ehren hielten.

Dieser Denkstein, dessen Abbildung sich den Lesern nebenstehend bietet, hat zu Davenport im Staate Iowa seinen Standort. Die erst in diesem Jahrhundert, 1836, am rechten Ufer des Mississippi angelegte Stadt war gerade im jugendlichen Aufblühen begriffen, als der Krieg in Schleswig-Holstein unter dem Druck der deutschfeindlichen Politik der Großstaaten ein klägliches Ende nahm und die Freiwilligen, die ihr gefährdetes Deutschtum mit den Waffen verteidigt hatten, von der Reaktion für Rebellen erklärt wurden. Verfolgt und verfemt, mußten sie ihrer Heimat den Rücken kehren und ein Exil in fremden Ländern suchen. Davenport wurde ein Hauptziel dieser Auswanderung, und von der Ansiedelung dieser politischen Flüchtlinge aus der deutschen Nordmark datiert der Aufschwung der Stadt zu der ansehnlichen Größe, deren sie sich heute erfreut.

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Der Denkstein in Davenport.

Von den ersten Einwanderern aus Schleswig-Holstein, den Veteranen der so kühn unternommenen Erhebung, ist noch eine stattliche Schar am Leben. Das Erinnerungsfest in Davenport bestand aus einem Umzug des 170 Mann starken Vereins der Kampfgenossen aus jenen Tagen, der deutschen Veteranen von 1870/71 und des Kriegervereins, welcher eine bedeutende Anzahl von jüngeren ehemaligen Soldaten umfaßt, die in der deutschen Armee gedient und ihren ehrenvollen Abschied erhalten haben. Den Schluß bildeten die Veteranen des Secessionskriegs, in welchem sich das deutsche Element so rühmlich hervorthat. Der Zug, in dem auch die Behörden der Stadt vertreten waren, bewegte sich nach der Stätte, auf welcher sich dann die Enthüllung des Denksteins vollzog. Zu beiden Seiten desselben konnten zwei junge Eichen als Symbole des Brudervolks gepflanzt werden, die aus dem Herzen des niederdeutschen Landes, dem Sachsenwalde, stammen und ein Geschenk des Altreichskanzlers sind. Leider konnte der Rahmen unseres Bildes die kräftig gedeihenden Bäume nicht umfassen; wohl aber ist auf demselben die dem Boden Amerikas entsprossene Doppeleiche sichtbar, welche direkt hinter dem Stein stattlich emporwächst. Der Präsident der Kampfgenossen vollzog die Enthüllung, während der Schriftführer des Vereins in begeisternder Ansprache den Stein und die Eichen der Obhut der Bürgerschaft übergab. Darauf bewegte sich der Zug in die Turnhalle, in welcher der Verein seine Jahresversammlung in besonders feierlicher Weise abhielt, wobei dem verdienten Sekretär desselben, Emil Geisler, der seit 25 Jahren seines Amtes waltet, ein Ehrengeschenk überreicht ward. Geisler war in der alten Heimat Schullehrer; in Davenport stand er immer im Vordergrund derer, denen die Pflege des Deutschtums eine heilige Sache war.

Der fröhliche Abschluß des Festes erhielt durch eine Theateraufführung von Mitgliedern des jüngeren Kriegervereins besondere Weihe; großen Jubel erweckte es, als die Vereinigten Sänger Davenports von ihrem Uebungslokal anmarschiert kamen, um die Alten mit einigen deutschen Liedern zu überraschen, was ihnen vortrefflich gelang. So verlief das Fest in echt deutscher Weise. Die deutsche Presse am Ort wußte den Tag voll zu würdigen; die Haltung der alten Kämpen wurde besonders gerühmt: „Echtes Frühlingswetter, wie wir es lange nicht gehabt, herrschte, und Frühling war es auch in den Herzen der alten Knaben, gerade wie vor 50 Jahren, da sie als Jünglinge die Waffen ergriffen, um das geliebte Vaterland Schleswig-Holstein vom Dänenjoch zu befreien. Aus den Jünglingen sind Greise geworden, wer aber die graubärtige, silberhaarige alte Garde musterte, der mußte erstaunt sein über die Rüstigkeit vieler und über das Feuer, welches noch allen aus den Augen blitzte. Die Zeit hat dem Körper das Siegel aufgedrückt, aber dem Geiste konnte sie nichts anhaben, der ist jung geblieben und wird es hoffentlich noch lange bleiben.“

Die Gegend, in welcher Davenport liegt, ist im vierten Jahrzehnt unsres Jahrhunderts nur unter schweren Kämpfen der Kultur gewonnen worden. Einer der tapfersten und edelsten Häuptlinge des Indianerstammes, der hier seine Jagdgründe hatte, war Blackhawk („der schwarze Falke“), nach welchem auch die im Westen der Stadt gelegenen schönen waldigen Berge benannt sind, allwo durch unsere meistenteils deutschen Winzer ein recht guter Wein gezogen wird. Während andere Häuptlinge die Traktate mit den Weißen unterzeichneten, nach welchen sie gegen gewisse Vergütungen die Ländereien an dieselben abtraten, weigerte Blackhawk sich beharrlich, darauf einzugehen. Mit seinen Getreuen, dem Stamme der Sac-Indianer, focht er l832 den letzten Entscheidungskampf gegen die andrängenden Bleichgesichter, welcher jedoch unglücklich für ihn verlief. Die Rothaut mußte ihr idyllisches Mississippithal aufgeben, um sich grollend nach den fernen Wildnissen des Westens zu wenden.

Die Lage Davenports ist sehr anmutig. Der Mississippi, dessen Ufer von malerischen Bergzügen beschirmt sind, teilt sich hier in zwei Arme, welche eine ebenfalls besiedelte Insel, Rock-Island, umfließen.

Auf dieser Insel befinden sich die großartigen Werkstätten der Regierung, in denen nach Ausbruch des Kriegs mit Spanien an zweitausend Arbeiter mit der Herstellung von Munition und Armaturstücken beschäftigt waren. Die eigentliche Stadt liegt am rechten Ufer des Flusses und ist mit der Insel durch eine Brücke verbunden. Sie zählt jetzt etwas über 36000 Einwohner und trägt einen vorherrschend deutschen Charakter: ungefähr drei Viertel der Geschäftshäuser sind in deutschen Händen, was sowohl vom Kleingeschäft wie von der neuerdings mächtig aufblühenden Großindustrie gilt. H. Pfabe.     

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 602. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0602.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2024)